FSK-18 Grübeleien
#1
Sie sah auf die Schuppen aus Leder, die penibelst vernäht, jede einzelne mit dutzenden kleinen Stichen, langsam ein Hosenbein zu bilden begannen. Verflixt es hat sich in der dritten Reihe ein korrigiertes eingeschlichen. Es saß perfekt, aber man sah die winzigen Löcher die die Nadel beim ersten mal annähen hinterlassen hatte. Den meisten wäre es sicher nicht aufgefallen, ihrer Penibilität schon. Also nahm sie einen winzigen scharfen Haken und trennte dort Stich für Stich auseinander und setzte eine neue Schuppe ein. Sehr lange betrachtete sie diese Schuppe als sie am Ende hielt.
Eine Schuppe, wie die Schlange die sie als Kind hinter dem Haus in Ravinsthal gesehen hatte. Ravinsthal, ihre Eltern, ihr Dorf… Ravinsthal fehlte ihr so. Ja das Lehen war eigen, unbestreitbar, aber genau dies liebte sie daran. Ravinsthal war ein Musterbeispiel an Loyalität und Toleranz. In Ravinsthal wurde schlicht und ergreifend jeder über den Tisch gezogen und geneckt. Irgendwas fand sich immer, was war eigentlich egal. Aber am Ende lies man nichts auf die andren kommen. Denn dass man dem Nachbarn die Leibeigene mit einem Trick weg nahm und der Großonkel das Testament der Cusine fälschte und der Kerl am Ende der Straße einem schon das 3. Mal die Schafe geklaut hatte, war im Grunde ja nur die Revanche für die Gerüchte die man kürzlich gestreut hatte, und im Grunde all dies nur ein Zeichen von Zuneigung. Denn machte man sich so viel Mühe mit Streichen wenn einem jemand egal war?
Kurz lächelte sie. Ihr fehlten die Wortgefechte und kleinen Streiche. Der Abend in der Taverne gestern hatte sie ein wenig daran erinnert.
Der Abend war schön gewesen. Sie hätte nur gehen sollen bevor sie erfahren hatte wer neben ihr saß. Eigentlich hätte sie es an dem flammend roten Haar schon erkennen müssen dass es einer von Gwens Sippe war. Welf…


Kurz kam ein tiefes Seufzen aus ihrer Kehle. Dass sie immer noch die Schuppen anstarrte ohne weiterzumachen, merkte sie nicht einmal.

Wieso hatte es nicht irgendein anderer interessanter Mann sein können? Wieso ausgerechnet auch noch Gwens Bruder? Das konnte alles nicht gut gehen. Und dann hatte sie ihm auch noch erzählt dass… Verflixt noch mal! Wieso konnten nicht alle wie Simona sein, wenn sie schon nicht wie sie selbst waren. Sie verstand diese ganze Debatte um den Glauben nicht. Keiner von ihnen glaubte an etwas Schlechtes. Wieso konnte man den andren nicht einfach ihren Glauben lassen? Sie wetterte ja auch nicht gegen Mithrasgläubige. Dabei hatte ihr Gott sich einfach in die Welt gedrängt und als der alleine Herrscher und Retter aufgespielt. Dennoch hatte sie nichts gegen ihn. Simona sah das sicher anders. Aber sie hatten beiden zu Beginn klargestellt dass Glaube einfach nicht thematisiert wurde zwischen ihnen.
Und vermutlich war das der Grund wieso gestern alles aus ihr herausgeplatzt war. Seitdem sie so oft bei Veltenbruchs ein und aus ging, hatte sie ein stetiges schlechtes Gewissen. Und dies ärgerte sie. Es gab einfach keinen Grund dafür. Aber sie wusste sehr wohl, dass sie nicht mehr Gwens beliebte vernünftige Freundin sein würde, wenn sie dies über sie wussten. Dabei war sie doch niemand anders. Aber sie konnte mit keinem drüber reden. Zwischen ihr und Simona war Glaube ein Tabuthema, Carmelina verstand nicht wieso ihr das überhaupt wichtig war. Sie war sehr skeptisch gegenüber allen die nicht dachten wie sie und besonders gegenüber den großen Familien. Und das teils zurecht. Sie behandelten sie immer wie Verbrecher. Gwen hatte genug eigene Sorgen mit ihrer Familie und sie wollte ihr auch noch Zeit geben darüber nachzudenken. Es war ein echter Kulturschock für sie gewesen. Aber wenigstens ihr gegenüber war es heraus.

Jedenfalls wusste sie nicht was sie davon halten sollte dass er nett war heute. Sie wusste auch nicht was sie wirklich von ihm hielt. Sie mochte seine unbesorgte und leichtlebige Art. Und wäre er jemand anders, hätte sie sicher gerne Zeit mit ihm verbracht und vielleicht hätte eine kurze eher unverbindliche Romanze beiden etwas Freude in den Alltag gebracht. Aber erstens war er Gwens Bruder, zweitens hatte sie seine Aussage gestern Abend tatsächlich etwas getroffen. Was hatte er gesagt als sie ihn umarmt hatte? „Am Anfang des Abends war es vielleicht was ich mir gewünscht hatte, doch nun sieht das alles wieder ganz anders aus.“ Er hatte behauptet sie etwas verstehen zu können, aber offenbar war es doch ein Problem.
Sie war wütend. Wirklich wütend. Wie konnten Menschen so dumm und so verstockt sein!


Als sie die Faust ballte bohrte sich eine der Lederschuppen in ihre Hand. Dies holte sie immerhin zurück in die Gegenwart.

Sie hatte im Grunde keine Zeit sich Gedanken zu machen über Götter und Glauben und Männer. Vor ihr lag ein Gesellenstück das auf seine Fertigstellung wartete. Sie hatte ihre eigenen Maße genommen. Sie wollte es voll Stolz tragen. Immerhin war es der Schritt zum vollwertigen Schneider für sie. Da mussten Freunde und Grübeleien mal einige Tage zurückstecken. Lediglich ihre Kunden versuchte sie noch einigermaßen zu bedienen. Immerhin musste sie ein Auskommen haben.

So verbannte sie alles andre aus ihrem Kopf… vorerst… und machte sie wieder an die Näharbeit. Stich für Stich für Stich. Nur so kam man ans Ziel. Schritt für Schritt, Wort für Wort , Münze für Münze und Stich für Stich.
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#2
Einige Wochen später war die selbe junge Frau, in leichten weißen Sachen, die den Körper perfekt umschmeichelten in einem wie ein zu Wind und Wolle gewordenen Wasserfall fliesenden Gemisch aus Wolle und Leinen gewandet, auf der Bank vor dem Handelshaus Telaric anzutreffen. Die Mimik, die vergnügt funkelnden Augen und die ausnahmsweise offen im Wind wehenden Haare, unterstreichen dies nur. Die brütende Hitze des Sommers hat offenbar die meisten Leute in der Stadt in faule Hitzestarre verfallen lassen.

Kurz werden ihre Träumereien unterbrochen von einem der Grauwölfe der sie anspricht. Nachdem sie gegen die helle Sonne angeblinzelt hatte erkannte sie auch das Gesicht wieder. Wenngleich er im Dämmerlicht der nächtlichen Stadt ganz anders ausgesehen hatte.
Ein kurzer Wortwechsel offenbarte ihr ein schlichtes aber freundliches Gemüt. Genug Verschlagenheit um am Hafen zu überleben, wenig genug Ehrgeiz und Ambitionen um als Söldner gut zurecht zu kommen. Herzlich genug um kein Verbrecher geworden zu sein.
Sie wechselte einige Worte, ehe sie ihn auf höfliche Weise entließ.


Ihre Gedanken schweiften nun wieder ab.
Der Abend gestern war als solcher schon absonderlich gewesen. Aber sie hatte einiges gelernt über Garah. Sie verstand ihn nun etwas besser und sie war sehr dankbar dass er sich ihr gegenüber etwas geöffnet hatte gegenüber.

Sie machte sich eine kurze geistige Notiz dass sie mit einer bestimmten Person noch dringend ein paar Fakten und Bedingungen klären musste.
Sie sollte aufhören ihm nachzustellen. Eigentlich sollte sie das bei allen Männern aufhören die sie zu ihren Freunden zählte... oder mehr. Sie brachte nur Ärger mit sich. Wie sie Welf angesehen hatte hatte ihr auch nicht gefallen.
Aber er musste natürlich auf das Spielchen eingehen. Vermutlich war es nur Theresias Drohung zuzulasten dass er nicht mit ihr gegegangen war. (erstaunlich dass sie ihr kurz dafür sogar dankbar war)
oder lag es schon zu dem Zeitpunkt ein Stück weit auch daran dass sie dabei war?

Kurz wurde der Blick versonnen als sie in Gedanken zu dem Abend zurückkehrte.

Hatte etwas in ihr geahnt dass er nochmals an ihrem Haus auftauchen würde? Nicht wirklich. Auch wenn ganz tief drin schon damals immer etwas gehofft hatte ihm zu begegnen.
Überrascht hatte sie am Ende aber mehr als sein Erscheinen, Konrads Verhalten. Dass er sie schon vorher "schöne Anabella" genannt hatte, hatte sie amüsiert und etwas geschmeichelt, aber in erster Linie der Verschrobenheit eines älteren Mannes zugeschrieben.
Als er dann aber tatsächlich versuchte eine Verabredung zwischen ihr und Welf zu organisieren fand sie dies vermutlich deutlich lustiger als er. Auch wenn sie dank der Umstände erst einmal schäumte vor Wut.
Aber als er tatsächlich zu ihr meinte dass seine Familie sicher immer zu ihren Gunsten handeln würde, war sie doch sehr gerührt. Vermutlich würde sich an dieses Versprechen am Ende keine mehr erinnern. Zumal es vermutlich wie das meiste nur halb im Scherz gemeint war. Aber die Geste als solche berührte sie sehr.

Erneut wurde sie kurz aus den Gedanken aufgeschreckt. 2 Frauen debattierten unweit von ihr über die großen Häuser und Schneider.

Das folgende Gespräch war interessant und fruchtbar. Einiges an Klatsch und informationen wechselten den Besitzer, eine neue Kundin fand sich und so war allen gedient. Diese Gesellschaft von der die gute Frau Zweigfeld gesprochen hatte, klang interessant, aber generell war sie doch stets skeptisch bei Leuten die sich in so große Worte kleideten.


Sie vermisste ihren großen Bruder. Er hätte damit besser umgehen können. Auch mit der Angst die sie manchmal beschlich wenn sie ihren Mund nicht halten konnte. Er war immer nachts über Dächer geklettert und hatte briefe in fremden taschen platziert wo sie nichts zu suchen hatten. ja er war derjenige der immer am besten zurecht gekommen war.
Sie wünschte gerade sie hätte mehr in seine Fußsstapfen treten können.
Er fehlte ihr ganz besonders.
Der Gedanke wie er in Löwenstein nachts auf Dächer kletterte mit hübschen Frauen und allein, um in Wohnungen einzusteigen oder für einen Flirt, machte die Sehnsucht noch größer.
Es wäre schön wenn er hier wäre.

Sie fühlte sich etwas verloren. Gestern Abend hatte sie Angst gehabt als sie den Stein umklammert hielt. sie konnte nie den Mund halten. Sie musste sich immer einmischen. Sie wünschte sich so sehr dass er da wäre und auf sie aufpassen würde. Oder dass er ihr beibringen würde sich zu verteidigen. Sie wollte auch nachts über Dächer klettern und jemanden der sie in dunklen Gassen angreifen würde niederstechen. Aber so etwas ziemte sich nicht für eine angesehene Schneiderin.
Wobei sie ohnehin den Verdacht hegte dass sie hier nie einen fuß auf den boden bekommen würde. sie hatte freunde gefunden und einen bekanntenkreis, leute die sie unterstützen, aber letzten Endes war erfolg hier weit weg für sie. Vielleicht war es doch Zeit andre Wege zu gehen.
In die Fußsstapfen ihres Bruders zu treten würde Sinn machen. Niemand müsste es wissen dass sie sich zu wehren wusste. Außerdem hatte sie ohnehin festgestellt dass ihr Ruf nicht der eines artigen Mädchens war. Also war es gerade gut wenn sie sich einen Ausgleich suchte.

Schnurstracks verließ sie ihren sonnigen Sitzplatz, packte ihr Messer und wanderte los. Es gab genug Dächer auf denen sie ungestört üben konnte.
Auf Dächer klettern.. unwillkürlich musste sie kichern
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#3
Das Mondlicht brach sich im schneeweiß ihrer Kleider und den um die Haare gewundenen weißen Tüchern. Wie ein Wasserfall aus flüssigem Mondsilber wogte die Gestalt erst noch vorsichtiger, dann mit jedem der unzähligen tänzerischen Seit- Vor- und Rückschritte , immer sicherer, über die Plattform des Turms. Irgendwann tauchte ein alter schlichter Dolch in der schlanken Hand auf und gliederte sich ein in die Bewegungen. Eilige Stiche in verschiedener Höhe. Paraden und Finten gesellten sich dazu.
Nur langsam wurden aus den Bewegungen die am Anfang eher wirkten wie ein nach einer Fliege schlagendes Kind, auch tatsächliche Kampfbewegungen.
Wobei alles mehr träumerisch, spielerisch, tänzerisch wirkte. Mehr eine Kunst als ein Kampf. Und doch lag etwas absonderlich gefährliches darin. Oder war dies nur der Surrealität der Szene zuzuschreiben, die noch zunahm als sie schließlich auf das Geländer kletterte und dort sehr vorsichtig entlang balancierte. Irgendwann war die weiße Gestalt verschwunden. Wobei sie sich um genau zu sein eigentlich nur niedergelassen hatte und die Gedanken etwas schweifen lies.
… einige Tage zurück.


dort oben über den mauern war es schön gewesen. Sie hatte mit ihm zusammen dort oben alles vergessen können. Auch wenn das was er ihr erzählt hatte ihr nicht gefallen hatte. Zu dem Zeitpunkt waren für sie unter dem mondhellen Himmel nur zwei Möglichkeiten logisch erschienen. Entweder er würde mit ihr spielen und eine vergnügliche unverbindliche Zeit verbringen wollen. Dies war für sie zu dem Zeitpunkt nicht zu bewältigen. Dafür hatte sie ihn schon nach der kurzen Zeit zu sehr ins Herz geschlossen.
Die andre Möglichkeit wäre gewesen dass er weitermachen wollte wie bisher und sie einfach als Schwester sah. Das wäre möglich, aber irgendwie mogelte er sich dafür zu oft in, manchmal auch nicht ganz jugendfreie Träume. Und ab und an ertappte sie sich bei etwas Eifersucht wenn er den andren Frauen nachstellte. Ab und an ertappte sie sich bei dem Wunsch ihn einfach zu packen und gegen die nächste Hauswand zu drücken. Und dann, je nach Version dieses Wunsches, ihm einen Dolch durchs Herz zu jagen oder ihn einfach lang und leidenschaftlich zu küssen. So oder so war auch diese Idee momentan zu verwerfen.
Der kurze Kuss hatte sie gänzlich aus der Bahn geworfen. Warum tat er das? So oder so würde es nicht gut enden.
An den Tatsachen hatte auch das Gespräch am folgenden Tag nichts geändert. Aber seitdem wirkte alles einfacher. Das Geständnis dass er tatsächlich in Erwägung zog in ihr mehr zu sehen als eine Schwester und definitv nicht nur auf eine Liebelei aus war, hatte sie erstaunt und auch erfreut. Alles konnte, nichts musste. Es fühlte sich seltsam an. War es im Grunde nicht vorher auch so gewesen?
Der Unterschied bestand wohl lediglich darin dass er ihr das Gefühl gab nicht irgendwer zu sein und dass sie sogar irgendwie gewillt war ihm das zu glauben.
Der leise Anflug von Eifersucht als sie vom fest erzählt und ihm die zur verfügung stehenden Garderoben vorführte, war irgendwie rührend. Seiner Schwester kurz darauf klarzumachen wieso sie in etwas, was man gerade einmal als lederne Unterwäsche bezeichnen konnte, durch die Wohnung lief als ihr Bruder da war und gar so zerwühlt drein sah, war ungleich nicht so lustig. Dabei war die Situation TATSÄCHLICH unverfänglich gewesen. Dass er sich so artig umgedreht hatte, hatte sie fast erstaunt. Jedenfalls war Gwen das ganze sichtlich unangenehm. SO unangenehm wie ihr selbst es war als sie sie nun auch noch ausquetschte was es mit dem Fest auf sich hatte. Da ihr klar war dass ihre Freundin nicht nachgeben würde in ihrer Neugier, hatte sie es ihr erzählt. Wohl wissend, dass sie mal wieder in den spießigen Augen der Mithrasgläubigen, nicht gut wegkommen würden.
Und wie erwartet war sie ziemlich entsetzt gewesen. Sie liebte Gwen aus tiefstem Herzen. Die Kleine war ihr Freundin und Schwester geworden. Sie verurteilte sie nicht, aber ihre Reaktion auf für sie so ganz gewöhnliche Dinge, führten ihr immer wieder so überdeutlich vor Augen, worin das Problem lag. Sie waren mit den alten Göttern nie in Berührung gekommen. Sie hatten nie gelernt sich Gedanken zu machen ob dies gut oder schlecht war. Sie kannten nur die Idee einer mithrasgefälligen Welt und stellten diese, und seine Diener nie in Frage. Ana machte ihnen dies wahrlich nicht zu Vorwurf, ungleich kam sie nicht umhin es als kurzsichtig zu betrachten. Sie fanden ihren Glauben nicht schlecht weil sie ihn ablehnten, sondern einfach weil sie nicht einmal auf die Idee kamen ihn sich anzusehen. Und dies wiederrum stimmte sie traurig. Sie wünschte inständig das Gwen sich eine eigene Meinung dazu machen würde. Denn sie zu verlieren, noch dazu wegen so etwas wie einem Glauben, war für sie nicht vorstellbar. Ihre Sippen zankten sich seid tausenden von Jahren um Riten und Götter und zum Glück wurde dies inzwischen am Stammtisch und nicht mehr mit dem Schwert ausgetragen.
Dennoch würde sie versuchen wieder etwas devoter, etwas stiller, etwas weniger kritisch und kontrovers zu sein. Sie wollte den beiden Veltenbruchs die sie so sehr lieben gelernt hatte, das Leben nicht schwer machen, nur weil sie den Mund zu weit aufriss.

Freunde waren wichtig und man hielt an ihnen fest. Inständig betete sie dass Theresias Worte Welf gegenüber nur ein Schuß vor den Bug waren um ihn dazu zu bewegen sich zu benehmen. Aber irgendwie… zweifelte sie daran. Bei dem Gespräch zwischen den Beiden, so es den wirklich stattfinden würde, wäre sie zu gerne Mäuschen gewesen. Aber sie würde sich ab sofort sehr bemühen nicht der Quell des Konfliktes zu sein.
Denn anders als ihr Bruder hatte sie durchaus gelernt den Kopf unten zu halten. Aber hier kam immer öfter der Wunsch auf, mit dem Kopf durch die Wand zu reden. Sie war Verschlagenheit gewohnt und Lügen, aber genauso war sie gewohnt in Sicherheit zu sein. In Ravinsthal wurdest du an jeder Ecke ausgeraubt. Von dem Wegeglagerer mit dem Dolch, oder von dem Schneider mit der flinken Zunge. Legal, oder illegal. Aber du wusstest auch dass der Räuber dich niemals niederstechen würde wenn du ihm das Geld gabst.
Und so es bis zum nächsten Tag nicht versoffen war, schlugst du es einfach wieder auf die Rechnung oben drauf was er dir gestohlen hatte.
Und hier musstest du dich schon fürchten dass du in den Kerker oder an den Galgen wandertest obwohl du nichtmal etwas getan hattest. Und so kam ihr nun zu gute, dass obwohl ihr Mundwerk durchaus auch lose war, sie eine gewisse Gabe hatte im Notfall doch noch den Mund zu halten. Meistens zumindest. Er war anders. Er konnte um nichts in der Welt seinen Mund halten. Er war zudem ein notorischer Lügner und Weiberheld. Er log um des lügen willens, obwohl er wusste er würde es damit noch schlimmer machen als die Wahrheit. Er hatte jede Nacht eine andre, und versprach mindestens der Hälfte davon die Sterne vom Himmel. Er hinterlies gebrochene Herzen und kassierte dafür regelmäßig Prügel von wütenden Knechten, Vätern und Brüdern. Gelegentlich auch von zornigen Schwestern oder betrogenen Frauen selbst. Doch er konnte es nicht lassen. Er war ein ewiger Quell von Ärgernissen. Ihr Bruder war ein Abenteurer und Tagedieb. Ein Taugenichts und Lügner wie er im Buche stand. Vermutlich war sie deswegen immer die Vernünftige in der Familie gewesen du hatte sich bemüht ein angesehenes Handwerk zu erlernen. Dass sie nun gezwungen war andre Wege zu gehen und das wegen einer Stadt und den Menschen darin, die sich so sehr rühmten rechtschaffen und gut zu sein und auf ihr Lehen in dieser Hinsicht sehr herabsahen, empfand sie als unbeschreiblichen Zynismus des Schicksals.
Aber über all diesen Eigenschaften, die andre nur als schlechte Eigenschaften bezeichnen konnten, wusste sie vor allem eines über ihn zu berichten. Er war ihr Bruder und er liebte seine kleine Schwester mit einer solch unerschütterlichen Loyalität, dass er einfach kein schlechter Mensch sein konnte. Und so lies er sich auch schon immer nur von ihr etwas sagen. Natürlich peinlichst bedacht darauf dass seine Freunde dies nicht mitbekamen. Was sie selbstverständlich dennoch taten, ihre Witze rissen und dafür Prügel von ihm kassierten und er sie mit seinen Geschichten einen tag an den Pranger brachte, und von ihr enger genähte oder unvorteilhaft gekürzte Hosen vorfanden und als sie zurück waren vom Prangerbesuch von der Freundin den laufpass bekamen, die Anabellas Geschichten aufgesessen waren. Dennoch blieb man befreundet. Neue Frauen kamen, und der Wams der eines Edelmannes würdig waren, waren genau so selbstverständlich wie die kleinen Racheakte.

Sie wünschte so sehr hier wäre es mehr wie daheim, und sie wünschte sie hätte hier einen Freund der so war wie er, oder am allermeisten wünschte sie, ihr Bruder wäre bei ihr.

Aber sie hatte auch hier Freunde.
Sie sah hinunter zu dem Haus das sie beherbergte. Zu dem gegenüber und etwas weiter, hinter einigen Giebeln halb versteckt das Haus der Veltenbruchs. Bis zum Armenviertel konnte sie nicht ganz sehen. Aber die die ihr am meisten am Herzen lagen, waren nur einen Steinwurf entfernt.
Simona war ihr so sehr Freundin geworden. Sie mochte ihre gut hinter Demut verborgene Boshaftigkeit. Ihre Loyalität und die perfekte Mischung aus vorsichtiger Vorraussehung und ungezügeltem Wahnsinn. Das einzige was sie herausfinden musste über sie, war wo ihre Loyalität endete. Doch oft dachte sie, dass sie auf die eine oder die andre Weise erstaunt wäre, wäre sie gezwungen es auszuprobieren. Und sie hoffte es wäre eine positive Überraschung.

Carmelina war das totale Gegenteil von ihr selbst. Sie war ein von Grund auf so zartes, fleisiges, guterzogenes und bemühtes Ding, dass es oft nicht wahr schien. Sie war ein zerbrechliches Wesen mit einem sanften Herzen. Carmelina war unerschütterlich Loyal. Oft sogar denen gegenüber die ihre Zuneigung nicht verdienten. Und sie löste in jedem den dringlichen Wunsch aus sie zu beschützen.
Aber sie hatte sich durch Erfahrungen und harte Lektionen auch andre Eigenschaften anerzogen. Ein unbändiger Wille, eine Fähigkeit zu ungezügelten Emotionen, vor allem Wut und eine Zähheit von der jeder alte Ackergaul noch etwas lernen könnte.
Im genauen Gegensatz zu ihr selbst, die aus schlichten und eher unbändigen Verhältnissen kam, die in rauer und ursprünglicher Umgebung aufwuchs und von klein auf die dunklen Seiten des Menschen als angenehm und normal empfunden hatte. Sie hatte nie über etwas schweigen müssen oder katzbuckeln vor andren. Aber sie hatte es sich angeeignet. Sie hatte die Notwendigkeit erkannt und es einfach getan.
Und das war wohl das was sie verband. Beide waren sie arbeitsam, zäh und taten was nötig war um zurrecht zu kommen.

Es gab noch andre auf die Verlass war und die sie zu ihren Freunden zählte. Doch niemand stand ihr hier sonst so nahe wie diese Menschen die in den letzten Nächten durch ihren Kopf geisterten.

Inzwischen war ihr Atem zur Ruhe gekommen und am Horizont dämmerten schon die ersten Strahlen.
Also machte sie sich an den Abstieg und man konnte die wie ein Geist im Halbdunkel wirkende Gestalt noch einige Schritt durch die Gassen huschen sehen, ehe sie durch die Haustür verschwand.


OOC
sollte jemand sich nun ganz spontan denken: sowas wie den Bruder wollte er schon immer spielen. meldet euch gerne bei mir. ich würde mich zumindest langfristig freuen ihn zu treffen. Allerdings wäre mir in dem Fall auch wichtig dass ich mit dem Spieler irgendwie auf einer Wellenlänge liege. Smile
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#4
Feuer


Sanft strichen die Fingerspitzen über die nackte Schulter, die zwischen einem wirren und verschwitzten Schübel roter Haare hervorblitze, Sie konnte nicht anders als versonnen zu lächeln.

Wenn seine Familie wüsste…
… vor allem wenn sie die ganze Wahrheit wüsste.
Kurz fragte sie sich wie groß sein Interesse an ihr ohne dieses kleine Geheimnis wäre.
Schnell schob sie diesen Gedanken von sich. Nicht anfangen zu denken. Nicht den magischen Moment mit Grübeleien zerstören. Schon gestern hatten seine ehrlichen, herzlichen Worte sie dazu verleitet in Panik zu geraten und Fragen zu stellen über die sie im Grunde selbst nicht nachdenken wollte.
Sie war gerade einfach glücklich und fühlte sich regelrecht schwerelos. Die Finger spielten inzwischen mit einer Strähne seines zwischen Karotte und Tomate befindlichen Haares. Das verklärte Lächeln wich nicht aus ihrem Gesicht.
Es war wahrlich unklar, was war und was sein würde,, geschweige denn warum. Sie musste sich hier und jetzt nicht festlegen um glücklich zu sein. Es fühlte sich gut an in seinen Armen. Und auch wenn die Dinge diffus waren, zeigte ihr etwas an ihrer Beider Blicke und Verhalten dass sie sich insgeheim schon entschieden hatten.
So hoffte sie zumindest.
Dennoch schlich sich etwas Sorge in die unbeschwerten Momente. Etwas sagte ihr dass sobald ihm langweilig wurde, sobald durch welche Umstände auch immer das Kribbeln, der Reiz des Verbotenen weg wäre, das ganze genau so schnell ein Ende finden würde wie die Flamme entfacht war. Dass er mit ihr spielen könnte, oder sie gar vorsätzlich verletzen wollte, von solchen Gedanken hatte sie sich schon vor Stunden gänzlich verabschiedet.
Spätestens nach seinen Komplimenten die so ehrlich klangen und die sie in seinen Augen wiederfand… „du bist unglaublich wunderbar“ hatte er gesagt in Anlehnung an Gwens Versuche ihr klarzumachen dass ihr Bruder sie mochte. Spätestens nachdem sie am Feuer gelegen hatten und er war so glücklich und so entspannt und hatte sie angesehen und gemeint „du bist so verflucht schön anzusehen“ und sie sah den Flammenschein auf seinen Zügen und in seinem roten Haar tanzen und es sah aus als stünde es in Flammen, und sie wusste was er meinte damit.
Nein sobald sich solche Gedanken auch nur im Ansatz in ihr Bewusstsein schleichen konnten, sah sie jedes Mal sein gesicht vor sich wie im Feuerschein die Schatten auf ihm tanzten und sie spürte seine schweißnasse Haut auf ihrer, als sie sich im Gras liebten, und sie spürte den ruhigen Atem in ihrem Nacken als er schlief. Sie sah sein spitzbübisches Lächeln und die Tränen in seinen Augen als er ihr die Geschichte erzählte.
Sie genoss das Leben gerade in vollen Zügen. Am liebsten würde sie ihr Glück mit aller Welt teilen. Aber es in Worte zu fassen, würde den Zauber zerstören. Ihre Freunde würden es auch so bemerken.

Ganz leise zog sie sich an. Zärtlich schob sie die Bettdecke hoch um seine Schulter zuzudecken. Seine Sachen wurden ordentlich über den Stuhl gehängt und aus einem ihrer roten Bänder und etwa 2 Dutzend geübten Nadelstichen, wurde eine kleine Stoffrose, vielleicht so groß wie ein Schilling, geformt und darauf gelegt.
Leise huschte sie die Treppe hinunter. Ein kurzes Gespräch mit Georg später, verschwand sie nach draußen und man ließ ihre Begleitung weiterschlafen.

Leise summend wanderte sie am Platz entlang wo das Fest stattgefunden hatte

„Ich wäre auch gerne dabei gewesen“. Ja jeder wollte das gerne. Und so waren auch alle da. Mondwächter und Mithrasgläubige, Familien, einsame Gestalten auf der Suche, Räte, Handwerker und Krieger, Juren und Galatier, Arme und Reiche. Nur keine Veltenbruchs… Warum bei allen 21 hat sie genau diese Menschen so ins Herz geschlossen, die so unflexibel und verbohrt waren wie kaum ein anderer. Er hatte versucht ihr zu erklären was der Grund war. Seine Worte konnte sie verstehen, doch ihr Herz konnte es nicht begreifen. Es war einfach nicht nachvollziehbar woher diese Abneigung kam. Trotz dieser unflexiblen Art liebte sie sie. Es gab auch dafür keinen Grund, sie tat es trotzdem. Und so war sie trotz aller Wut die gerade Theresia oft in ihr auslöste, einfach nicht in der Lage und auch nicht willens, diesen Ärger auf Dauer aufrecht zu erhalten. Wussten die Götter warum.
Einen winzigen Moment fragte sie sich wieso gerade Welt für die sonst so beherrschte Theresia eine so rotes Tuch darstellte, ehe die Gedanken ohne eine echte Antwort zu finden, lediglich eine vage Ahnung keimte kurz auf, er war Familie aber er trieb sie zu Verzweiflung, sie sprachen gefühlt nicht mal die selbe Sprache, und so konnte sie ihn nicht hassen und nicht lieben.., zum Fest weiterwanderten.

Es war so großartig gewesen, Die Stimmung war ausgelassen gewesen und friedlich. Alle waren für einen Abend, eine Nacht, losgelöst von all den Sorgen des Alltags und sie ließen Streit und Kummer hinter sich. Für diese Stimmung liebte sie das Branwenfest.
Die Opferzeremonie hatte sie aufs tiefste berührt und dass sie die Gaben für Nodons übergeben durften, empfand sie als kaum in Worte zu fassende Ehre. Die Begründung ehrte sie noch mehr. Er hatte von Loyalität und Aufrichtigkeit gesprochen und davon die andren zu schützen. Sie war tief gerührt davon Teil dieses wunderbaren Moment gewesen zu sein.

Eisen


Etwas in Garah berührte sie ohnehin tief. Auch jetzt noch, nach allem was sie erfahren und gesehen hatte, wollte sie ihn nicht verloren geben. Er war ein lebender Widerspruch und es gab keinen Grund zu denken er könnte sie brauchen. Aber etwas tief drin sagte ihr, dass es dennoch so war. Er brauchte Menschen wie sie oder Livera. Sie merkte dass diese Gegenwart ihm gut tat. Und sie war nicht bereit kampflos aufzugeben. Auch wenn er schon auf den ersten Blick nur als ein hoffnungsloser Fall bezeichnet werden konnte. Er schien zu Emotionen einfach schlicht und ergreifend nicht fähig zu sein und in dieser Hinsicht erinnerter er sie besorgnisserregend an Albert. Es schien oft als würde er seine Welt mit lediglich und ausschließlich wissenschaftlichem Interesse wahrnehmen. Er schien in jedem nur ein versuchsobjekt zu sehen und ganz besonders menschliche Emotionen schienen seine Neugier zu wecken. Vermutlich weil sie das einzige wahren was zu begreifen er nicht im Stande war. Nun schätzte aber nicht jeder als Versuchskaninchen missbraucht zu werden. Sie selber hatte es nicht so sehr getroffen, aber sie hatte erfahren dürfen was er anrichtete. Und so waren die Gefühle im Widerstreit was richtig und was falsch war. Bestand Hoffnung? War es richtig ihn zu bestärken und ihm einen Weg zu zeigen. War er in der Lage und willens ihn zu gehen? Oder war er manipulativ genug es auszublenden und dies nur weiter aus der Distanz zu betrachten und seine Schlüsse zu ziehen? Würde es am Ende nur seine Fähigkeiten erweitern anderen etwas vorzumachen? Und war es am Ende gar möglich Emotionen so perfekt zu durchschauen und vorzuspielen, ohne sie jemals zu durchleben, dass keiner den Unterschied mehr wahrnahm? Sie war hin und hergerissen und sie musste sich demnächst ein Bild davon machen. Aber so oder so hatte Livera sie sofort tief berührt und sie wollte ihr helfen. Sie würde auf sie aufpassen und vielleicht bestand Hoffnung. Dennoch schlichen sich seit jenem Gespräch immer wieder Alpträume von Marionetten mit seltsam farbig glänzenden Fäden die sie zutiefs beunruhigten in ihre Träume.

Wasser


Es waren einige Tage vergangen. Turbulente Tage, schöne Tage. Welf war ständig unterwegs gewesen, Garah hatte sich in seine Forschungen vergraben und Carmelina hatte sich auf ihre Arbeit gestürzt und über dem Unglück und die Männer gegrübelt. Sie war sich sehr wohl bewusst dass sie sie damit allein lies und es tat weh, aber sie wäre die letzte gewesen die gerade was das Thema anging ein guter Gesprächspartner gewesen wäre. Und so beschränkte sie sich darauf ihr eine Decke überzulegen wenn sie am Arbeitstisch eingeschlafen war und ab und an nach ihr zu sehen wenn sie im Morgengrauen kurz hereinschlich um neue Sachen zu holen. Sie war kaum mehr zu Hause anzutreffen.
Tags arbeitete sie hart, nachts trainierte sie. Ihre Bewegungen wurden geschmeidiger und kraftvoller. Sie schließt meist auf einem Heuboden, Hausdach oder wo sie gerade umfiel. Und später meist bei Morkander.

Ihn getroffen zu haben war ihr ein großes Glück gewesen. Sie hatte ihn vom ersten Augenblick an gemocht. Seine heitere Art, seine Gabe zu sprechen und Menschen damit zu berühren, generell sein Talent mit Worten umzugehen. Die heitere, manchmal alberne, aber nie lächerliche Weise mit der er durchs Leben wanderte, berührte sie. Und dennoch schien er zu tiefem Denken und beherztem Handeln fähig. Sie war ausnahmslos überzeugt dass er ein wunderbarer Druide werden würde.
Eine Weile war sie fast eifersüchtig gewesen ihn mit diesem Mädchen zu sehen. Etwas an ihm hatte sie gereizt vom ersten Wimpernschlag an. Aber dennoch freute sie sich für die Beiden. Wer hatte auch ahnen können dass es so kommen würde…
Von jetzt auf sofort war es gescheitert. Zumindest schien es nicht ihr Verschulden. Sie hatten einfach andere Träume. Wobei es ihr komisch vorgekommen war. Das Mädchen das ihr im Wald von ihrer Sorge erzählt hatte nicht zu genügen, das nicht glauben konnte gemocht zu werden, und dann die Aussage sie wollte nur Spaß und es geniesen so lange es gut ging? Sie würde ihr beizeiten auf den Zahn fühlen müssen der guten Elynia.
Statt dessen hatten aber sie beide sich angefreundet. In seiner Gegenwart hatte sie sehr bald das Gefühl sich fallen lassen zu können und niemals zu tief zu stürzen. Nachts ganz unschuldig in seinem Arm zu liegen, in die viel zu große geliehene Robe eingewickelt, sacht durch sein Haar streichend und zuzuhören wie er ihr vorsang, das war wunderschön gewesen. Und langsam sehr langsam dämmerte ihr was sie vermisste in ihrer „Beziehung“ jemand der sie so liebte und annahm wie sie war, der stolz darauf war sie an seiner Seite zu wissen und es nicht verbarg aus Angst vor Konsequenzen. Sie war selbst schuld. Sie hatte es nie eingefordert, war sich dessen bis zu dem Moment nicht einmal bewusst gewesen. Aber nun wusste sie es. Sie wollte es ganz oder gar nicht. Und sie ahnte dass er dazu kaum bereit wäre.
Also genoss sie einfach die Zuwendung und den Ausgleich ohne sich Gedanken darüber zu machen. Dies ging gut bis zu der Nacht in der er sie küsste.
Sie war früh wach geworden danach und lag in seinem Zelt, sah zu wie die Sonne aufging und die Sterne der Sonne wichen. Kurz bevor ihr die Symbolhaftigkeit und Perfektion dieses Moments bewusst wurde, dämmerte ihr noch etwas anderes…
… nämlich dass etwas grundlegend schief lief.
Und dann, einige Herzschläge später, war der magische Moment vorbeigezogen den sie so sehr liebte. Der Moment voll vollendeter Klarheit. Die Sonne begab sich zum Himmel, überstrahlte kurz alle Sterne, doch wenn sie müde wurde des Abends und verblasste und sich zur Ruhe begab, erstrahlten auch wieder die Sterne und spendeten Trost und Schutz dem Leben das sich zur Ruhe begab. Tags leuchtete der Alltag über den Menschen dieser Stadt, leitete ihr Tagwerk. Mithras leuchtete in jeden Winkel dieser Erde und die Menschen folgten ihm. Der Alltag bestimmte das Leben hier, aber dann begab sich die Welt zur Ruhe. Das Tagwerk ruhte und auch Mithras tat das. Und er tat es guten Gewissens, denn des Nachts funkelten die Sterne und schenkten der geschundenen Welt Ruhe. Die meisten Menschen schliefen nachts und so hatten für sie die alten Götter nicht mehr diese Bedeutung. Aber wer des Nachts zum Himmel sah konnte verstehen dass beides gut war. Denn sein wir ehrlich: die wirklich magischen Momente…
… geschehen doch immer nur des Nachts.
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#5
Sie konnte sich nicht satt sehen an diesen Augenblicken. Sie konnte kaum in Worte fassen was dieser Augenblick für sie jedes Mal aufs Neue bedeutete. Erneut dämmerte es. Oder vielmehr.. es dämmerte noch nicht. Es war nicht mehr Nacht, nicht mehr dunkel, die Sterne verschwanden, die Sonne war noch nicht zu sehen, Das Morgenrot fehlte. Leichter Nebel lag über der Welt wie eine weiche Decke. Alles war frisch und neu und unschuldig. Diese Momente waren nicht existent. Sie waren totenstill, keine Vögel, keine Menschen, ein unbeschriebenes Blatt für einen neuen Tag. In diesen Augenblicken schien alles möglich zu sein. Und in der Tat war es so. Der Tod, das Leben, die Liebe, der Krieg… Es konnte ein Gott an die Tür klopfen oder der Herrscher gestürzt werden. Niemand wusste was kommen würde. Und dieses Gefühl, frei zu sein von allen Erwartungen, allen Plänen und Intrigen, von vergangenem und künftigem , dieses Gefühl gab ihr so unendlich viel Hoffnung und Freiheit. Sie spürte in diesen Momenten einfach dass sie WAR.

Einige Atemzüge später tauchte das erste Rot des Morgens auf und obwohl es schön anzusehen war, fesselte es sie nicht so sehr und ihre Gedanken begannen zu schweifen, als die Magie dieses Moments wich.
Wie war es dazu gekommen dass sie nun wieder hier auf dem Dachboden saß?

Die Gedanken wanderten zu dem was vor 2 Tagen geschah. Sie hatte ihn auf dem Fest verlassen. Genau hier an dieser Stelle. Sie wollte und konnte das nicht und musste sich klarwerden was sie wollte. Dass er nichts getan hatte um sie umzustimmen hatte sie allerdings sehr verletzt. War ihm das alles so bedeutungslos gewesen dass er es einfach hinnahm? Dass er sogar fast erleichtert wirkte?

So oder so war sie abends zu Morkander zurückgekehrt. Sie hatte ihm alles erzählt und ihn gebeten am nächsten Tag es einfach auf sich zukommen zu lassen.
Zuerst dachte sie nun würde alles gut. Es war wunderschön. Sie hatten gelacht und waren Hand in Hand in die Welt hinaus gegangen. Es waren schöne, glückliche, schwerelose magische Momente. So schwerelos wie als sie im Fluss trieben und er sie hielt. Das kalte Wasser auf der Haut, das Lachen, seine Hände auf der nassen Haut die sie festhielten, all das lies ihre Seele zur Ruhe kommen. Er war ihr Wasser, mit ihm konnte sie durchs Leben fliesen. Er würde sie nie untergehen lassen und niemals würde sie zu Boden sinken, dessen war sie sich gewiss. Er gab ihr unerschütterliche Sicherheit.

Und so offenbarte sich das Dilemma. 2 Männer, wie Feuer und wie Wasser. Der eine verzehrte sie, lies sie in Flammen aufgehen und auf so wundervolle Weise brennen, doch wenn er ging, blieb nur kalte Asche zurück. Der andre sanft und sicher und fliesend, keine Zweifel lassend, aber er konnte sie über dieses Lachen, diese Unbeschwertheit hinweg nicht mitreißen.
Sie wusste was ihr gut tun würde, so unerschütterlich wie die Kühle den Kater vom Vorabend vertrieb und wie das Wasser das Feuer löschen würde zur Strafe wenn es sie verbrennen würde. Aber als sie des Abends wieder vor ihm stand, war ihr klar dass nichts diese Flammen verlöschen könnte. Sie wollte ihn, sie wollte ihn so sehr. Entgegen aller Vernunft entschied sie sich dafür in Flammen aufzugehen.
Sie war erstaunt als er so zögerlich reagierte als sie ihn ins Stroh stieß. Und obwohl sie erst wirklich absolut nicht reden wollte, ließ sie sich darauf ein. Eigentlich wollte sie nur seine flammenden Haare im Gesicht haben, den Schweiß auf seiner Haut spüren und nach einer erhitzten Nacht verschwinden ehe es peinlich würde. Einfach sich nochmal die Finger verbrennen. Sie hatte so tiefe Wut gespürt und so großes Verlangen nach ihm, Sie wollte ihn büßen lassen. Wofür war ihr selber nicht klar.
Statt dessen hatten sie gesprochen. Es waren so viele Missverständnisse und am Ende musste sie sich eingestehen dass sie nicht von ihm würde lassen können. Nicht einfach so. Sie hoffte inständig er würde sein Versprechen halten und würde mit dieser Neuerung in seinem Leben klarkommen.
Langsam sammelte sie ihre Tasche, den Becher und den Wein ein. Nun galt es nur noch Morkander das ganze klarzumachen. Und sie hoffte so sehr dass er verstehen würde, nicht so sehr traurig war, dass er sie nicht loslassen würde deswegen und sich nichts ändern möge zwischen ihnen. Vor allem aber hoffte sie, dass er weiter ihr Wasser sein würde, das sie löschen und halten möge, wenn sie zu verbrennen drohte…
… und sie hoffte sie würde ihre Entscheidung nicht irgendwann bereuen.
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#6
Natürlich hatte Morkander es nicht gut aufgefasst. Sie hatte förmlich sehen können wie in ihm etwas zerbrochen war. Der Moment hatte sich angefühlt als würde ihr ein Krug voll Wasser aus den Händen rutschen und in Zeitlupe konnte sie sehen wie der Krug zerbrach und das wertvolle Nass einfach im indarimer Wüstensand versickerte. Und seitdem war sie durstig. Natürlich nicht im Sinn von körperlich wahrnehmbaren Durst (wobei auch dies der Fall war, besonders Durst auf Alkohol!), sondern mehr seelisch. Sie hatte sich danach gesehnt im Arm gehalten zu werden und zur Ruhe zu kommen.
Und so war sie auch tief dankbar gewesen dass Welf nachts vorbei gekommen war und sie so verständnisvoll im Arm gehalten hatte. Die Flammen waren aufgelodert und er hatte sich wirklich bemüht ihr und ihrem Zustand gerecht zu werden, aber am Ende hatten sie sich zufrieden geben müssen dass er sie im Arm hielt und neben ihr schlief. Das hatte ihr gut getan aber sie kam dennoch nicht zu Ruhe
Und so zweifelte sie. Denn wirklich zur Ruhe gekommen war sie in den letzten Tagen wieder einmal nur in den kurzen Momenten in den Armen ihres besten Freundes. Wenn er bei ihr saß, wenn er sacht durch ihr Haar strich, wenn er mit seiner warmen Stimme die ihm durch und durch ging mit ihr sprach, dann machte sich tiefe Ruhe in ihr breit. Dann fiel das getriebene, rastlose von ihr ab. Dass er sich so liebevoll um sie kümmerte und nach dem ersten Schock sie nicht von sich stieß und ihr trotz allem keine Vorwürfe machte, rührte sie zutiefst. Noch nie zuvor hatte, abgesehen von ihrem Bruder, ihr ein Mensch so gut getan. Noch nie hatte sie so sehr sie selbst sein können. Aber wenn diese Gedanken kamen, dann war da wieder die Erinnerung an diese Verliebtheit, und die Leidenschaft die ihr bei ihm einfach fehlte. Immer noch plagten sie Gewissensbisse. Sie merkte dass er so ausgebrannt war. Und Sie hatte diese Gewissensbisse weil sie sich eigentlich entschieden hatte, aber am Ende nun doch wieder zweifelte.
Sie war so getrieben gewesen, so unruhig, wie ein Blatt im Wind, wie der Wind selbst, wehte sie hierhin und dorthin und es fiel ihr gerade schwer ihre Gedanken, ihre Gefühle und ihren Weg festzuhalten. Alles fühlte sich ungeplant an und sie wünschte sich einen Fingerzeig, etwas was ihr half zu erkennen was ihr bestimmt war.

Und so war die Sehnsucht wieder hochgekommen, entgegen aller Angst, ihren göttlichen Paten zu begegnen. Manchmal war es gut, denn sie fürchtete was es ihr offenbaren konnte. Es war gut es nicht zu wissen, denn alles aber wirklich alles konnte möglich sein. Aber auch genau das selbe Gefühl, das Gefühl es wäre alles möglich, lies sich oft mit Bauchweh zurück. So hatte sie entschieden Ophelia zu bitten es ihr zu deuten. Mit allen was geschah war sie getrieben und unrast genug. Vielleicht würde es ihr helfen Wurzeln zu schlagen und nicht gänzlich verweht zu werden.
Dennoch nagten die Zweifel. Sie nagten so unerbittlich dass sie keine Ruhe fand und das Gefühl hatte vor lauter Unruhe Ausschlag bekommen zu müssen oder sich zu übergeben, nur dass irgendwas geschah. Sie wollte gegen Wände rennen, und schreien und einfach davonfliegen, nur um diesem getrieben sein, Raum zu geben.

Doch nun, sie konnte es noch immer kaum glauben, nun war diese Unrast einfach geendet.
Alles hatte sich so vollkommen perfekt gefügt zum Ende.
Nicht zuletzt dank Ophelia. Sie hatte sich alles vom Herzen reden müssen, bei jemandem der noch nicht die ganze Geschichte kannte. Und es hatte geholfen. Ophelia hatte ihr die Augen geöffnet indem sie nur ihre eigenen von ihr selbst gesprochenen Worte wiederholte.
Eine Zukunft mit Welf war ein Schloss auf Sand zu gründen. Alles betrachtend war es spannend, abenteuerlich, eine Geschichte. Aber im wahren Leben hatten solche Abenteuer selten ein gutes Ende. Er und sie hatten andere Ideen, sie hatten andere Hintergründe und die Umstände, was seine Familie und ihre Herkunft anging, waren auch nicht gerade eine gute Basis.

Morkander und sie hingegen hatten gute Vorrausetzungen. Sie waren beide fest verwurzelt in ihrem Glauben. Sie waren beide auf verborgene Weise gefährlich tief drin. Sie waren beide zu innigen tiefen Gefühlen fähig. Bei beiden gab es niemandem der ihre Liebe im Weg stehen würden, außer sich selbst. Aber sie hatte ihn sehr verletzt und er konnte ihr nicht mehr vertrauen und sie verstand es. Aber sie hoffte. Sie glaubte . Und irgendwann vielleicht würde es doch gut werden.

Es war nicht einfach gewesen alles zu regeln. Sie wusste er würde sie nicht loslassen, aber dass es jemals ein „wir“ geben würde, darüber war sie sich nicht so sicher gewesen. Doch jeder Moment den er ihr erlaubte bei ihr zu sein, jeder Moment in dem sie seine sanfte Berührung spürte, war ein guter Moment. Er erlaubte ihr sie zu sein und sich zu finden. Manchmal war da Schmerz und Angst und Kummer. Manchmal waren da die Momente wo es sie fast zerriss. Wo ihr alles zu viel wurde und die Tränen hochstiegen. Doch um nichts in der Welt hätte sie ihn loslassen mögen. Alles, sogar der durch ihn herbeigeführte Schmerz, war leichter zu ertragen wenn er da war. Er war Krankheit und Heilung zugleich.
Sie hatte sich in dieser Zeit kaum um die Arbeit gekümmert sondern hatte in den Tag hinein gelebt. Übte und schlich sich ab und an, an die Front. Nachts lag sie in dem Zelt. Ein Mal war sie neben dem Bett auf dem Boden eingeschlafen, den Kopf neben ihm auf der Matratze auf die Arme gebettet. Eigentlich wollte sie nur vorbei sehen und er hatte schon geschlafen. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht gleich wieder aufzubrechen und hatte eine Weile in dieser eher unbequemen Stellung die Sterne und den Mond betrachtet die durch einen Spalt im Zelteingang zu sehen waren, und war irgendwann über seinen gleichmäßigen Atemzügen eingeschlafen. Als sie wach wurde lag sie statt ihm im Bett und er war verschwunden. Sie war das erste Mal in den letzten Tagen ohne ihn aufgewacht und es hatte tief drin weh getan. Sie wusste nicht wieso er das getan hatte. Warum war er gegangen? Sie hatte eine ganze Weile still geweint ehe sie aufgebrochen war. Fortan war sie wenn sie zurück kam und hatte bereits geschlafen, sie stets wieder gegangen ohne seinen Schlummer zu stören. Sie wollte nicht wieder dass sie ihn vertrieb. Wenn er Raum brauchte, würde er ihn haben.

Sie hatte dennoch wieder einige Male bei ihm geschlafen. Mal sanft und einfach innig umschlungen. Halt gebend, Zärtlichkeiten tauschend. Mal unschuldig Arm in Arm, den Kopf auf des andren Schulter. Wie Bruder und Schwester in trauter fröhlicher Zweisamkeit. Aber auch innig, die Körper ineinander verschlungen, erhitzt, voll Leidenschaft, sich dem andren ganz hingebend.

Aber wirklich an Glück geglaubt hatte sie nicht mehr. Sie war davon ausgegangen dass entweder er oder sie vorher daran zerbrechen würde und sie aufgeben würden.

Doch dann war der Moment gekommen in dem alles in Scherben lag. Der eskalierende Streit mit Askir , ihr fester Entschluss nun egal um welchen Preis heimzukehren, war es gewesen was die Wende gebracht hatte. Was genau ihn an ihren Worten dazu bewegt hatte ihr nun doch zu trauen wusste sie nicht, aber sie war glücklich. Und ab dem Moment war alles leichter geworden.
Seit dem Moment war es heller und unbeschwerter und sogar die müsigen und aufreibenden Dinge waren nur ein Grund kurz langsamer zu gehen. Alles war ein wunderbares glückliches Abenteuer gerade und sie fühlte sich als könnte sie Berge versetzen.
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#7
Das Glück ist wie ein schwedischer Sonnenuntergang - er ist für alle da, aber die meisten von uns blicken in die andere Richtung.

(Mark Twain)


Irgendwann zwischen den bangen Momenten der Angst, dem angespannten Lauschen auf seine Atemzüge, der ungewissheit ob es gut war wenn sie leiser wurden, oder ob es ein Zeichen war dass er am davongleiten war, irgendwann zwischen dem Moment als sie resigniert aufgab den fieberheißen Körper mit kalten Tüchern abzureiben und dem Moment wo sich ihre Augen von der Erschöpfung des reglosen Durchwachens schlossen und sein Atem ruhig und gleichmäßig ging und das Fieber gesunken war und er schließlich sie in eine liegende bequemere Position verfrachtet hatte und sich eng an sie geschmiegt hatte. Irgendwo in diesem schmalen Fenster der Existenz, war die Welt unendlich klar. Ihr eröffnete sich dass sich langsam aber sicher immer mehr Wege vor ihr auftaten. Mit jedem Schritt den sie einen Weg weiter beschritt, schien dieser Weg zu neuen zu führen, die genau so unzweifelhaft ihr Leben auf die richtige Weise voran trieben. Auf diesen Wegen begegnete sie andren Menschen und mit manchen ging sie kurze oder längere Strecken gemeinsam. Doch die bei denen sie sich sicher war, dass sie sie nicht aus den Augen verlieren würde, auch wenn sich ihre Wege eine Weile trennen sollten, die vermochte sie zu erkennen. Und in dem Augenblick sah sie die Welt voll unendlicher Klarheit vor sich. Sie sah die verwobenen Fäden die die Götter sponnen wenn sie die Schicksale ihrer Patenkinder webten, sie sah dass es kein Falsch gab in dieser Welt sondern alle noch so verworrenen und versponnenen und verwirrend verwobenen Schicksalsfäden nur eine einzige große großartige Geschichte sponnen. Sie sah und begriff . Nicht mit dem Kopf, mit dem Herzen vermochte sie die Welt in all ihrer einfachen Klarheit zu begreifen.

Diese Klarheit entglitt ihr, so wie ihr die Wachheit entglitt, aber ein unendlich tröstliches Gefühl blieb zurück. Sie würde sich nie mehr so alleine fühlen. Vielleicht war es einfach eine flüchtige Fantasie die durch die Sorge und den Schlafentzug herbei geführt war, möglicherweise war es aber tatsächlich ein Augenblick von solcher Klarheit wie er nur wenig Menschen von den Göttern geschenkt wird.

Aber vor allem machte sich die Gewissheit in ihr breit glücklich zu sein. Alles hatte sich gefügt. Sie hatte zwei treue Freudinnen gewonnen, einen kleinen Bruder und eine kleine Schwester, einen echten Freund, einen Onkel, einen Lehrer, ein Vorbild, eine Liebe und ganz besonders, allem voran, hatte sie sich gewonnen.

Dieses Glück würde nicht immer so hell scheinen, aber sie würde es immer festhalten wollen, tief in ihrem Inneren. Sie wusste dass es nicht immer einfach werden würde, aber sie war geleitet. Die Götter führten sie durchs Leben und es war schlicht nicht möglich auf diesem Weg fehl zu gehen. Sie hatte das gefunden was ihr Wurzeln schenkte und auch wenn sie nicht festhalten hatte können wie die Wege aussahen und was die Zukunft bereit hielt, so war die Angst und Unrast gewichen. Sie hatte nicht mehr das Gefühl dass das Leben eine große staubige Fläche war, die sie gestalten musste um irgendwie etwas zu hinterlassen. Sie wollte kein mageres Haus auf eine staubige Ebene bauen. Sie wollte einfach nur laufen und die Wunder sehen die sich überall am Wegesrand auftaten. Sie musste nichts schaffen, es war alles schon da. Man musste nur vertrauen und glauben.

All diese Gedanken waren verschwunden als sie viel später im Zelt aufwachte und die Hektik des Alltags sie einholte. Doch ein Nachklang dieses Moments holte sie noch Tage später immer wieder ein und setzte einen Samen des Friedens in ihr unrastes Wesen
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#8
Gedankenfetzen

(kleine ältere Textreste die ich dann doch irgendwo nicht verwurstet oder rausgeschnitten habe)

Von Hochzeiten und anderen Schrecken.



Die Hochzeit von Marei und Keltan war schön gewesen. Die beiden waren ein so zauberhaftes Paar. Sie schienen das Leben leicht zu nehmen, denn sie meisterten es gemeinsam mit viel Humor. Sie hatten einander gefunden und ergänzten sich perfekt. Sie würde jedem so ein Glück wünschen.
Sie hatte ein wenig die Zeit vergessen können und ihre Gedanken anderen Dingen zugelenkt. Doch ganz unbeschwert war es nicht gewesen. Carmelina ging es nicht gut. Sie sorgte sich, denn sie war allein auf der Feier, er musste zur Schlacht. Verständlich dass ihr nicht nach feiern war. Ana hatte ein etwas schlechtes Gewissen weil sie ihr nicht wirklich helfen konnte. Sie sahen sich wenig und wenn dann wusste sie nie recht was sie für sie tun könnte. Sie hatte ihr möglichstes getan sie etwas aufzumuntern, so wie auch Ceras, dem der Schock über die Entführung noch in den Knochen saß, auch wenn er es gut verbarg. Auch die Unterhaltung am späten Abend mit Gawin hatte sie sehr erscheckt. Sie konnte solche Dinge nicht verstehen und es zeigte ihr dass Mondwächter und Mithrasgläubige oft so erschreckend viel dichter beisammen lagen, als man denken mochte. Beide waren bereit eine Ehe einzugehen oder das Lager zu teilen mit jemandem für den sie nichts empfanden um mit dem sie nichts verband außer dass es ihnen irgendwie logisch erschienen. Beide waren so verrannt in ihre Vorstellungen dass sie nicht bereit waren etwas zu akzeptieren was über diese hinaus ging. Wieso waren die Menschen so schwierig? Und einmal mehr sehnte sie sich nach zuhause.

Aber sie würde Schritt für Schritt und Wort für Wort das ihrige tun, dass am Ende alle so sicher und glücklich durchs Leben gehen konnten wie die beiden heute. Sie würde allein nicht die Welt und die Menschen verändern, aber vielleicht konnte sie ein wenig dafür tun.

Wer Wind sät wird Sturm ernten


Sie kochte, sie kochte vor unterdrückter Wut. Ihr Kopf schmerzte immer noch und wenn Tiberius sie gesehen hätte, hätte er sicher sehr gescholten und die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Von LEICHTER Bewegung war die Rede gewesen und nicht davon nachts durch die Krypta zu schleichen und Ratten gegen die Wand zu treten. Aber sie war so rastlos, so aufgeladen, sie spürte wie weder Feuer noch Wasser in ihrem Körper pulsierten sondern Sturm und Wind, es fühlte sich in ihr an als müssten Blitze der Wut aus ihrem Körper schießen und die Ratten einfach erschlagen. Aber da dies nicht passierte, bemühte sie doch Dolch und Stiefel. Doch schnell merkte sie dass hinsichtlich Aryns Unterricht das hier umher schleichen recht sinnlos war. Seine Erklärungen hinsichtlich menschlicher Anatomie waren sehr aufschlussreich gewesen. Was ihr an seinem Unterricht besonders gefallen hatte, war dass sehr oft er mit seinen Fragen etwas zu Tage förderte was sie im Grunde wusste und beobachtet hatte, aber sich nie bewusst gemacht hatte. Ein Mensch hatte so viele Schwachstellen und die wenigsten schützte man im Alltag. Aber an Ratten waren diese nicht so gut nachzuvollziehen. Sie hatte gerade beschlossen sich auf den Rückweg zu machen, als sie eine Gestalt erblickte und offenbar hatte er sie auch gesehen. Sie zog die Kapuze weiter ins Gesicht und ihre Haltung wurde achtsamer. Zügig huschte sie ums nächste Eck. Der verletzte Kopf dröhnte, doch der Sturm der in ihren Adern tobte half ihr sich davon nicht überwältigt zu werden. Sie trat ums Eck und fluchte innerlich als es unter ihren Füßen krachte und aus dem Loch unter der zerbrochenen Steinplatte Ratten hervorströmten die sich zum einen in ihrem Fuß verbissen, zum andren auch einen schrecklichen Lärm erzeugten.

Aber wie es so oft war entpuppten sich die Dinge als anders als erwartet. Die dunkle Gestalt hatte sie keine Stunde zuvor bereits gesehen und der kalt-zornige Blick den er ihr über Morkanders Schulter hinweg zugeworfen hatte, hatte im Grunde nicht ihr gegolten sondern einfach einer allgemeinen verbitterten Sichtweise auf sich, auf die Welt. Der Blick entsprang seinem Leben und seinen Erfahrungen und seiner Sicht auf die Welt. Entgegen der ursprünglich vermuteten Abneigung war sie nach dem Gespräch mit ihm, hingegen eher im Zweifel ob Kyron überhaupt in der Lage war eine persönliche Abneigung gegen jemanden zu hegen. Vielmehr schien seine generelle Abneigung gegen die Menschen und die Welt als solches, eher sachlicher Natur zu sein. Vielleicht, aber auch nur vielleicht hatte er einfach nur eine eingefrorene Mimik.
So oder so schaffte sie unbehelligt aus dem Dunkel zu entlfiehen.
Doch nach wie vor trieb sie der wie Sturm in ihrem Körper umhertobende Zorn dazu, weiterzuwandern. Sie streunte durch den Wald, kaum beachtet von den im Dunkel der Nacht herauskommenden Wildtiere, die Anabella wiederrum genau so sehr ignorierte. Wärenddessen führten ihre Schritte sie mehr unwillkürlich Richtung Ravinsthaler Grenze.

An dem Abend als sie verletzt daheim gelegen war und Welf nachts bei ihr war, war ihr klar dass er niemals je wirklich Partei für sie ergreifen würde. Nicht gegen seine Familie. Und auf die Veltenbruchs war sie täglich schlechter zu sprechen. Theresias Abneigung konnte sie ja noch verstehen. Sie bemühte sich ihr gegenüber zumindest anständig zu sein und hatte einen gewissen Grund wegen der Zunftgeschichte. Janusch hatte sie seid Wochen nicht gesehen, aber allein der Gedanke an Viktor, Albert und Konrad, löste in ihr gerade tiefe Wut aus. Dass Konrad Mitglied der Sonnenlegion war, hatte sie irgendwie nie begriffen.
Und wieder schmerzen ihre Arme als zuckten Blitze hindurch, war ihr flau im Magen als tobe dort ein Sturm. Funkelten ihre Augen wütend wie ein Wetterleuchten… Warum bei den Göttern hatte niemand sie zur Rechenschaft gezogen?! Sie wusste ja dass die Diener der Kirche Mithras nicht gut auf sie zu sprechen waren. Auch wenn bisher niemand in der Lage gewesen war ihr einen guten Grund zu liefern. Sie wusste dass sie auf sie herabblickten und eine tiefe Abneigung gegen sie hegten. Aber bisher hatten sie sich nicht als übermäßig dumm erwiesen. Vielleicht etwas eingeschränkt im Blickwinkel, aber nicht dumm. Aber einen ihrer Schreine anzugreifen, so unverhohlen und dumm-dreist… genau das war das Problem. Es war so dumm, so sinnlos. Wieso sollte jemand so etwas unfassbar Dummes tun? Hatte sie deren Intellekt so sehr überschätzt? So etwas müsste unweigerlich zu einem Krieg führen. Aber diesen zu provozieren würde einfacher gehen. Und warum sie es einfach so hinnahmen war ihr auch nicht klar. Aber unabhängig davon, dass dieses dreiste Verhalten nach Rache schrie, wollte sie Antworten. Sie wollte sie verstehen, sie wollte daran glauben dass es nur ein Missverständnis sein konnte. Sie wollte nicht so zornig sein. Doch immer mehr fiel es ihr schwer. Sie musste diese Antworten haben auf diese drängenden Fragen. Mit Welf war nicht zu sprechen über dieses Thema und zudem zweifelte sie doch sehr daran dass er Antworten darauf hätte. Also musste sie die zur Rede stellen die dafür verantwortlich waren. Aber sie konnte nicht einfach hingehen und sie zur Rede stellen. Oder doch?

Lehrmeister, Liebeleien und gezähmte Füchse



Askir hatte sich Hals über Kopf in eine Beziehung mit Arys gestürzt. Sie wünschte den beiden so großes Glück. Sie hatte gesehen wie Askir gelächelt hatte als sie sich kennenlernten. Sie war dabei. Aber am Ende fand sie dass es etwas zu schnell ging. Askir schien in der Hinsicht etwas wankelmütig und Arys hatte vor kurzem noch von der großen Liebe mit ihren früheren Freund geträumt. Aber beide waren gute Seelen und verdienten alles Glück das sie bekommen konnten. Sie musste die zwei unbedingt einmal zusammen sehen. Denn Arys so gezähmt, einmal still haltend. Das konnte sie sich nicht vorstellen.



Der Tag war noch drunter und drüber gegangen. Es waren wieder Leute entführt worden von den Briganten. Ana hatte die Gespräche belauscht und ihr… Lehrmeister… hatte sie abkommandiert mit dem Bogen erste Erfahrungen in Schlachten zu sammeln. Mehr als die Hitze der Schlacht, hatte sie die Tatsache beunruhigt ob sie erkannt werden würde. Vielleicht war es gut, weil es sie abgelenkt hatte. Sie hatte keinen Gedanken daran verschwindet sterben zu können oder verletzt zu werden oder entführt.
Erst als sie Aryn später blutüberströmt am Weg liegen sah, kamen solche Gedanken auf, da war die Schlacht aber schon vorbei. Die Geiseln hatten überlegt und sie hatten niemand verloren.
Sie war so erleichtert als sie später im Heilerhaus gewiss sein konnte das Aryn überleben würde. Shania hatte sie nicht erkannt und auch sonst niemand. Na ja.. fast niemand. Ceres und Mandras hatten ihre Verkleidung durchschaut. Morkander hatte sie später gebeichtet. Er hatte wohl ihre Beweggrunde für den Unterricht verstanden, aber glücklich schien er nicht. Seine Meinung über die Grauwölfe war nicht die Beste und sie konnte es irgendwo verstehen. Auch ihre Sorge kund zu tun was die Gegenleistung für den Unterricht sein würde, lies ihn doch sehr misstrauisch reagieren, und auch ihr macht es etwas Sorge. Aber eine Lösung würde es immer geben. Sie ahnte dass er einen Gefallen fordern würde, Und so gerne sie ihm einen zu tun bereit war, so wenig war sie bereit ihm jemals einen zu schulden.
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#9
Wenn der Weg viel zu weit ist - und ich das Ziel nicht seh...
Wenn der Tag viel zu lang ist - und ich die Nacht kaum übersteh
Und wenn die - dieselben Mauern wieder mal den Blick versperr'n

Dann breit ich meine Flügel aus und flieg

Wach endlich auf - anstatt vor Dich hinzuträumen
solltest Du lieber mal auf dem Boden bleiben
Sagst Du - Doch ich hör gar nicht zu

Hast Du jemals gelächelt - bis Du weinen musstest?
Hast Du niemals gespürt - Dass endlich alle Angst vorüber ist?
Wolltest Du niemals was sagen
Und Dir haben vor lauter Glück die Worte gefehlt?
Dann breite endlich Deine Flügel aus und flieg!

Ach, hör doch auf - mir geht's gut - ja sicherlich
hatte auch ich mal Träume, doch die erfüll'n sich nicht
Sagst Du - Hör Dir doch einmal nicht zu!

Denn natürlich kannst Du fliegen
Du musst es einfach nur probier'n
Oder nicht
Aber ich will jetzt los
Ich wär wohl gerne noch geblieben
Aber der Himmel ist so groß
Und ich hab noch soviel nicht geseh'n....

Ich hab noch soviel nicht geseh'n...

JA, NATÜRLICH KANN ICH FLIEGEN...
Und wenn Du willst, dann komm doch mit
Oder nicht
Aber ich muss jetzt los
Ich wär wohl gerne noch geblieben
Aber der Himmel ist so groß
Und ich - ich hab noch so viel nicht gesehen...

(Anjaka - Natürlich kann ich fliegen)



Es war seltsam, schwerelos. War es einfach die Verliebtheit, die man ihr auch so sehr ansah? War es einfach nur der Tatsache geschuldet, dass sie jemand an ihrer Seite wusste der sie so unfassbar glücklich machte? Unzweifelhaft war ein großer Teil ihres Glücks ihm zuzuschreiben. Seine warmherzige Art, die unbedingte hingebungsvolle Liebe die er ihr entgegenbrachte, die Tatsache dass er sie nie auslachte für ihre Gedanken, Äußerungen und Ängste, aber dennoch so viel Lachen in ihr Leben brachte.

All das war sicherlich nicht unerheblich beteiligt daran dass sie sogar äußerlich sichtbar strahlte wie ein Stern am nächtlichen Himmel über Amrahn. In seinen Armen hatte sie von Anfang an die Ruhe gefunden nach der sie sich so sehnte. Sie fühlte sich sicher und geborgen und so unendlich geliebt und beschützt.

Aber etwas in ihr ahnte dass es nicht nur daran lag. Es schien als wäre etwas geschehen was sie selbst nicht greifen konnte. Als wäre ein Fingerzeig direkt vor ihrer Nase und es würde ihr nur nicht gelingen ihn festzuhalten. Als würde etwas direkt immer am Rande ihres Sichtfelds lauern, nur darauf dass sie es endlich entdeckte. Doch seltsamerweise beunruhigte es sie nicht. Sie wusste was es war. Es handelte sich um eine Erkenntnis. Einen Fingerzeig der Götter dem sie zu irgendeinem Zeitpunkt begegnen würde wenn der Moment gekommen war.
Und so lange genoss sie einfach das tröstliche Gefühl begleitet zu sein.

So oder so war sie gelassener geworden. Sie hatte so viele Ängste einfach hinter sich lassen können. Ihr Leben schien gefühlt ruhiger zu verlaufen. Auch wenn das natürlich ausgemachter Humbug war. Denn eigentlich hatten die momentanen Begebenheiten es erst richtig durcheinander gewirbelt. So viele Geheimnisse. So viele Möglichkeiten und so viele Pfade. Und noch vor 3 Monden hätte sie nicht einmal im Traum daran gedacht dass ein einziger davon einer sein könnte den sie beschreiten würde. Der Pfad der Schneiderin hatte zum Pfad der Fassadenkletterin geführt. An der Stelle hatte sie einen kleinen Graben übersprungen und war auf einem Weg gelandet der durch immer verzweigtere und verwunschen wirkendere und dunklere Pfade quer durch undurchsichtige Wälder und dann wieder schmale städtische Gassen führte. Und keiner dieser Wege schaffte es sie fürchten zu machen. Natürlich hatte sie manchmal Angst oder Sorge. Aber es war als würden diese nur an der Oberfläche, nur an ihrem Verstand kratzen. Als könnte keines dieser Gefühle bis zu ihrer Seele durchdringen. Als würde diese in einem klaren tiefen See, vor allem Ungemach verborgen sein. Sie fühlte sich als würde sie fliegen, treiben, schwimmen, schweben. Sie sah immerzu neue Wege auf sich zukommen. Sah wie ein Pfad zum andren führte. Sie konnte nicht erkennen welche Pfade sie in der Ferne sah. Aber sie sah unglaubliche Abenteuer auf sich zukommen. Sie sah Geschichten. Sie sah ein Lagerfeuer und hörte Melodien von Menschen die dort sangen.

Und wärend sie so auf der Wiese lag und diesen ihren Tagträumen nachhing und diese Gedanken und Emotionen auf sie einströmten überlegte sie ob es ein winziger Fingerzeig war welchen Wegen sie folgen würde.
Sie würde fragen müssen. Vielleicht hatte er eine Idee was es zu bedeuten hatte.
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#10
It's better to feel pain, than nothing at all!

(The Lumineers, Album: Stubborm Love)

Sie hatte schlecht geträumt. Das erste Mal seid langem. Zuerst waren da wieder die Wege. Sie ging diese unbeirrt. Dann wurde der Weg verwucherter und auch dies machte ihr noch keine Sorge. Irgendwann war der Weg nicht mehr zu sehen, aber sie ging weiter, einfach geradeaus. Fest überzeugt den Weg bald wieder erkennen zu können. Doch der Wald wurde dichter und dichter und dunkler und dunkler und es war als ob so viele Dinge von außen auf sie eindrangen und sie umschlossen und sie zu erdrücken versuchte, dass es ihr immer schwerer fiel sich zu rühren und weiterzugehen. Im Dunkel der Äste hörte sie Worte die sie nicht fassen konnte, spürte Dinge die keinen Namen hatte, aber sie wusste dass er Erwartungen waren und Pflichten und Loyalitäten und dass all dies so schwer zu fassen war und sie zu erdrücken drohte. Sie versuchte sich freizustrampeln aber es gelang ihr nicht. Das Licht schwand und das Atmen fiel ihr schwer. Es wurde immer dunkler und immer enger um sich. Dann schwanden ihr die Sinne.
Als sie erwachte und das Licht zurückkehrte sah sie grauen Nebel und Morkander vor sich. Er schien etwas zu leuchten und sie war erleichtert. Sich wohl bewusst noch zu träumen schien es aber wenigstens einen Lichtblick in diesem Alptraum zu geben. Doch als sie die Hände nach ihm ausstreckte konnte sie ihn nicht erreichen. Er schien immer kurz außer Reichweite, sie rief nach ihm, doch kein Ton kam von ihren Lippen. Nach einer gefühlten Ewigkeit wandte er den Blick zu ihr, kurz dachte sie etwas Trauer oder Enttäuschung darin zu sehen, doch dann merkte sie dass da nicht einmal erkennen war. Er wirkte traurig und allein aber nichts, aber auch garnichts in seinem Blick war vertraut. Sie war eine gänzlich Fremde für ihn. Und mit jedem Moment in dem sie diesem leeren unverständigen und dennoch tief traurigen Blick stand hielt, schien ein Stück Erinnerung auch ihr verloren zu gehen. Sie wusste noch dass sie sich einmal sehr nahe gestanden hatten, ein vages Gefühl verriet ihr dass etwas an ihm sie einmal sehr glücklich gemacht hatte. Sie war sich bewusst dass sie positives und tiefe Gefühle mit ihm verbinden müsste, aber sie tat es nicht. Sie sah das selbe Vergessen in seinen Augen. Sie spürte wie Tränen aufstiegen ob dieses Verlustes den sie nicht einmal verstand, aber schon auf dem Weg den Hals durch die Augen und über die Wangen hinaus, gingen diese verloren… Als wären diese als letzte Aufwallung einer Erinnerung was es hies zu empfinden, einfach ebenso vergessen worden.

Es blieb nur tiefe Leere, tiefe Einsamkeit zurück, sein Bild verblasste und mit ihm das Licht. Es war dunkel und kalt und innerlich und äußerlich leer. Sie versuchte sich zu bewegen aber sie spürte nichts. Kein Lufthauch, kein Boden, keine Hitze, keine Kälte, nichts. Sie befand sich im Luftleeren Raum. Nichts zu sehen, nichts zu hören, nichts zu riechen, nichts zu spüren. Abgeschnitten von allen Sinnen. Sie versuchte sie zu bewegen, aber sie war sich nicht sicher ob sie es tat. Sie konnte es nicht überprüfen. Denn sie sah nichts, sie spürte es nicht sie hörte nicht. Es war als wäre sie nicht vorhanden. Es war als wäre sie nicht.
Sie wusste nicht wie lange sie so durchs Nichts trieb. Sie hatte jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren und auch für sich selbst. Es stieg Panik auf, doch sie empfand sie nicht, Es steckten Tränen in ihrem Hals die sie nicht weinte, es war Angst, doch es war zu leer um sich zu fürchten.
Aber all dies was in ihrem Hals feststeckte lies sie nochmals aufwachen. Die Verzweiflung wurde mehr und mehr und drohte sie von innen heraus zu zerreißen.

Und dann setzte sie sich auf. Ruckartig!
Als sie in der selben ruckartigen Geste die Augen aufriss in der realen Welt lag ihr Körper immer noch im Zelt auf der Liege. Der Blick fiel auf den schlafenden Twyllo ihr gegenüber auf dessen Schulter der Rabe auf und ab tapste und an seinen Haaren zupfte. Morkanders Arme lagen um ihr. Etwas zu fest vielleicht in dem Moment und sein Atem war an ihrem Hals zu spüren. Es war viel zu warm im Zelt durch die darauf scheinende Sonne, doch ihr war kalt. Ihr Körper war voll Gänsehaut und sie drängte sich nicht etwas enger an ihn und fragte sich wie viel Uhr es wohl sein mochte. Sonst war er sehr zu ihrem Leidwesen immer schon weg wenn sie wach wurde und er hinterlies ihr nur einen gelangweilten Raben und einen schnarchenden Bruder.
In diesem Moment aber war sie für all das zutiefst dankbar. Sein etwas atemraubender Griff, die Hitze, das Frösteln, die stickige Luft, der Schmerz ihres eingeschlafenen Arms und der zu trockene Mund, all das war wunderbar in dem Augenblick, denn sie konnte empfinden. Sie spürte sich selbst und sie spürte ihn. Sie wusste sie hatten sich nicht vergessen und sie war nicht allein. Die Sorgen die sie sich machte schob sie einen Augenblick erfolgreich nochmal von sich. Sorgen um Geld und darum von andren abhängig zu sein, Sorgen all die Rollen die sie ausfüllen musste Tag für Tag, die Lehrmeisterin, die Schneiderin, die Freundin, die Gefährtin, die Schülerin, die Spionin, die Angestellte… diesen Rollen nicht zu genügen, Sorgen vor ihrer Anklage, Sorge um Lena und diese Wut über Ceras all das… lag ihr auf der Seele. Sie vermisste ihre Familie und langsam wurde ihr alles zu viel. Sie wollte das nicht mehr. Sie wollte einfach nur einen Platz, eine Aufgabe, ein Zuhause. Ihr wurde schmerzlich bewusst dass sie so viel gewonnen hatte aber dennoch nur trieb. Wenn er fort wäre, würde sie nicht mehr die Kraft haben all diese offenen und begonnenen Stränge jemals zu ordnen. Ohne ihn wäre alles schrecklich leer und sinnlos. Und das jagte ihr eine Heidenangst ein. Sie musste einige der Verpflichtungen und Loyalitäten über Bord werfen und sich etwas geordnetes aufbauen. Nur was? Und wie? Und mit wem sollte sie nur darüber reden? Sie hatte das Gefühl dass niemand es verstehen würde. Alle waren zu beschäftigt mit ihren eigenen Problemen und das zurecht. Er würde hingegen es nur wieder wegwischen und ihr sagen dass alles gut würde und die Probleme nur halb so klein wären. Und er hatte ja recht damit. Aber für sie war es ein Problem, denn es war entscheidender Bestandteil ihres Wohlbefindens.
Vielleicht würde sie es nochmal versuchen in Worte zu fassen. Oder aufzuschreiben. Ja aufschreiben war gut!
Aber vorerst schmiegte sie sich wieder unter die Decke an seinen nackten Körper der noch immer verschwitzt war von der letzten Nacht und strich zart über die Schramme an seinem Arm die sie dort hinterlassen hatte. Diese und möglicherweise auch noch ein paar andre Kratzer und Biss- oder sonstige Spuren. Er hatte sie so lange gereizt bis sie ihre Leidenschaft nicht mehr hatte zügeln können und all die Gefühle die sich die letzten Tag aufgestaut hatte, all dieser Frust und Zorn und Stress, sich Bahn gebrochen hatten. Sie hatte ihn gewarnt dass zu viel Wut in ihr war. Aber vermutlich war das nur halb so schlimm gewesen. Denn obwohl er diese Seite von ihr noch nicht kannte, würde es sie sehr überraschen wenn er nicht auch dies schon in ihr gesehen hatte.

Aber Wut war nur zu berechtigt, wenn der den du als Bruder gesehen und immer beschützt hattest, dir ins Gesicht sagte dass er nicht bereit war etwas für dich zu tun, dass du nicht wichtig warst und er zwar für dich hoffte und betete aber es am Ende nicht sein Problem wäre. Sie war so bitte enttäuscht von ihm. Dass er nicht bereit war zu töten, fand sie zwar unglaublich aber war sie bereit so hinzunehmen, auch wenn sie es heuchlerisch fand, aber dass er ansonst nichts dazu zu sagen hatte als dass es ihn nichts anging und nicht mal versuchte mit ihr gemeinsam sich etwas auszudenken, das hatte sie sehr verletzt. Seine Worte klangen noch leise nach in ihrem Ohr als sie wieder einschlief, diesmal in einen tiefen traumlosen Schlummer „es ging mir von Anfang an nur um eins“…. Und dies… dies waren nicht sie gewesen wie sich nun zeigte.
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