FSK-18 Träume
#3
Recht langsam schlurfte Elda in dieser Nacht durch die Stadt. Zu ihren Seiten die alten, von der feuchten Seeluft verrottenden, Gebäude des alten Hafens. Hier und da war ein Rascheln zu hören. Vermutlich eine der vielen, tierischen Bewohner des Viertels. Irgendwo hinter ihr sang ein Besoffener ein schweinisches Lied. Doch das nahm sie alles kaum wahr. Ein widerlicher, pulsierender Schmerz ging durch ihren Unterkiefer. Sie spuckte zur Seite aus, als sie den Hafen verließ. In der Dunkelheit war das rote Schimmern ihres Blutes nicht zu erkennen.

Anstatt die Stufen zu ihrer Wohnung hinauf zu gehen, betrat sie das totenstille Badehaus. In der hinteren Ecke glimmten noch die Reste des Feuers. Sie trat vor und zündete eine der Kerzen an. Das Licht spiegelte sich auf der Oberfläche der Badebecken.
Die Kerze in der rechten Hand ging sie zu einem der polierten Bleche an der Wand und stelle sich, tief seufzend, direkt davor. Elda hob die Kerze etwas an, sodass das flackernde Kerzenlicht ihr Gesicht beschien. Einen Moment schlossen sich ihre braunen Augen, einige Tränen wegblinzelnd. Als sie sie wieder öffneten, besah sich sich ihr lädiertes Gesicht. Ihre Unterlippe zitterte ob der tiefen Wunde und ihr Unterkiefer begann sich langsam bläulich zu färben. Ihre sonst strahlenden Augen waren rot unterlaufen, ihr Haar völlig durcheinander. Eine Weile stand sie schweigend da und starrte ihrem leicht verzerrtem Spiegelbild entgegen. Ihr wurde schwindelig und kotzübel, beinahe ließ sie die Kerze zu Boden fallen, fing sich jedoch schnell wieder. Vermutlich sollte sie einen Heiler suchen. Vermutlich... doch wollte sie sich nur noch in eine dunkle Ecke verkriechen und am liebsten nie wieder das Haus verlassen.

Also blies sie die Kerze aus und verließ das Badehaus. Sie schleppte sich die Treppen hinauf und fuhr jedesmal zusammen, wenn ihre linke Hand das Geländer umgriff und sich die Haut über ihre geprellten Fingerknöchel spannte. Als sie endlich in der Wohnung war, machte sie sich nicht die Mühe ein Licht zu entzünden. Auf dem Weg in ihre Schlafkammer streifte sie sich Kleidungsstück für Kleidungsstück ab und ließ sich schlussendlich, halbnackt auf ihre Felle sinken.

So plötzlich, dass sie sich schon fast erschreckte, wich jegliche Spannung aus ihrem Körper. Plötzlich war all der Zorn, die Wut... der Hass aus ihr gewichen. Sie fühlte sich taub, ausgelaugt, so unendlich Leer.
Ohne weitere Gedanken zu verschwenden, fiel sie in einen tiefen, unruhigen Schlaf.

Und plötzlich war sie wieder in dem dunklen Korridor der Taverne. Genau in dem Moment, der ihre ganze Welt zu erschüttern schien. Er hielt sie fest, gerade so. Er müsste den Griff nur etwas lockern und sie würde den Treppenaufgang herunterfallen. Es überfuhr sie wie eine riesige Welle der Erkenntnis. Er würde sie mit Leichtigkeit töten können. Er war stärker als sie, konnte sie einfach ausschalten. Er hatte keine Probleme damit sie zu schlagen. Hätte er sie fallen lassen? In all seinem Irrsinn... hätte er das fertig gebracht? Sie versuchte sich aus dem Griff zu winden, doch die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Dieser Moment hielt ewig an. Ihre Augen weit aufgerissen fixierten die seinen, doch schien der Mann ein Fremder. Sie ahnte, dass sie ihm nicht vertrauen konnte. Nun wusste sie es mit Sicherheit. Und trotz alldem wollte sie nichts sehnlicher, als bei ihm sein. Ihre Arme um ihn zu schlingen und seine starken Arme um ihren Körper zu spüren. Und genau dies geschah. Anders als an diesem Abend schlug sie ihn nicht, nein sie umarmte ihn, küsste ihn, presste sich so fest an seinen zitternden Körper, als wolle sie eins mit ihm werden.
Auf einmal war da bei all der Wärme, Geborgenheit und... Liebe, wieder der Schmerz in ihrem Gesicht, als sein Ellenbogen wuchtig gegen ihr Kinn donnerte und sie zu Boden ging.

Ein langer, schriller Schrei ging durch die Straße am Badehaus, als sie schweißgebadet aufwachte, das Gesicht tränennass. Es war kaum eine Stunde vergangen, der Mond schien immer noch in ihre kleine Kammer, direkt auf ihren zitternden nackten Körper.

So hatte sie noch nie gefühlt, und es war als würde ihr die Brust zerreissen, als sie sich endlich in ihren Tränen erging und bitterlich weinte...
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Träume - von Elda Abendroth - 14.06.2013, 12:22
RE: Träume - von Elda Abendroth - 24.06.2013, 12:20
RE: Träume - von Elda Abendroth - 10.07.2013, 12:31
RE: Träume - von Elda Abendroth - 12.07.2013, 13:24
RE: Träume - von Elda Abendroth - 14.07.2013, 14:27
Eldas Geburtstag - von Elda Abendroth - 15.07.2013, 13:15
RE: Träume - von Elda Abendroth - 16.07.2013, 12:34
RE: Träume - von Elda Abendroth - 18.07.2013, 14:51
RE: Träume - von Elda Abendroth - 21.07.2013, 13:22
RE: Träume - von Elda Abendroth - 22.07.2013, 16:41
RE: Träume - von Elda Abendroth - 27.07.2013, 15:17
RE: Träume - von Elda Abendroth - 31.07.2013, 18:24
RE: Träume - von Elda Abendroth - 01.08.2013, 16:55
RE: Träume - von Elda Abendroth - 06.08.2013, 14:56
RE: Träume - von Elda Abendroth - 08.08.2013, 18:07
RE: Träume - von Elda Abendroth - 10.08.2013, 15:08
RE: Träume - von Elda Abendroth - 12.08.2013, 15:16
RE: Träume - von Elda Abendroth - 16.08.2013, 13:50
RE: Träume - von Elda Abendroth - 19.08.2013, 11:15
RE: Träume - von Elda Abendroth - 19.08.2013, 17:27
RE: Träume - von Elda Abendroth - 22.08.2013, 10:32
RE: Träume - von Elda Abendroth - 29.08.2013, 10:29
RE: Träume - von Elda Abendroth - 03.09.2013, 16:37
RE: Träume - von Elda Abendroth - 19.09.2013, 14:11
RE: Träume - von Elda Abendroth - 07.11.2013, 00:44
RE: Träume - von Elda Abendroth - 10.05.2014, 13:04
RE: Träume - von Elda Abendroth - 28.06.2014, 15:56
RE: Träume - von Elda Abendroth - 08.12.2014, 19:20
RE: Träume - von Elda Abendroth - 04.07.2015, 15:23



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 2 Gast/Gäste