Mode ist (k)eine Zier: Der Schärpengürtel
#3
Es erinnerte schon ein wenig an früher, als sie noch in Löwenstein lebte. Auch damals arbeitete sie bevorzugt nachts um den alltäglichen Störgeräuschen der Stadt zu entgehen. Heute geschah es nicht mehr ganz aus den gleichen Gründen, wenn auch ähnlichen. Owen hatte Feierabend und lag gewiss schon im Bett. Dabei hatte er auch endlich seinen missbilligenden Blick mitgenommen. Bei den Göttern, manchmal könnte man meinen, dass ihm das Geschäft gehöre. Die Zwillinge schliefen ebenfalls oben in ihrem Bettchen, genau wie die Amme, die heute bei Ihnen wachte. Normalerweise hätte sie jene mit nach unten genommen und in die hölzerne Wiege gelegt, doch die Arbeit heute war durchaus nicht leise und hätte nur ihre Ruhe gestört.

Vor ihr auf dem Tisch lagen etliche Schritt Eisendraht und eine eckige Blechscheibe. Daneben stand eine flache Kohlepfanne, die gefüllt war mit glühenden Kohlen aus dem Kachelofen und auch eine ältere, abgewetzte Schüssel mit Wasser. Mit dem Seitenschneider knipste sie einige unterschiedliche Stücke des Drahtes ab und reihte sie sorgsam nebeneinander auf. Der Regen, der über Nacht eingesetzt hatte, prasselte an die Fenster, getrieben von Windböen und untermalte das konzentrierte Arbeiten mit beruhigenden Geräuschen. Nach und nach nahm sie die verschiedenen Drahtstücke mit zwei feineren Zangen auf und hielt sie in die glühenden Kohlen. Sobald er weicher wurde und nachgab, begann sie jene zu biegen und zu formen, bis sie ihren Wünschen entsprachen und versenkte sie mit einem leisen Zischen in der Wasserschale. Erst als alle im Wasser auskühlten, erlaubte sie sich eine kleine Pause und genehmigte sich eine Tasse Kräutertee.

Sodenn tauschte sie die Kohlen in der Pfanne gegen neuere, heißere aus und setzt sich wieder an den Tisch. Sie trocknete die geformten Drähte und klemmt sie wieder zwischen die Backen der Zange um sie erneut zu erhitzen. Diesmal jedoch nur stark genug um zwei miteinander zu verschmelzen und sie so zu einem kunstvollen, filigranen und runden Konstrukt zusammen zu setzen. Wieder liess sie die kunstvolle Scheibe auskühlen nur um sie danach erst grob zu schleifen, erneut anzufeuchten und feiner zu schleifen, bis keine störrische, scharfe kante mehr überstand. Zufrieden betrachtete sie dann das Stück. Doch noch war es nur Zierde, seiner eigentlichen Aufgabe noch beraubt. Also legte sie es zur Seite und nahm sich die eckige Scheibe vor.

Diese wurde nur kurz erwärmt, ehe sie sich mit einem kleinen Meißel und einem Hammer darüber hermachte, um auf der oberen Seite ein Stück in der Form eines D‘s heraus zu stemmen und genauso auf der unteren Seite, nur in gespiegelter Form, sodass die beiden Öffnungen nur noch von einem schmalen Steg getrennt waren. Auch hier wurde das Metall sorgfältig erst grob geschliffen um die Ecken abzurunden, im klaren Wasser abgespült und noch einmal fein getrimmt um es weicher und vor allem glänzender wirken zu lassen.

Abgetrocknet, erwärmte sie wieder beide Metallstücke und fügte jene über den heißen Kohlen, mittels eines kurzen Verbindungsstück zusammen.

Im Licht der Fackeln und Kerzen betrachtete sie ihr Werk und lächelte. Genau so, hatte sie sich eine Schnalle für den Gürtel vorgestellt. Sorgsam verräumte sie die Arbeitsmaterialien, warf die Kohlen zurück ins Feuer und verstaute den Entwurf bei dem Rest des Gürtels in der Schublade.


[Bild: jr2o-5f-b8e6.png]
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RE: Mode ist (k)eine Zier: Der Schärpengürtel - von Carmelina Tartsonis - 21.11.2016, 16:08



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