Ruf des Goldammers
#1
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Damals


Es war ein frischer Morgen, das Moos glänzte und die Sonne sprenkelte es mit frohen Tupfen. Ein Goldammermännchen begann sein wunderschönes Lied zu singen. Der Eremit Finnjerson suchte diesen, um sein schönes Spiel nicht nur zu hören sonders auch zu sehen.
Doch beim annähern weckte eine flachgedrückte Stelle im Gras seine Aufmerksamkeit und er bewegte sich lautlos auf diese Kuhle zu. Ein Ast knackte und der Vogel setzte schwungvoll zum Abflug an. Sein Lied Unterbrochen war die Stille fast ohrenbetäubend. Doch da, ein leises Wimmern wurde immer lauter je näher er kam.
Bei Mithras, sollte das die Möglichkeit sein? Schnellen Schrittes deckte er ein Körbchen auf, in dem ein zartes Püppchen lag, die Haut schon sehr blass umrahmt vom roten Haar. Die blauen Augen warfen einen letzten Matten Blick auf ihn bevor sie sich übergroß in ihrem Gesicht, schlossen.
Entsetzt nahm der das Bündel in seine großen Hände und drückte es an die welke Brust. Eilends wand er sich in die Richtung seiner Behausung.
Das Spiel des Goldammers bereits vergessen.


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#2
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21 Jahre später

Bilder in schneller Abfolge. Rauch, schwelend. Glut. Schmecken des schwarzen Qualms. Husten. Blut. Tod. Zerstörung.

Mit einem Ruck öffnen sich ihre strahlend blauen Augen, umherirrend, keinen Fokus findend. Sie keucht heftig, gefangen in den klebrigen Fäden ihres Traumes. Langsam, die Nebelschwaden abwerfend blickt sie sich um. Wo, beim Mithras....das ist nicht ihr Zimmer und auch nicht ihr schützende Wald. Wärme dringt durch die ersten Morgenstrahlen in das kleine Zimmer und taucht es in einen wohligen Kokon. Sie wird der Anwesenheit eines anderen Menschen gewahr, und die Erkenntnis erhellt ihren Blick. Minka erinnerte sich nun wieder was geschehen war. Ihr Blick fällt auf den Herren der Feste, der friedlich schlummernd in seinem Bette liegt, die Augen fest verschlossen. Seine sonst so beherrschten und mitunter kühlen Züge sind weich, wie die eines Jungen. Probeweise streckte sie ihre Gliedmaßen aus, steif knackte ihre Knie, da sie am Fußende zusammengezogen wie ein Tierchen geschlafen hatte. Vermutlich hatten die Ereignisse des gestrigen Tages dazu beigetragen, das sie wieder diesen Traum hatte.

Ein Schmerz sticht in ihr Herz als sie an den Mann denken musste der sie aufgezogen hatte. An ihr friedliches Leben im Nortgarder Wald. Seinen plötzlichen Tod und ihre einsamen Jahre in den Tiefen des Waldes. Ein Hauch von Verzweiflung erfüllte ihr Herz als sie an das schnelle Ende ihrer Waldbehausung dachte. Für ein zwei Tage, war sie auf dem Weg ins Dorf gewesen und auf halben Wege kehrte sie aus einem Bauchgefühl heraus um. Vorgefunden hatte sie nur noch Tod und Asche, die niedergebrannten Reste ihres Lebens. Kleidung, Werkzeuge und die Tiere. Alles bis auf den Grund zerstört.
Aus Hass war sie losgezogen, Hass diese Menschen zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Doch was hatte sie stattdessen gefunden. Was war es nur. Wenn sie doch nur auch ihre Sprache wieder finden würde.


Auf den Zehenspitzen und auf blanken Sohlen verließ sie den Raum ohne zurückzublicken.
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#3
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Hohenwacht

Nicht alle Menschen sind böse, ebenso ist die Natur nicht immer friedvoll. Während die Menschen sich ändern und wandeln, bleibt die Natur beständig und schwer zu zähmen.

Wischte er ihr Argument vom Tisch als hätte es so viel Gewicht wie eine Feder. Es war eine sternenklare Nacht, mondbeschienen war die Landschaft weithin zu erkennen. Sie bestiegen den höchsten Turm der Grenzfeste und das erste Mal sah sie den Wolfsried in seiner gesamten Pracht. Beeindruckt stand sie stumm und starr auf ihrem Platz und nahm alles in sich auf, sie flocht ihre Finger um das Eisengitter, welches sich in ihrem Rücken befand und ihr halt gab. Natürlich waren es nicht die lieblichen Wälder ihrer Heimat doch hatte sie diese Gegend in ihr Herz aufgenommen.

In den vergangenen Tagen waren die Erlebnisse im Ried erschreckend und schön zugleich gewesen. Sie knüpfe zarte Bande zu den Bewohnern der Feste und fühlte sich wohl. Besonders Hohenwacht bedachte sie mit einer Aufmerksamkeit, in der sie sich sonnte. Nach den vielen Entbehrungen und den Jahren der Einsamkeit und des Schmerzes blühte sie auf wie ein zarte Knospe. Doch wie so oft währte ihr Glück nicht lang, es zog die Kälte in die Gemäuer und so auch in die Gemüter der Menschen die dort wohnten. Das Lächeln der Menschen erreichten nicht mehr ihre Augen und so fühlt sich Goldammer das erste Mal in ihrem Leben einsam und das nach alldem, was ihr widerfahren ist.
Ihre Tagen waren angefüllt mit Pflichten aber auch Unterricht. Er sah in ihr eine Schülerin, soviel hatte sie verstanden und lenkte nun ihre Schritte. Er wies sie in der Jagd, im Ausweiden von Tieren und im Umgang mit der Natur in den Marschen an. In den Nächten genoss sie die Gespräche der anderen und fühlte sich den Menschen so nah. Alles in allem war es wohl angenehm doch nun war nichts war zuvor.


Eine neue Pflicht war dazu gekommen, nicht nur die Beschaffung von Rohstoffen sondern nun auch das Wachen über die Natur, der Feste und all ihren Bewohnern. Darum hatte er sie gebeten, hier auf dem Turm. Sie hatte das Gefühl, das etwas geschah, das sie einfach nicht verstand doch bemühe sie sich auch nicht darum.

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#4
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Finnjerson


Es war ein angenehmer Morgen im Wald und sie schlich wie stets auf leisen Sohlen durchs Unterholz. Finnjerson war an ihrer Seite und begutachtete ihre Schritte. Er wies sie an den Kopf tiefer zu nehmen und zu lauschen, sie tat es und ein rascheln war zu hören. Sie schoben die Zweige auseinander und erblickten eine kleine Fuchsfamilie mit den Welpen. Sie schlug sich eine Hand vor den Mund um den Ausdruck ihrer Verzückung zu unterdrücken.
Plötzlich griff sich der alte Mann an seine Brust und keuchte leise, er plumpste auf seinen Po und rang nach Atmen. Erschrocken ließ sie die Zweige zusammenschnellen und wand sich um, zu ihm eilend. Zwei , drei keuchende Atemzüge später, schloss er seine Augen und dann einfach so stellte er die Atmung ein. Sein Gesicht friedlich gerade weil es ihn so plötzlich ereilte. Minka rüttelte und rüttelte an ihm, bevor sie einen Schrei ausstieß, welcher jedes Ohr und Herz zum Bersten gebracht hätte. Die wichtigen Augenblicke mit ihm liefen an ihrem inneren Auge vorbei. Wie er sie als kleines Püppchen aufzog, sie lehrte und sie verwöhnte. Sie hatte ihn über alles geliebt.
Stunden später hatte sie sich in seinem Arm zusammengerollt und weinte immer noch bitterlich. So verbrachte sie einige Zeit an diesem Ort, bis sie vor Erschöpfung einschlief.
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Einen Augenblick! Minka öffnete die Augen und blickte Finnjerson an. Als er starb war er ein alter Mann gewesen, grau und sie ein Kind. Das Gesicht verschwamm vor ihren Augen und glich einem anderen, ihr bekannten Gesicht. Dann wechselte es wieder und die beiden ihr bekannten und geliebten Menschen verschmolzen zu einem. Einen kehligen Schrei ausstoßend erwachte sie.
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#5
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Wendepunkt

Das lange Haar zu ihren Füßen leuchtete Feuerrot und glänzend auf. Zuvor war es ihr nie wichtig gewesen, besaß sie doch weder Spiegel noch Interesse an ihrem Bildnis. Doch nun war alles anders geworden. Sie legte die scharfe Barbierschere auf den Tisch und betrachtete die langen Locken, welche sie kurz zuvor abgesäbelt hatte. Mehr recht als schlecht war es ihr gelungen doch nun löste sich eine Träne, welche die Wange hinab rann.

Hohenwachts Gefährtin war zurück gekehrt und Luna hatte den Tod gefunden. Nun hatten diese beiden Ereignisse nichts miteinander zu tun außer, dass jene ihren Platz in der Grenzfeste hatten.
Minkas Leben war erneut aus den Fugen geraten und stundenlang streifte sie durch die Wildnis um zu vergessen, bis sie an diesen See gelangte und ihre Bildnis erkannte. Einer Eingebung folgend kehrte sie Heim und kürzte ihr Haar bis auf Kinnlänge, sodass sie mehr dem wilden Kätzchen glich, welche doch alle in ihre sahen als der jungen und hübschen Frau, der ihr entgegen geblickt hat.

Luna war fort, Traurigkeit erfüllte ihr Herz und sie hatte das Gefühl innerlich schwarz und kalt zu werden. Hohenwacht fand Trost in seiner Familie und sie......wo sollte sie nun ihren Platz im Leben finden? Eiskalt und gnadenlos wollte sie sich fühlen, so wie eine perfekte Jägerin. War die Natur doch ebenso gnadenlos wie rein in ihrer Perfektion.

Perfektion. Perfektion. Perfektion

Hallte es in ihrem Kopf, sie griff nach ihrem Bogen, beugte jenen ihrem Willen und zog die Sehne auf, bevor sie nun durch das Tor schritt, in ihrem Herzen trug sie das Bildnis eines einsamen Wanderers und wilden Wolfes, der auszog um zu töten.


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#6
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Leise, leiser, flüsterleise, tief im finsteren Wald

Minka hatte den Ruf in sich gespürt, ganz auf sich selbst sinnend in die Wälder zu ziehen. Sie hatte es schon begriffen, was die hohen Herrschaften auf Hohenwacht von ihr wollten. Minka hatte ihre Fähigkeiten, dank des Herren, verfeinern können, doch seitdem es so viele neue Gefolgsleute gab, sah sie sich nicht mehr als ein Teil des Großen und Ganzen. Vielleicht nun ja vielleicht war es an der Zeit weiterzuziehen. Sie selbst spürte, dass es sich nicht ganz richtig anfühlte, doch wollte sie es sich nicht eingestehen. Ihre Gedanken verwirrten sie selbst zusehends, so dass sie einen falschen Weg durch den Ried einschlug und in einen ihr doch tatsächlich nicht so vertrauten Teil des Waldes gelangte.
Sie sah sich um und zog ihren Schal fester um ihren Hals. Im Dämmerlicht erkannte sie in der Ferne ein Glühen, neugierig wie sie war, schlich sie leise in die Richtung. Wie magisch oder wie die Motte das Licht, zog es sie in diese Richtung, tiefer immer tiefer ging es in den Wald . Jenseits ihres Sichtfeldes blitzte es immer wieder auf, irgendwann keimte der Gedanke auf, das man von Irrlichtern in den Tod gelockt wurde, wenn man nicht aufpasste. Ein Schaudern überlief ihre Arme, ängstlich schaute sie sich um. Unbekannt, gänzlich unbekannt kam ihr jedes Blatt und jede Wurzel vor. Das Licht verschwand im Dickicht von besonders finsteren Brombeergestrüpp. Sie setzte im Finsteren einen Schritt nach hinten und dann noch einen. Als sie sich drehen wollte, das Herz klopfend, verhakte sie sich mit dem Fuß und blieb hängen. Als sie wild mit den Armen rudernd nach Halt suchte, rutschte sie aus und knallte mit dem Kopf auf.


Dunkelheit.


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Tropf.Tropf.Tropf tropf. Tropf. Klang es in ihrem Ohr. Erst klappte sie das eine dann das andere Auge auf. Schummeriges Licht traf auf die selbigen auf und sie stöhnte schmerzhaft auf. Sie hielt sich den Kopf und fühlte eine dicke Beule unter der Haut. Klamm und steif erhob sie sich und es traf sie fast der Schlag. Als ihr wieder alles einfiel was geschehen war.
"Bei Mithras, schütze mich und führe mich aus dem Wald." Sie schlug sich die Hand vor den Mund, sie hatte ihre Sprache wiedergefunden.
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