[Artikel] Kuscheln - bis einer weint.
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Hier würde ich gerne einige Artikel vorstellen, die meiner Meinung nach gewisse Grundproblematiken auf einem Rp-Shard aufgreift, sich damit auseinander setzt und teilweise löst. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass diese Artikel nicht von mir sind. Diese Artikel sollen keine Kritik sein!
Die Quelle ist http://www.rollenspielelite.de


Vorwort

In der ach so realen Welt bekommen (die meisten) in der einen oder anderen Form beigebracht, dass Gewalt böse ist und man erst einmal anderen Menschen mit Freundlichkeit gegenübertreten sollte. Eine erzieherische Methode, die ja durchaus zu befürworten ist, auch wenn man damit ziemlich auf die Nase fallen kann. Beim Spielen eines Charakters in einem Rollenspiel kann die absolute Verherrlichung dieser Einstellung mit einhergehender Verdammung einer anderen Denkweise durchaus sehr schnell zum Todesurteil für die Atmosphäre und Folgerichtigkeit der Welt werden.

Polarisiertes Denken

Trotz aller Verbindungen und Parallelen, die man zwischen erdachten Systemen und unserer Wirklichkeit ziehen kann, sind diese beiden Dinge auf keinen Fall gleichzusetzen. Ein Ablegen dieses Denkmusters kann sogar unbedingt notwendig sein. Den Grund möchte ich gerne darlegen.

Ein Rollenspiel, wie ich es hier in bester Tradition von Systemen wie “Dungeons & Dragons” oder “Das Schwarze Auge” verstanden wissen will, lebt unter anderem auch davon, dass es in dem jeweiligen System frapierende Unterschiede in Denkmustern und Lebensauffassungen der agierenden Parteien gibt und diese (teils) in jedem Fall unvereinbar miteinander sind.

Es sind gewisse Polaritäten vorhanden, ob nun im großen Maßstab (Gut gegen Böse) oder eher im Mikrokosmos (die unterdrückte Frau gegen die herrschende Männerkaste). Dazu gehört in der Regel auch, dass zumindest die elementaren Gegensätze über kurz oder lang nicht nur auf einer diplomatischen Ebene ausgetragen werden (können), sondern es früher oder später zu aggressiven Handlungen zwischen den Beteiligten kommt. Wenn Charaktere aufeinander treffen, deren Auffassungen grundverschieden sind, also wenn keine gemeinsame Basis existiert, ist es normal, üblich und förderlich, wenn daraus ein Konflikt entsteht. Um es einmal in ein praktisches Beispiel zu kleiden: Im von Tolkien geschaffenen Universum ist es ein Ding der Unmöglichkeit, dass sich im dritten Zeitalter Sauron mit seinen Widersachern an einen Tisch setzt und einfach darüber redet, wie man die Sache mit der Weltherrschaft so regeln könnte, um alle Parteien zu befriedigen. Ein derartiges Gespräch ist keinesfalls möglich, so stark sind die Differenzen zwischen den Beteiligten. Hätte ein solches stattgefunden, womöglich auch noch mit einem positiven Ergebnis, dann wäre besagtes Buch wohl nicht so bekannt und das Universum wohl weniger beliebt oder in sich stimmig.

Diese Konflikte müssen nicht immer so grundlegend sein, schließlich haben wir während unser Existenz auch immer wieder Streitgespräche und Diskussionen, ohne gleich daran zu denken, den anderen in handliche Stückchen zu zerlegen.

Ich möchte aber betont wissen: Es kann in einer Rollenspielwelt zwischen Charakteren durchaus so konträre Meinungen geben, dass eine friedliche und waffenlose Lösung oder gar eine förderliche Diskussion darüber nicht möglich ist und das dies zu leugnen bedeutet, das Rollenspiel an sich zu verleugnen.

Vom Feind aller Aufrechten

Grundverschiedene oder miteinander konkurrierender Auffassungen findet man in den Konzepten der meisten Welten wieder und wenn nicht da, so doch in den Regelwerken und Grundsatzpapieren der Gilden. Da gibt es die “Guten”: Elfen, Paladine, rechtschaffenden königstreuen Menschen, Zwerge. Genauso stehen auf der anderen Seite die “Bösen”: Dunkelelfen, Mörder, Diebesbanden. Die Namen variieren nach Spielsystem und Server und sind auch nicht so wichtig, wie die Erkenntnis, dass dem Spieler in der Regel offensteht, sich für eine Gesinnung seines Charakters frei zu entscheiden.

Geboren, die Welt zu verändern, aber friedlich

Und die Spieler nehmen diese Freiheit wahr, entscheiden sich für mannigfaltige Ausprägungen bei ihren Charakteren - zumindest in der Theorie, praktisch kommen die wenigsten über Stereotypen hinaus - und sind sich nicht zu schade, ihre Gesinnung bis auf das Äußerste gegenüber unschuldigen Nicht-Spieler-Charakteren (kurz: NSC) auszuleben. “Für das Licht!”, “Bei der Macht von Greyskull!”, “Im Namen des dunklen Prinzen!” und was da noch so alles gerufen oder in tiefsinnigen Diskussionen am Stammtisch beschlossen wird. Groß aber das Geschrei und die Lust an der Diskussion, wenn man dann dem tatsächlichen Übel, der von Spielern repräsentierten anderen Seite, gegenübersteht.

Das ist UN-RP!

Schnell ist man da mit Worten, die den tatsächlichen waffenstarrenden Konflikt zu einer Unart des Rollenspiels herabwürdigen und zu etwas erklären, das auf keinen Fall mit Epik, “gutem RP” oder tiefem Charakterspiel vereinbar, sondern nur Ausdruck der Machtgeilheit und der “Tötungswut” des Spielers dahinter ist. So absolut der Anspruch dieser Menschen ist, ihre Auffassung von der Angelegenheit sei die einzig Wahre, die ja jeder tief in sich trägt (Und belüge dich da nicht, lieber Leser!), so fraglich ist ihre damit einhergehende Rollenwahl.

Wer weiß schon die Antwort, warum jemand einen Charakter spielt, der sich nicht zu schade ist, gegen NSCs in den Krieg zu ziehen, aber davor zurückschreckt ebenso konsequent mit Spielergesteuerten zu agieren? Wer kennt die Logik hinter der Wahl eines Kriegers, Kampfmagiers oder Ritters, der dann ganz rollengerecht nicht dem Kampf gegen Spielercharaktere nicht frönen will?

Waffenfreunde

Selbst wenn man sich einen Charakter auswählt, der eher selten in Konfliktsituationen kommt, so hat man die Regeln der Spielumgebung zu akzeptieren, schließlich hat man sie durch das Betreten des Servers automatisch anerkannt und selbst bei Unbehagen eher weniger das Recht, sich darüber zu beschweren. Besonders nicht, wenn sich vornehmlich dann beschwert wird, wenn die eigene Partei nicht den Sieg davon getragen hat. So intelligent und konsequent sollte man sein, nicht für sich selbst Sonderbehandlungen zu erwarten, die man selbst anderen gegenüber nicht bereit ist zu erteilen.

Das bedeutet, das in einer Welt, die Konfliktparteien einschließt und in der entsprechende Rahmenbedingungen von der Spielleitung geschaffen werden, niemand - wirklich niemand! - das Recht hat, sich über das Vorkommen von Konflikten zu beschweren. Man muss sogar noch weiter gehen: In einer solchen Umgebung muss jeder, der einen entsprechend gesinnten Charakter spielt, zu dem Konfliktpotenzial stehen, das zu vertreten er sich mit der Rollenwahl freiwillig ausgesucht hat.

Natürlich kann es beim tatsächlichen praktischen Ablauf derartiger Situationen durchaus zu Schwierigkeiten kommen und unterschiedliche Auffassungen davon geben, was akzeptabel, gut, fair und sonst noch alles ist. Für solche Fälle kann man aber immer noch den vernünftigen Dialog miteinander suchen oder sich der bestenfalls neutralen Spielleitung als Vermittler bzw. Regelgeber bedienen.

Wer aber generell verkündet, er “habe auf so etwas eben keine Lust”, der soll sich eine neue Heimat erobern oder nach Strategien suchen (die es unweigerlich gibt), die weder eine Rollenbeugung darstellen, noch gegen die Regeln verstossen und trotzdem nur ein Minimum an “bewaffneten” Konflikten aufkommen lassen, ja vielleicht sogar gar keinen.

Schmusekatzen

Es gibt aber nicht nur jene Spieler, die keine Lust haben, Konflikte auf Grundlage der hinter jedem Spiel stehenden Technik auszutragen - was ja oft genug durchaus verständlich sein mag. Es treibt sich überall, manchmal versteckt, manchmal offensichtlich, eine Gattung von Schmusekatzen herum, die noch viel schrecklicher ist.

Verneint der eine den bewaffneten Konflikt mit Spielergesteuerten als etwas, das der Tiefe eines Rollenspiels nicht gerecht wird oder aus anderen Gründen, kann die Schmusekatze keiner Art von Konflikt auch nur irgendetwas abgewinnen und belästigt mit einer penetranten Freundlichkeit, die einen speien lassen möchte.

Dieser Typ Spieler verleugnet durch seinen Charakter konsequent, dass es fundamentale Unterschiede, zum Beispiel zwischen den einzelnen Völkern, gibt. Schließlich sind ja alle Individuen (Ich nicht!) und wäre es ein Unding, jemanden nach seiner Herkunft zu beurteilen. Er überträgt mit Begeisterung Denkmuster aus der Realität auf die Spielwelt und glaubt dann auch noch, in die Welt eingetaucht zu sein und vergißt dabei, das man Wert- und Moralvorstellungen aus der Realität auf ein System anwendet, das für dererlei keine oder kaum Verwendung hat. Bemerkt nicht, wie versucht wird einen Avatar seiner selbst einzubinden, einen Server zu einer Art grafischem Chat und Zeitvertreib verkommen und nicht ein ernsthaftes Rollenspielprojekt sein zu lassen.

Ein Fazit, letztes Wort, Lösungsvorschlag

Wie klar geworden sein sollte, halte ich eine Grundhaltung wie die oben beschriebene in den meisten Fällen für grundsätzlich falsch und so gar nicht an den Vorgaben der meisten Server orientiert. Natürlich besteht auch meiner Meinung nach ein Rollenspiel aus mehr als nur Konflikten, allerdings sind sie ein Bestandteil, der nicht wegzudenken ist.

Die von manchen propagierte Anti-Haltung in dieser Beziehung stellt im Regelfall eine Form von Inkonsequenz dar. Inkonsequenz ist aber einer der am Häufigsten begangenen Fehler und einer der größten Faktoren, die für eine gestörte, wenn nicht gänzlich unpassende, Atmosphäre sorgen. Daher haben derartige Subjekte (ja, das kann man abwertend interpretieren) meines Erachtens nach wenig in der freien Wildbahn zu suchen und sollten in abgesteckte Käfige gesteckt werden, bei denen sie unter sich sind und der Allgemeinheit keinen Schaden zufügen oder gar die Jugend (= neue Spieler) verderben, die das einmal falsch gelernte auch noch als “richtig” auffassen könnten.

Die beste Lösung wäre es aber wohl, wenn - wer die Gegebenheiten einer Welt, eines Systems, einer Spielgemeinschaft nicht akzeptieren kann - sich selbst gänzlich daraus entfernt.
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Nachrichten in diesem Thema
[Artikel] Kuscheln - bis einer weint. - von Kaliban - 03.03.2010, 23:39
RE: [Artikel] Kuscheln - bis einer weint. - von Gast - 07.05.2010, 21:24



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