FSK-18 Grübeleien
#5
Sie konnte sich nicht satt sehen an diesen Augenblicken. Sie konnte kaum in Worte fassen was dieser Augenblick für sie jedes Mal aufs Neue bedeutete. Erneut dämmerte es. Oder vielmehr.. es dämmerte noch nicht. Es war nicht mehr Nacht, nicht mehr dunkel, die Sterne verschwanden, die Sonne war noch nicht zu sehen, Das Morgenrot fehlte. Leichter Nebel lag über der Welt wie eine weiche Decke. Alles war frisch und neu und unschuldig. Diese Momente waren nicht existent. Sie waren totenstill, keine Vögel, keine Menschen, ein unbeschriebenes Blatt für einen neuen Tag. In diesen Augenblicken schien alles möglich zu sein. Und in der Tat war es so. Der Tod, das Leben, die Liebe, der Krieg… Es konnte ein Gott an die Tür klopfen oder der Herrscher gestürzt werden. Niemand wusste was kommen würde. Und dieses Gefühl, frei zu sein von allen Erwartungen, allen Plänen und Intrigen, von vergangenem und künftigem , dieses Gefühl gab ihr so unendlich viel Hoffnung und Freiheit. Sie spürte in diesen Momenten einfach dass sie WAR.

Einige Atemzüge später tauchte das erste Rot des Morgens auf und obwohl es schön anzusehen war, fesselte es sie nicht so sehr und ihre Gedanken begannen zu schweifen, als die Magie dieses Moments wich.
Wie war es dazu gekommen dass sie nun wieder hier auf dem Dachboden saß?

Die Gedanken wanderten zu dem was vor 2 Tagen geschah. Sie hatte ihn auf dem Fest verlassen. Genau hier an dieser Stelle. Sie wollte und konnte das nicht und musste sich klarwerden was sie wollte. Dass er nichts getan hatte um sie umzustimmen hatte sie allerdings sehr verletzt. War ihm das alles so bedeutungslos gewesen dass er es einfach hinnahm? Dass er sogar fast erleichtert wirkte?

So oder so war sie abends zu Morkander zurückgekehrt. Sie hatte ihm alles erzählt und ihn gebeten am nächsten Tag es einfach auf sich zukommen zu lassen.
Zuerst dachte sie nun würde alles gut. Es war wunderschön. Sie hatten gelacht und waren Hand in Hand in die Welt hinaus gegangen. Es waren schöne, glückliche, schwerelose magische Momente. So schwerelos wie als sie im Fluss trieben und er sie hielt. Das kalte Wasser auf der Haut, das Lachen, seine Hände auf der nassen Haut die sie festhielten, all das lies ihre Seele zur Ruhe kommen. Er war ihr Wasser, mit ihm konnte sie durchs Leben fliesen. Er würde sie nie untergehen lassen und niemals würde sie zu Boden sinken, dessen war sie sich gewiss. Er gab ihr unerschütterliche Sicherheit.

Und so offenbarte sich das Dilemma. 2 Männer, wie Feuer und wie Wasser. Der eine verzehrte sie, lies sie in Flammen aufgehen und auf so wundervolle Weise brennen, doch wenn er ging, blieb nur kalte Asche zurück. Der andre sanft und sicher und fliesend, keine Zweifel lassend, aber er konnte sie über dieses Lachen, diese Unbeschwertheit hinweg nicht mitreißen.
Sie wusste was ihr gut tun würde, so unerschütterlich wie die Kühle den Kater vom Vorabend vertrieb und wie das Wasser das Feuer löschen würde zur Strafe wenn es sie verbrennen würde. Aber als sie des Abends wieder vor ihm stand, war ihr klar dass nichts diese Flammen verlöschen könnte. Sie wollte ihn, sie wollte ihn so sehr. Entgegen aller Vernunft entschied sie sich dafür in Flammen aufzugehen.
Sie war erstaunt als er so zögerlich reagierte als sie ihn ins Stroh stieß. Und obwohl sie erst wirklich absolut nicht reden wollte, ließ sie sich darauf ein. Eigentlich wollte sie nur seine flammenden Haare im Gesicht haben, den Schweiß auf seiner Haut spüren und nach einer erhitzten Nacht verschwinden ehe es peinlich würde. Einfach sich nochmal die Finger verbrennen. Sie hatte so tiefe Wut gespürt und so großes Verlangen nach ihm, Sie wollte ihn büßen lassen. Wofür war ihr selber nicht klar.
Statt dessen hatten sie gesprochen. Es waren so viele Missverständnisse und am Ende musste sie sich eingestehen dass sie nicht von ihm würde lassen können. Nicht einfach so. Sie hoffte inständig er würde sein Versprechen halten und würde mit dieser Neuerung in seinem Leben klarkommen.
Langsam sammelte sie ihre Tasche, den Becher und den Wein ein. Nun galt es nur noch Morkander das ganze klarzumachen. Und sie hoffte so sehr dass er verstehen würde, nicht so sehr traurig war, dass er sie nicht loslassen würde deswegen und sich nichts ändern möge zwischen ihnen. Vor allem aber hoffte sie, dass er weiter ihr Wasser sein würde, das sie löschen und halten möge, wenn sie zu verbrennen drohte…
… und sie hoffte sie würde ihre Entscheidung nicht irgendwann bereuen.
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Grübeleien - von Anabella - 07.06.2013, 18:52
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Feuer - von Anabella - 02.07.2013, 15:05
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