FSK-18 Die schwarze Heilige
#11
Er trat ohne zu Zögern ein als ihr, doch recht überraschendes Angebot, wohlwollend aufgefasst wurde. Das Kerzenlicht tauchte das Zimmer in ein angenehm warmes Schlafgemach und der Geruch vermischte sich mit dem seiner Grabpflegerin.
Ja wirklich, er hatte sie vermisst, die stille Erscheinung die sich wie selbstverständlich auf dem Friedhof bewegte, sich kümmerte und ihm manche Last abnahm.
Einige Momente sah er schweigend zu ihr herüber, genoss den Anblick der der vornehmen Blässe und dem tiefen Schwarz ihrer Haare. Der Totengräber hatte eine bekannte Schwäche dafür.
Langsam schloss sich die Tür wieder hinter ihm und er öffnete die Lippen noch ein Stück weiter, stieß den warmen Atem etwas dunkler aus ehe er die Worte wieder fand. Es waren nur wenige, tiefer und leiser gesprochen, als würde er annehmen sie würden belauscht werden, oder die Worte seien verboten.
"Das Kleid steht euch ausgezeichnet..."
Es verriet nicht viel von dem was sich darunter verborgen hielt, aber genau das machte es vielleicht auch so ehrlich ansprechend.
Die schönste Zeit war die Zeit auf dem Friedhof, man konnte dort sorglos Tage, gar Wochen verbringen... und es fiel einem selbst garnicht auf.
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#12
Atem hatte immer eine Farbe. Nur, wenn er nicht bräunlich-wässrig blubberte und tote Fische darin schwammen, sah dies nicht jeder. Morana hingegen sah all die Farben. Der Totengräber bei ihr hatte rötlichen Atem, genau so rot wie seine Haare. Ob all sein Haar so rot war? Und wie würde es wohl schmecken? Wie auch immer diese Nacht verlief und er vielleicht die Nacht in ihrem Zimmerlein verbrachte, sie würde diese Haare essen, während er schlief. Natürlich nicht alle. Immer, wenn man zu geizig war, hatte man später einen haarigen Klumpen im Bauch. Und er sollte ja auch nichts davon bemerken.
Wann war sie wohl das letzte Mal bei einem Manne gelegen? Es musste ihr zweiter Ehemann gewesen sein. Er war immer so bläulich gewesen, so ekelhaft bläulich, alles an ihm war blau, selbst seine Stimme war blau. Blau war auch sein Gesicht, als er erwürgt wurde. Natürlich nicht von Morana. Diese schwachen Finger hätten dies nicht vollbringen können. Finger, die sie jetzt gerne in Servoks Haaren vergraben hätte. Diese leckeren, knusprigen Haare...
Sie erzählte ihm nahezu alles von ihrer Flucht aus Löwenstein, während sie sich vorstellte, heißes Wachs auf seinen nackten Oberkörper zu tropfen. Schließlich hatte sie Todesangst erlitten, immerhin musste sie in dieser Zeit mal ein Pferd satteln! Letzten Endes war sie erleichtert darüber, nicht gestorben zu sein - und dies war noch nicht einmal gefeiert worden!
Doch sie redeten nicht nur, während Servok auf dem Stuhl und sie auf dem Bett saß. Wenn er zu ihr rüber gekommen wäre, sie hätte ihn roh gegessen... irgendwie wusste sie, dass dieses Bedürfnis nicht nur ihrem eigenen Wunsch entsprach, sondern auch ein Befehl ihrer achtbeinigen Herrscherin war. Es war gerade Paarungszeit... nein, sie redeten nicht nur, sie schwiegen auch, wenn Servok nichts sagte. Es war eine gute Stille, zumindest für Morana. Das Kleid stand ihr wahrhaftig außerordentlich gut. Es war dunkel und hochgeschlossen, genau wie sie. Sie knöpfte den oberen Teil des Kragens auf und legte ihren Hals frei. Er leuchtete im Licht der Kerzen. Servoks Mund reagierte sofort mit einem roten, wild wirbelnden Hauch. Dieser würde wahrscheinlich etwas scharf schmecken... Sie würde diesen Atem aus ihm saugen, während er schlief... sie würde.... in diesem Moment stand er auf. Entweder, um den halben Schritt Entfernung zu ihr zu überbrücken um sich dem restlichen Teil des Stoffes anzunehmen oder um zur Türe hinaus zu flüchten - Morana wusste es nicht. Denn in diesem Moment sah sie die ersten Sonnenstrahlen aufblitzen, die ihr Bußgebet einläuteten.
"Verzeiht, mein lieber Herr Darkas, ich muss mich nun zu meinem Gebet zurückziehen!"
Hach. Morana war ja so anständig. Eine Heilige fast.

So würde sie ein ander Mal erfahren müssen, ob er gehen oder kommen wollte.
Egal wie grausig und furchteinflössend das Leben sein mag - stell dich ihm stets wie eine Lady.

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#13
Der blasse Hals, das letzte, fehlende Angebot nachdem er sich nach einer scheinbar endlosen Nacht voller Zurückhaltung und Disziplin doch schließlich vom Stuhl erhob und...
...höflich den Kopf neigte als sie sprach.
Er hätte lieber die Zähne in ihren Hals getaucht, ihr hübsches, schwarzes Haar gepackt, sie die nächsten Stunden gekostet, befleckt und begattet.
Ein tiefer Atemzug folgte dem nächsten, Servok griff sanft ihr Handgelenk, legte die Lippen auf den zierlichen Handrücken. Die zungenspotze fuhr hervor, nur einen Moment, nicht lang genug um ihren Geschmack aufnehmen zu können. So hinterließ er nur eine feuchte, unscheinbare Spur auf ihrer Haut.
Statt wie die Tiere übereinander herzufallen verabschiedeten sie sich in aller Höflichkeit und Zurückhaltung.
Ob sie kniet, wenn sie betet?
Die Augen fuhren ihren verdeckten Körper hinab, ein letztes mal, dann wante er sich ab.
"Ich danke euch für die angenehme Nacht Frau Schinder, das müssen wir unbedingt wiederholen."
Die Tür wurde leise hinter ihm geschlossen, bevor er sich nun an die Arbeit machte musste er sich ersteinmal um sich selbst kümmern, doch es ging schnell, so schnell, dass er recht froh war, dass Morana nicht daran teilhaben musste.
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#14
Als Heiler weiß man, dass es nicht so viele Unterschiede gibt zwischen Mensch und Tier; einer dieser Unterschiede ist natürlich das bewusste Huldigen des einzig wahren Gottes Mithras.
Aber sonst?
Es gab Spinnenmännchen, die knüpften ihren Faden an des Weibchens Netz und zupften darauf. Nicht nur um dem Weibchen zu signalisieren "hey, dein Netz wackelt, aber es ist nicht dein Abendessen!", es machte sicher auch schöne Töne. Und welche Frau war nicht mit Musik zu verführen?
Dann gab es Männchen, die betörten ihre Damen mit Geschenken. Genau so machte man es doch auch in Löwenstein!
Andere Männchen jedoch sponnen die Weibchen fest, fesselten sie gar, um....
Hach, die Rosen sahen wüst aus. Sie standen in voller Blüte. Beim Schnitt musste man beachten, schräg zu schneiden, damit Regenwasser ablaufen konnte und der Stengel nicht faulte. Auch galt die Regel, je magerer die Rosen im letzten Jahr aussahen, desto mehr musste man wegschneiden. Doch hier musste Morana erst wieder im Frühjahr schneiden. Sie entfernte eben nur noch vertrocknete und verblühte Teile mit den Händen. Rosen hatten zwar schöne Dornen, aber diese Blüten und der Gestank waren echt lästig... da passierte es schon, dass Morana sich schnitt... sie betrachtete den sattroten Tropfen voller Ruhe. Als Heiler wischte sie ja ständig Blut weg. Aber wann nahm sie sich die Zeit, einfach nur mal zuzusehen, wie es langsam und entspannt seinen Weg in Richtung Erde bahnte? ... der Anblick machte Morana ganz schläfrig... nach dem Morgengebet würde sie sich wieder hinlegen und von ihrem Fenster aus Herrn Darkas beim Graben zusehen. Es war wahrscheinlich ohnehin klüger, ihm aus dem Weg zu gehen. Immerhin machte eine Dame nicht einfach was sie wollte.
Egal wie grausig und furchteinflössend das Leben sein mag - stell dich ihm stets wie eine Lady.

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#15
Er trat hinter sie, beobachtete sie, griff ihre Hand nachdem sie sich stach und betrachtete, in völliger Fastzination, wie das Blut sich seinen Weg bahnte. Es tropfte in die Erde, ereignislos, sickerte ein, dann tropfte es wieder.. und wieder...
"Ihr habt euch verletzt Frau Schinder.."
bemerkte er völlig überflüssig, aber doch ganz so, als sei es etwas Besonderes.
"Wir schauen es uns an.. kommt..."
Damit verschwanden sie im Friedhofsgebäude und waren einige Zeit nicht mehr gesehen...
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#16
Die Selbstbehandlung von blauen Flecken war kompliziert. Man besah sich zuerst diejenigen, an die man am schlechtesten herankam und die man eigentlich gar nicht sah. Dann verzog man schmerzhaft das Gesicht und wedelte nutzlos mit der Hand herum.
Mit blauen Flecken kannte sich Morana aus. "Das ist ja wie in einer Ehe...", wisperte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht, als sie versuchte, den blauen Fleck über ihrem Schulterblatt anzusehen und doch nicht zu sehen.
Es war eine Dämonenkuh gewesen. Aber keinesfalls die Dämonenhufen der Dämonenkuh, sondern die Dämonenschnauze. Ja genau. Der Teil einer Kuh, der eigentlich recht weich war. Auch bei einer Dämonenkuh. Morana bekam schnell blaue Flecken. Das war wie bei verbogenem Draht. Einmal verbogen, ließ sich der Draht das nächste Mal leichter biegen. Ein paar mal verbogen, noch leichter verbogen.

Servok war fort, nach dieser verrückten Nacht, an die sich Morana nicht mehr klar erinnern konnte. Aber irgendetwas musste sie Servok in dieser Nacht genommen haben. Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Vielleicht kam Licht ins Dunkel, sobald er wieder auftauchte... dann hoffentlich mit ihren Sachen.

Sie zog ihre Gewänder aus und betrachtete die restlichen blauen Flecken. Immerhin war sie allein. Wobei. Ob es sie störte, wäre der Edle Baron bei ihr, der sie so schön gewürgt hatte? Nein. Die rötlichen Lippen im bleichen Gesicht formten ein Lächeln. Viel weicher als eine Dämonenkuhschnauze...
Egal wie grausig und furchteinflössend das Leben sein mag - stell dich ihm stets wie eine Lady.

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#17
Mithras obsiegt.

Ich will verdammt sein, wenn Mithras nicht obsiegt. Ach verdammt, ich bin verdammt.
Tu Gutes, tu anderen Gutes, tu Buße.
Morana wünschte, jemand würde sie mit Rasierklingen auspeitschen. Buße...es wird nie genug Buße geben.
Verdammt bis in alle Ewigkeit - und von Anfang an.
Es gibt hier kein Gleichgewicht zwischen guten und schlechten Taten, die kann es nicht geben, wenn man verdorben ist. Verdorben und verdammt.
Wenn es nur jemanden gäbe, der Morana an einen Pfahl band und schlug. Wenn sie sich nur auf ein Bett aus Messern legen könnte...wenn danach nur alles gut wäre.
Wenn die Herrin nur verspräche, ihre Wunden zu küssen...
Wenn doch nur ein anderer sein Leben für ihres geben könnte...wenn...wenn...wenn sie nicht verdammt wäre...und zugleich mit dieser unglaublichen Macht gesegnet wäre...Mithras, egal wie laut ich bete, ich bekomme keine Belohnung von dir...und ich kann nicht genug tun. Mein Leben ist keine Waage. Es ist ein rostiges Ding voller Dunkelheit. Herr des Lichts, leuchte mir, leuchte mir...ich kann nichts sehen...werfe dein Licht voraus...das Licht meines Scheiterhaufens. Ich habe es verdient. Ich bin verdammt.
Egal wie grausig und furchteinflössend das Leben sein mag - stell dich ihm stets wie eine Lady.

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#18
Servok Darkas war spurlos verschwunden - und mit ihm ein paar ihrer Dinge. Das war doch komisch. Warum sollte er die Sachen mitnehmen? Warum sollte er überhaupt gehen? Morana hatte da ein ungutes Gefühl. Dieses Gefühl, das einen überkommt, wenn man jemanden umbringt und es dann vergisst...
Also legte Morana die Tarotkarten auf den Tisch. Das waren keine Spielkarten. Das waren keine Karten eines Vaten. Es waren keine Karten, wie Scharlatane sie zu legen pflegten. Das war der richtige Alptraumstoff: Es waren die magischen Karten einer Hexe - eines Menschen, der mit dem Chaos im Bunde war. Folglich gab es keine Regeln beim Legen der Karten...
Sie tat es nackt, in den Katakomben des Friedhofs. Die Schädel auf den Regalen lächelten wohlwollend, lüstern gar, auf sie herab. Morana öffnete sich der Dunkelheit, öffnete sich der Herrin, bannte Mithras aus ihren Gedanken und atmete den grünen Nebel des Verderbens ein, der ihr den ganzen Weg von Hohenmarschen nach Löwenstein gefolgt war.
Wo ist Servok Darkas?!

Sie legte die erste Karte. Diese zeigte das Bild eines dicken Bauernmädchens, das mit Glubschaugen aus der Karte starrte, als sei sie dort gefangen und begreife es noch nicht.
Die zweite Karte. Das Abendmahl. Ein gebratenes Schwein mit einem Apfel im Mund. Das Fleisch des Schweines verrottete, der Apfel war voller Würmer.

Ein Bauernmädchen, das mit Herrn Darkas essen ging?

Karte Nummer 3.Der Geschlechtsakt. Das Bild einer Pusteblume, die sich im Wind wiegt.
Morana verstand nicht. Doch je mehr Karten sie legte, desto tiefer drang die Herrin in sie ein... doch sie musste... Sie musste noch eine Karte legen.
Sie legte sie. Das Bild war weiß, es war die leere Karte. Das Vergessen. Nun, so viel hatte Morana schon gewusst. Es war ein Glücksspiel mit diesen verfluchten Karten.
Mit zitternden Händen legte sie noch eine Karte. Elend, es war die Karte, die Morana jedes Mal zog: der Scheiterhaufen.
Ein Schädel fiel von einem Regal und zerrschellte. Der Boden war kalt. Der grüne Schleier nahm ihr die Sicht. Doch noch eine Karte, nur noch eine, dann würde sie es wissen...
Die Spinne frisst erst das Männchen und dann das Netz, hinterlässt kaum Spuren und nimmt kein Gramm zu. Das Bild zeigte genau das.

Und bevor Morana nackt in der Gruft zusammenbrach und sie die Besinnung verlor, wurde ihr klar, dass Servok Darkas tief in ihr drin steckte - jedoch nicht auf die Weise, auf die er es sich vielleicht gewünscht hatte....
Egal wie grausig und furchteinflössend das Leben sein mag - stell dich ihm stets wie eine Lady.

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#19

Unleserliche Zeichen an der Wand meines Zimmers,
in meinen Adern fühle ich die Kraft,
im Licht von tausend Flammen
rufe ich dich mit geheimen Namen...

Egal wie laut ich bete,
ich erhalte keine Antwort.
Oh. Hoher Herr der Ordnung,
bring mich auf deinen heiligen Weg zurück.

Kannst du die Dunkelheit in meinem Herzen sehen?
Kannst du die Lichter in meinen Händen sehen?
Liebst du mich noch immer? Mithras?

Süße Stille verziert meinen Körper,
rotes Blut ist auf meiner Haut,
in der Entfernung höre ich Donner grollen,
ich bin dem Falschen nach hause gefolgt.

Kannst du die Dunkelheit in meinem Herzen sehen?
Kannst du die Lichter in meinen Händen sehen?
Liebst du mich noch immer? Mithras?

Ist es mir bestimmt zu brennen
als eine Hexe? Soll ich mich drehen und winden
auf den Feuern deines Friedens? Mithras?

Mach mein inneres Feuer so hell, verbrenne meine Augen mit deinem Licht! Auf dass ich niemals mehr, auf dass ich niemals mehr... die Nacht wiedersehe...

Und als sie ihre Augen schloss, sah sie den Jungen, die Reine, den Fröhlichen, den Starken, die Schweigsame. Hach, sie liebte die Legion, die einmal ihren Tod bedeutete.
Und zum ersten Mal seit langem dachte sie einen ganzen Tag lang nicht an Elian.
Egal wie grausig und furchteinflössend das Leben sein mag - stell dich ihm stets wie eine Lady.

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#20
Ihre Gebete lagen nie fern von Moranas Zunge. Rycus Schinders Zunge war oft in Gebrauch, wenngleich er nicht viel sprach. Beides spielte gut zusammen, sodass oft nur ein leises Wispern zu hören war, wenn die zwei sich trafen.
Doch das war lange, lange her. So lange, noch im letzten Jahrhundert gar.
Darum war es umso verwunderlicher, dass er plötzlich vor ihr stand und Geld verlangte, von dem er dachte, es sei das seine.
Es weckte etwas Schlafendes in Morana.
Etwas, dem nahezu alles egal war.
Etwas, das sich nicht abwaschen ließ und alles befleckte.
Etwas, das Morana nicht wollte, doch akzeptieren musste.
Ihren Hunger.
Egal wie grausig und furchteinflössend das Leben sein mag - stell dich ihm stets wie eine Lady.

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