Das Leben nach dem Tod auf Svesur
#11
Aidan wusste, dass er sterben würde. Eigentlich war dies nicht Teil seines anfänglichen Plans gewesen, aber seitdem der Bastard auf seiner Fährte war und sich der Fokus seines Vorhabens geändert hatte, war sein Tod unumgänglich. Noras nekrotische Augen würden ihn verraten und dann würde es für seinen Jäger kein Halten mehr geben.

Er musste aber auch zugeben, dass er mit der Zeit schlampig und nachlässig gearbeitet hatte. Früher war er ein Meister der Gedankenmanipulation und Camouflage gewesen. Doch die schwer zu bändigende Sucht nach Alkohol und Sandast, dazu der Schmerz der entstellenden Verletzungen im Gesicht und Körper hatten ihn zu einem Krüppel gemacht, der zwar gutgläubige Menschen wie seine ehemalige Verlobte oder das Kindermädchen täuschen konnte, es aber mit einem Hexer vom Kaliber des Bastards nicht aufnehmen konnte. Aber das tat nun nichts mehr zur Sache.

Mithilfe des unheiligen Samens, der in Cahira gedieh, war es ihm ein leichtes gewesen, ihr zu erscheinen und sie an ihrem Verstand zweifeln zu lassen. Später das Neugeborene gegen eine Totgeburt auszutauschen und sich am Schmerz ihres Verlustes zu weiden, war ihm eine geraume Weile enorme Befriedigung gewesen. Ab und an hüllte er sich in die Gestalt eines Landstreichers, der auf den Höfen nach Arbeit suchte, um der trauernden Mutter nahe sein oder er bediente sich den Augen einer Krähe, die Abends auf den Dachfirsten der Häuser ihr Gefieder putzte.
 
Nora war Mittel zum Zweck gewesen. Ihre Träumereien nach einem Galan hatten seinen Ränkespielen Tür und Tor geöffnet und er hatte das Kindermädchen nach seinem Belieben lenken können. Sie war sein verlängerter Arm, seine Augen und sein Ohr direkt in die Stube des Eichenhofs gewesen. Die dralle Dienstmagd berichtete ihm erschöpfend, was im Hause Mendoza vor sich ging und Aidan wusste wohl mehr über den täglichen Ablauf und die auch noch so kleinsten Begebenheiten als der Hausherr selber.

Obwohl es mit der Zeit immer schwerer geworden war, sie zu sich zu jener Lichtung im Thalwald zu rufen. Im Kern verabscheute die Frau nämlich ihr aufgezwungenes Tun und natürlich ihn, der sie betrogen und benutzt hatte, und drehte sich nach jedem Treffen Knoten in ihr Taschentuch. Früher hätte Aidan leicht dagegen ankommen können, aber dieser Tage war es harte Arbeit gewesen, die tiefsitzende Aversion zu unterdrücken.

Er hatte seine Abdrücke auf der Frau hinterlassen. Spuren, die nur ein Hexer erkennen konnte und die er sicherlich auch verbergen hätte können. Aber die Entdeckung, dass er hinter all dem Ungemach steckte und der tot geglaubte Sohn lebendig und munter bei einer anderen Familie aufwuchs, war schließlich gewollt. Soweit, so gut. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Rachegefühle sich zu leidenschaftlicher Obsession für die braungelockte Frau und ihr Leben entwickelte. Er wollte Cahira nicht nur bestrafen, er wollte sie.

Natürlich kannte er Cahira von Svesur; sie hatten immerhin kurz vor ihrer Hochzeit gestanden. Er hatte den Klang ihrer Stimme in seinem Ohr, den Duft ihrer Kleidung in seiner Nase. Er wusste ihre Mimik zu deuten und ahnte ihre Gedanken. Doch er hatte niemals den Blick und das Lächeln empfangen dürfen, welches sie nur für ihren Ehemann verwahrte. Und da wusste er, dass er Kyron dieses Lächeln stehlen und für sich selber in Besitz nehmen musste, ansonsten würde er in diesem Leben nicht mehr ruhen können.

Die Steine, welche er in ihren Weg schmiess, liessen Cahira lediglich straucheln nie gänzlich stürzen. Aus jeder Krise schien sie gestärkter hervorzugehen. Sie hielt alles zusammen. Er erkannte, dass dieser Kreislauf nie ein Ende nehmen würde. Doch die Balance würde kippen, wenn er Cahira nicht nur angehen, sondern gänzlich aus der Gleichung entfernen würde.

Das Spiel nahm wieder Bewegung auf. Nora war tot, der Häscher auf seinen Fersen. Ein Attentäter war geformt und wartete zitternd darauf, entdeckt zu werden. Wenn Cahira endlich von dieser Insel runter kam, musste sie der Spur wie Brotkrumen folgen, welchen er gelegt hatte. Und wenn der Jäger seine Beute stellen würde, würde die Beute lachend untergehen. Denn Cahiras Leib wäre zu diesem Zeitpunkt bereits kalt und das Lächeln würde ihm gehören, ganz alleine.
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
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