Arx Obscura

Normale Version: Träume
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Seiten: 1 2 3
Das matte Licht des Lagerfeuers, flimmerte durch die Lücken in den Zeltwänden. Orange und karmesinrot tanzten sie den festen Stoff entlang. Wie feurige kleine Tänzer drangen sie hinein. Sie tanzten wie Liebende zum Branwenfest. Sie hüpften und sprangen die glatte Haut hinauf und hinab. Jeder Muskel mal mehr, mal weniger zu erkennen. Und ihr Blick war wie gefesselt.

Immer wieder schloss sie die Augen, und das selbe Bild tat sich auf. Das helle Haar völlig zerzaust vom hin und her drehen. Sie konnte nicht Schlafen. Musste dem Licht des Feuers zusehen, wie es in ihrem Kopf wieder und wieder über seinen Körper glitt.
An Schlaf war nicht zu denken...
An Denken war nicht zu denken!
Sie drohte stets, in seiner Gegenwart, jegliche Kontrolle zu verlieren. Noch hielt sie stand. Doch für wie lange? Wenn immer und immer wieder dieser Anblick in ihr Gedächtnis trat und alle vernünftigen Gedanken verdrängte. Wie sollte sie da ruhig bleiben? Wie konnte irgendeine Frau da ruhig bleiben?

Sie war noch so jung und sie hatte so viele Männer gehabt. Vielleicht zu viele Männer. Es ging dabei immer nur um das Geld, ums Überleben. Und nun nach all den verschwitzten, dreckigen lüsternen Säcken kam Er. Zu einem Zeitpunkt, an welchem sie sich von Männern fernhalten wollte. Sich verkriechen wollte. An einem Punkt, an dem sie niemanden mehr an sich heran lassen wollte. Und er stand einfach da, im flackernden Feuerschein, in ihrem Zelt, ohne Hemd und blickte sie an. Diese grünen Augen waren wie Waffen. Sie stachen und stachen und stachen und hörten einfach nicht auf. Und es tat weh. Ihr gesamtes Seien sträubte sich. Aber dieser Schmerz war so schön, so warm und so unendlich reizvoll.

Wie ein Igel, rollte sie sich auf ihrer Schlafmatte zusammen. Schlang die Arme fest um ihre Knie und ergab sich, nur für diese Nacht, dem wohlig warmen Gefühl in ihrem Bauch und dem Kribbeln im ganzen Körper, wenn sie an ihn dachte.

Nur für diese Nacht...
Ihre Träume in dieser Nacht waren seltsam. Sie waren intensiv wenn nicht sogar ekstatisch. War es dem Wein zu verdanken? Oder war es gar der Einfluss ihres Schutzgottes Branwen? Sie träumte von grünen Wiesen, tiefen Schatten unter vollen Bäumen. Sie träumte vom Feuer, vom Wein und von ihrer Heimat. Und mittendrin stand Er. Wieder... Sie spürte seine Berührungen, seine Küssen, seinen nackten Körper an ihrem. Sie wand sich im Schlaf hin und her, als er ihr im Traum so nahe war. Näher als jemals jemand anders bei ihr war. Er berührte ihren Busen und es fühlte sich an, als würde seine Hand, direkt durch ihre Haut, in sie hineingreifen. Als würden seine Finger ihr Herz umfassen. Sie drohte zu ersticken. Sie schrie auf. Doch spiegelte es nicht ihr entsetzen wieder. Es war ein lustvoller Schrei. Und dann war alles vorbei. Sie lag frierend, geschunden und alleine im Schatten, welcher plötzlich bedrohlich und einsam wirkte. "Finde den Weg zurück nach Hause..." wisperten ihr die dunklen Bäume zu und sie wurde aus dem Traum gerissen.

Sie hatte immer noch die Kleider vom Abend an. Ihr Haar war völlig zerzaust und ihr Mund fühlte sich an wie eine trockene Wüste. Verdammter Alkohol.
Der Morgen nach dem Fest des wallenden Blutes. Und sie fühlte sich völlig leer. Nur der Gedanke an das heiße Opferfeuer wärmte sie etwas. Sie fühlte sich als hätte sie etwas falsch gemacht. Hätte sie sich jagen lassen sollen? Vermutlich... Doch es hätte sich falsch angefühlt. Sie hatte das Branwenfest förmlich sausen lassen, wegen eines Mannes der nicht mal da war. Der auch jetzt nicht da war, wo sie sich so klein und ausgebrannt fühlte.
Carmelina meinte es sei das Ganze wert. Er sagt es sei das Ganze wert. Vielleicht war es wirklich so? Vielleicht musste sie es einfach wagen? Für ihn hatte sie das wichtigste Fest des Jahres, nur mit Not, überstanden, anstatt fröhlich zu feiern und sich dann mit irgendeinem besoffenen Kerl unter den Bäumen zu lieben.
Sie würde ihn zu den Göttern zurück führen müssen.
Wenn schon kein galatischer Mann....
Recht langsam schlurfte Elda in dieser Nacht durch die Stadt. Zu ihren Seiten die alten, von der feuchten Seeluft verrottenden, Gebäude des alten Hafens. Hier und da war ein Rascheln zu hören. Vermutlich eine der vielen, tierischen Bewohner des Viertels. Irgendwo hinter ihr sang ein Besoffener ein schweinisches Lied. Doch das nahm sie alles kaum wahr. Ein widerlicher, pulsierender Schmerz ging durch ihren Unterkiefer. Sie spuckte zur Seite aus, als sie den Hafen verließ. In der Dunkelheit war das rote Schimmern ihres Blutes nicht zu erkennen.

Anstatt die Stufen zu ihrer Wohnung hinauf zu gehen, betrat sie das totenstille Badehaus. In der hinteren Ecke glimmten noch die Reste des Feuers. Sie trat vor und zündete eine der Kerzen an. Das Licht spiegelte sich auf der Oberfläche der Badebecken.
Die Kerze in der rechten Hand ging sie zu einem der polierten Bleche an der Wand und stelle sich, tief seufzend, direkt davor. Elda hob die Kerze etwas an, sodass das flackernde Kerzenlicht ihr Gesicht beschien. Einen Moment schlossen sich ihre braunen Augen, einige Tränen wegblinzelnd. Als sie sie wieder öffneten, besah sich sich ihr lädiertes Gesicht. Ihre Unterlippe zitterte ob der tiefen Wunde und ihr Unterkiefer begann sich langsam bläulich zu färben. Ihre sonst strahlenden Augen waren rot unterlaufen, ihr Haar völlig durcheinander. Eine Weile stand sie schweigend da und starrte ihrem leicht verzerrtem Spiegelbild entgegen. Ihr wurde schwindelig und kotzübel, beinahe ließ sie die Kerze zu Boden fallen, fing sich jedoch schnell wieder. Vermutlich sollte sie einen Heiler suchen. Vermutlich... doch wollte sie sich nur noch in eine dunkle Ecke verkriechen und am liebsten nie wieder das Haus verlassen.

Also blies sie die Kerze aus und verließ das Badehaus. Sie schleppte sich die Treppen hinauf und fuhr jedesmal zusammen, wenn ihre linke Hand das Geländer umgriff und sich die Haut über ihre geprellten Fingerknöchel spannte. Als sie endlich in der Wohnung war, machte sie sich nicht die Mühe ein Licht zu entzünden. Auf dem Weg in ihre Schlafkammer streifte sie sich Kleidungsstück für Kleidungsstück ab und ließ sich schlussendlich, halbnackt auf ihre Felle sinken.

So plötzlich, dass sie sich schon fast erschreckte, wich jegliche Spannung aus ihrem Körper. Plötzlich war all der Zorn, die Wut... der Hass aus ihr gewichen. Sie fühlte sich taub, ausgelaugt, so unendlich Leer.
Ohne weitere Gedanken zu verschwenden, fiel sie in einen tiefen, unruhigen Schlaf.

Und plötzlich war sie wieder in dem dunklen Korridor der Taverne. Genau in dem Moment, der ihre ganze Welt zu erschüttern schien. Er hielt sie fest, gerade so. Er müsste den Griff nur etwas lockern und sie würde den Treppenaufgang herunterfallen. Es überfuhr sie wie eine riesige Welle der Erkenntnis. Er würde sie mit Leichtigkeit töten können. Er war stärker als sie, konnte sie einfach ausschalten. Er hatte keine Probleme damit sie zu schlagen. Hätte er sie fallen lassen? In all seinem Irrsinn... hätte er das fertig gebracht? Sie versuchte sich aus dem Griff zu winden, doch die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Dieser Moment hielt ewig an. Ihre Augen weit aufgerissen fixierten die seinen, doch schien der Mann ein Fremder. Sie ahnte, dass sie ihm nicht vertrauen konnte. Nun wusste sie es mit Sicherheit. Und trotz alldem wollte sie nichts sehnlicher, als bei ihm sein. Ihre Arme um ihn zu schlingen und seine starken Arme um ihren Körper zu spüren. Und genau dies geschah. Anders als an diesem Abend schlug sie ihn nicht, nein sie umarmte ihn, küsste ihn, presste sich so fest an seinen zitternden Körper, als wolle sie eins mit ihm werden.
Auf einmal war da bei all der Wärme, Geborgenheit und... Liebe, wieder der Schmerz in ihrem Gesicht, als sein Ellenbogen wuchtig gegen ihr Kinn donnerte und sie zu Boden ging.

Ein langer, schriller Schrei ging durch die Straße am Badehaus, als sie schweißgebadet aufwachte, das Gesicht tränennass. Es war kaum eine Stunde vergangen, der Mond schien immer noch in ihre kleine Kammer, direkt auf ihren zitternden nackten Körper.

So hatte sie noch nie gefühlt, und es war als würde ihr die Brust zerreissen, als sie sich endlich in ihren Tränen erging und bitterlich weinte...
Es war so dunkel im Hafenkontor, dass Eldas Augen sich einfach nicht an die Lichtverhältnisse gewöhnen wollten. Sie konnte einfach nichts sehen. Alles war schwarz. Sie hätte überall sein können, doch sagte ihr der Geruch von Salz, Urin und modrigem Holz, dass sie am alten Hafen war. Die Leiter, die sie mit zittrigen Händen erfühlte, bestätigte ihren Verdacht.
Es war totenstill um sie herum. Sie fühlte sich völlig verloren, in diesem Raum, der sich so unendlich riesig anfühlte. Sie tastete nach der Südwand der Hütte. Mit den dünnen Fingern herum suchend, spürte sie irgendwann die dicken Holzbohlen der Tür. Ihre Fingerspitzen glitten durch etwas feuchtes, klebriges. Sie hob die Hand vor ihr Gesicht und schnupperte vorsichtig daran. Es roch metallisch... Blut!

Das Licht ging plötzlich an und sie taumelte ein Stück, ob der plötzlichen visuellen Eindrücke, die sich um sie auftaten. Es war nicht taghell, doch der Mond schien silbern in den Raum. Es war immer noch recht duster, doch erkannte sie nun ihre Umgebung. Als das erste Flimmern aus ihrem Sichtfeld verschwand, ließ sie den Blick schweifen. Direkt neben ihr... stand dort? Das konnte nicht sein. Dort stand Elda.
Sie sah sich selbst an, musterte die klägliche Gestalt die sich so angstvoll in die Ecke drückte. Sie schritt vorsichtig einen Schritt näher zu sich selbst und linste in den Schatten der Kapuze. "Ich will dir nicht noch mehr wehtun." sagte diese Elda auf einmal und sie schrecke vor sich selbst zurück. Warte.... das kam ihr bekannt vor. Diese Elda dort, war Elda von gestern. Völlig verschreckt, drehte sie sich herum und tatsächlich stand Er dort. Seinen Schienenkragen in der Hand. In diesem Moment hob er die Hand in Richtung der Gestern-Elda und steifte ihr die Kapuze vom Kopf.
Nein! Lass sie in ruhe! Du machst es nur schlimmer! schrie sie ihm entgegen. Nein! Ich will das nicht nochmal! ich will das alles nicht nochmal hören!
Sie trat nun auf ihn zu und... durch ihn hindurch. Panisch sah sie zu ihrem Ebenbild, welches nur dastand und ihn einfach machen ließ was er wollte.
Wieso wehrst du dich nicht! Warum hab ich mich nicht gewehrt?!
Er strich ihr über die Wange und Elda sah nun den Schmerz, welchen sie gestern gespürt hat deutlich in ihr Gesicht geschrieben.
Sie hielt sich die Ohren zu und glitt auf den Boden nieder. Direkt vor Ihn, doch lag sein wunderschönes Gesicht im Schatten. Sie wollte so gern ihre Hand ausstrecken und ihn berühren, doch würde sie dann die Worte hören müssen. Nochmal... und nochmal... und immer wieder.
Sie sah hinauf zur Elda des vergangenen Abends, welche gerade tief Luft holte. Sie konnte nicht mehr anders, sie streckte die Arme zu einer berührungslosen Umarmung aus. Ihre Arme schlossen sich um seine sitzende Gestalt. Sprich nicht weiter... bitte... hauchte sie ihm zu, doch er schien sie nicht zu hören.
"Warum ist das so eskaliert Konstantin?", hörte sie sich selbst Fragen. Ssschh... bitte steh auf und geh einfach. lauf weg!
"ich hab die Kontrolle verloren... " begann er zu sprechen und Elda schrie. Ein einzelner, markerschütternder Schrei, der weitere Worte von ihm verschluckte.
"Ich dachte du bringst mich um." kamen schluchzende Worte an ihr Ohr, als der verzweifelte Schrei verklungen war. Ich will nicht mehr... ich kann nicht mehr...
Plötzlich war sein Blick auf sie gerichtet, jedes Detail seines Gesichtes konnte sie erkennen. Er sah Sie an! Nicht die Gestern-Elda. Etwas stimmte nicht. Das war falsch. Ganz, ganz falsch. Dann drang seine Stimme an ihr Ohr, leise säuselnd, als wolle er sie mit jedem Zungenschlag in ein Netz weben "Dieser kleine Moment... dieser winzigkleine Moment wo die leise Stimme in einem sagt: Schubs sie... es ist doch so leicht, hatte Überhand gewonnen."
Sie wich von ihm fort, kroch auf allen Vieren weg von ihm. Plötzlich verschwamm die ganze Szene vor ihr... hohl hallten noch einige Worte hinter ihr her... "Der , der dich festgehalten hat, war ich.... Es kann so sein wie früher... glaub daran"

Und da lag sie wieder, die Worte in ihren Gedanken herum hallend, auf ihren Fellen, in ihrer Wohnung. Als der dichte Nebel sich langsam lichtete, sah sie direkt in das Gesicht einer Katze. Die grünen Augen direkt auf sie gerichtet, eine Pfote auf ihrer Schulter. "Zu spät, Fussel... viel zu spät" schluchzte Elda dem kleinen Tier entgegen. Vielleicht würde eine weitere Katze helfen. Irgendetwas musste es geben, das sie rechtzeitig aus diesen Träumen riss.
Langsam rappelte sie sich in eine sitzende Position und sah sich in dem Raum um, für einen Moment war ihr als würde Er im Türrahmen stehen und sie lächelnd anblicken. Doch nur einen Lidschlag brauchte es und er war verschwunden. Im nächsten Moment trat Venthos an genau diese Stelle, doch lächelte er nicht. Er sah sie nur verletzt und enttäuscht an und schüttelte den Kopf. Sie schloss fest die Augen. "Lasst mich doch bitte in ruhe!" rief sie in den Raum, das Kätzchen plötzlich aufgeschreckt, sprang zur Seite weg.
Elda ließ sich wieder auf ihre Felle sinken und vergrub das Gesicht in ihr Kissen. "Es wird nicht mehr wie vorher..." murmelte sie sich selbst zu. "Wie könnte es auch, wenn jede Berührung Angst bedeutet."
Sie blieb einfach liegen, völlig ausgelaugt und leer. Ihre braunen Augen glitten suchend die Holzwand, ihr gegenüber, entlang und verloren sich darin, eines der vielen Astlöcher anzustarren.
Die kleinen, nackten Füsse tapsten über die Holzdielen. Immer wieder hin und her. Von einer Ecke der Wohnung zur Anderen. Dem Badehaus darunter war es zu verdanken, das der nackte Fussboden immer warm war und sie keine Teppiche nötig hatte. Rastlos wanderte Elda durch die Räume, die kleine Katze, die auf einer ihrer Kommoden saß, blickte ihr skeptisch hinterher.
Immer und immer wieder ging ihr der gesamte Abend durch den Kopf. Jedes gesprochene Wort auf die Goldwaage legend. Jede seiner Bewegungen analysierend. Es tobte ein innerer Kampf in ihr, als er mitten in der Nacht verschwand.
Ein Teil wollte ihn einfach bei sich behalten. Dieser kleine, unsichere Teil in ihr, welcher ihm völlig hörig war. Welcher sich auf ein Wort aus seinem Mund ins offene Messer stürzen würde. Diese Elda verzehrte sich nach ihm. Und diese Elda wurde an diesem Abend an die kurze Leine genommen.
Den der andere Teil, die vorsichtige, berechnende Elda. Die Elda, die von Anfang an sagte man könne ihm nicht trauen, hatte die Oberhand gehabt. Und eben diese hatte sie den ganzen Abend angeknurrt aufzupassen, vorsichtig zu sein, immer eine Waffe in der Nähe zu haben. Sie war die Mörderin, die Spionin, die Hure. Das Mädchen, dass ohne mit der Wimper zu zucken, schon so einigen Männern die Lichter ausgeblasen hatte.
Sie war überrascht gewesen, als er heute in ihrer Tür stand. Sie wusste er würde kommen, doch dachte sie nicht, das es so früh passieren würde. Darauf musste sie sich erst einmal einstellen. Es hatte sie überrumpelt. Von der Elda die Venthos kannte umzuschalten, auf jene die Konstantin bekannt war, war nicht einfach. Doch auch dieses Kunststück war ihr gelungen. Natürlich...
Sie ging wieder auf und ab, hatte sie gar nicht gemerkt, wie sie völlig im Gedanken stehen geblieben war. Sie würde sich bald schlafen legen müssen. Die Kontrolle über ihre Gedanken wieder fallen lassen müssen und dann würden die verdammten Träume sie wieder einholen.
Ob es anders würde, wenn Er da war? Würde er überhaupt wieder kommen? Gedankenverloren biss sie sich auf ihrer verletzten Unterlippe herum und ließ das Analysieren und Auswerten des Abends bleiben. Nun ließ sie Platz für Gefühle, löste die Leine, welche das Mädchen in ihr frei ließ und dachte an die letzten Momente ihres Treffens. Ein träumerisches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie endlich das herumtigern bleiben ließ und sich in ihre Schlafkammer begab. Was war es nur, dass sie jegliche Vorsicht fahren ließ, nur durch einen Blick seinerseits? Er hatte sie geküsst. Das hatte sie nicht erwartet, vor allem nicht diese Sanftheit darin. Sie hatte jeden Moment damit gerechnet ihre Träume würden sich wiederholen, den Moment zerstören und sie müsse wieder die Schmerzen spüren. Und doch ließ sie ihn gewähren. Sie ließ sich von ihm berühren und er konnte vermutlich nicht mal erahnen, was dies für ein Kraftakt für sie war. Wie ihr Innerstes kämpfe um nicht vor Ihm und der Situation zu flüchten.
Die Gedanken dahinplätschern lassend, entkleidete sie sich, während Fussel ihren Posten im Kleiderschrank einnahm. Sie schob die nackten Beine unter die dicken Wolfsfelle, taste nach dem Messer unter ihrem Kopfkissen und schloss dann widerwillig die Augen, um zu schlafen.

Ihr Schlaf war leer, dunkel und traumlos. Nach all den Tagen schlief sie endlich einmal entspannt. Bis sie mitten in der Nacht plötzlich aus der wohligen Dunkelheit gerissen wurden. Ein muskulöser Arm legte sich um sie. Sie spürte die Wärme eines anderen Körpers an ihrem Rücken, den Atem in ihrem Nacken, jedoch genügte dies nicht sie gänzlich zu wecken und so glitt sie wieder zurück in die Dunkelheit...

Etwas an dieser Dunkelheit war jedoch anders als zuvor. Sie fühlte etwas. Eben hatte sie noch nichts gefühlt. Die Felle waren verschwunden. Ihr Kissen und das Messer darunter war verschwunden. Selbst der Boden auf dem sie lag schien nicht mehr zu existieren. Was sie dafür deutlich spürte war die Hitze, die seine Haut ausstrahlte. Er war da, er war wieder gekommen. Als sie diese Erkenntnis mit der Wucht eines Schmiedehammers traf, merkte sie wie eine raue Hand ihren Bauch hinauf strich. Wie sie ihre Haut streichelte und sich dann fest auf ihre Brust legte. Wo war ihr Hemd geblieben? Wieso war sie nackt? Und warum beim Abgrund, drängte Er ihre Beine auseinander um sich auf sie zu legen?
Alle ihre Sinne waren geschärft, und doch konnte sie nichts sehen. Sie spürte jeden seiner Bauchmuskeln auf ihren, hörte wie er beherrschend atmete und roch diesen betörenden wilden Duft, welchen er permanent verströmte und welcher sie immer wieder in den Wahnsinn trieb. Liebe, pure Leidenschaft und eine seltsame Art von Jagdinstinkt erwachten in ihr, als seine Lippen sich an ihren Hals legten. Sein Bart kitzelte sie, doch das machte es nur noch aufregender. Als er zärtlich an ihrer Haut saugte, verlor sie sich völlig. Als sich ihre Körper vereinigten, war der letzte Funken Verstand in ihr erloschen. Warum konnte es nicht immer so sein? Es war so wunderschön. Ihr war heiß und kalt zugleich, jeder ihrer Muskeln schien vor Verlangen zu beben und sie fühlte sich so unglaublich geborgen. Solange sie in seinen Armen läge und Eins mit ihm wäre könnte ihr nichts auf der Welt etwas anhaben. Ihre Seele schien diese Momente zu Feiern, als hätte Branwen selbst ihr diesen Traum geschenkt. Moment... ein Traum? War es nur ein Traum? Sie öffnete die Augen, doch sah sie immer noch nichts. Doch er war immer noch da. Sie spürte seine Zähne an ihrem Hals und sein angestrengtes Atmen. Ihre Fingernägel gruben sich in die Haut seines Rückens, als er sich erhob und sie mit sich zog. Sie schlang sich mit Armen und Beinen um ihn, um diesen Traum ewig anhalten zu lassen. Um ewig so zu verweilen und nie wieder aufzuwachen. Sie strebten gemeinsam dem Höhepunkt entgegen, als plötzlich alles stoppte und sie zurück in das Hier und Jetzt katapultiert wurde...

Fussel saß, wie immer, direkt vor ihrem Gesicht, die kleine schwarze Pfote auf ihrer Schulter. Jedoch blickte die Katze missmutig über Elda hinweg. "Das ist doch nicht dein ernst...", knurrte sie leise dem Tier entgegen und folgte dann ihrem Blick. Neben ihr lag Er und schlief. Er hatte sein Wort gehalten. Ein zufriedenes Lächeln konnte sie nicht unterdrücken. Dann spürte sie die Nachwehen ihres Traumes. Ihr Hemd klebte verschwitzt an ihrem Oberkörper und ihre Haut kribbelte immer noch vor Erregung. Und nun wo Er wirklich vor ihr lag, sein nackter Oberkörper kunstvoll vom Mondlicht beschienen, welches durch das kleine Fenster fiel, musste sie sich unendlich beherrschen um ihn nicht anzufallen und womöglich aufzuwecken. Mit der rechten Hand scheuchte sie die Katze fort, drehte sich zu ihm um, schmiegte sich an seinen warmen Körper und schlief wieder ein. Ihre Lippen an seiner Haut, betete sie inbrünstig Branwen an er möge ihr einen weiteren Traum, wie den letzten, schicken...

[Bild: konstxelda_by_freyjastraene-d6deovx.jpg]
Ironischer weise war es ihr 14ter Geburtstag gewesen, als Elda sich endgültig jegliche Chance auf ein schöneres Leben verbaute.
Sie war wieder im alten Hafen und sie wusste es war der siebzehnte Ernting. Sie wusste genau was heute geschehen würde und doch verlief alles so wie damals. Es war als würde sie sich selbst zugucken.
Sie musterte die Gestalt genauer, nach jedem vertrauten Detail suchend, das ihr auffallen möge. Da vor dem Fenster der Taverne hockte eine schmale, abgemagerte Gestalt. Sie war in Lumpen gekleidet, welche kaum ihren jungen Körper verdeckte. Der erste Ansatz eines Busens, war geradeso auszumachen. Die Hüften noch schmal wie bei einem Knaben. Selbst ihr Haar war kurz geschnitten gewesen. Das strahlende Rotblond unter dem ganzen Dreck kaum zu erkennen. Sie trug einen Gürtel, welcher ihr viel zu groß war und drohte ständig von ihrem dürren Becken zu rutschen. Ihr Gesicht war rund. Zu Rund um wirklich hübsch zu sein. Sie wirkte so unreif wie sie war. Nur ihre Augen stachen einen förmlich mit ihrem Blick. Sie waren voller Wünsche, Hoffnung und Trotz gegen die ganze Welt.
Schon so oft saß sie vor diesem Fenster und beobachtete die Männer darin. Vom gemeinen Ganoven bis hin zum skrupellosen Auftragsmörder war alles vertreten. Sie sah so viele Gesichter, die ihr heute so vertraut waren. Nikolaj, Bronko, selbst Lysander, welcher damals nur ein Seemann war, der alle Jubeljahre mal in Löwenstein halt machte. So viele andere Gesichter, denen sie einmal einen Namen zuordnen konnte, und welche nun tot oder auf ewig im Kerker der Stadt verschwunden waren. Hier und da, saß auch ein Edelmann in der Schenke, auf dem Schoss ein halbnacktes, kicherndes Mädchen. Diese Mädchen fielen ihr auf. Sie waren so schön, trugen so wunderschöne Kleider. Ihre Körper waren wohlgeformt und rosig. Das absolute gegenteil von ihr. Sie wusste genau womit die Frauen ihr Geld verdienten. Sie hatte oft genug heimlich zugesehen, wenn eine mit ihrem Freier in eine dunkle Ecke verschwand. Für die junge Elda waren diese Frauen strahlende Figuren. Frauen die auf leichte weise ihr Geld verdienten, Wein tranken, lachten, sangen und sich nicht in den Gassen um etwas Brot prügeln mussten.
Heute war ihr Geburtstag und irgendetwas in dem Mädchen erwachte in dieser Nacht. Die ältere Elda biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste genau was an diesem Abend passierte. Dieser Abend ist nie wieder aus ihrem Bewusstsein verschwunden. Es hatte sie auf ewig an den alten Hafen gefesselt. Sie betrat geduckt die Spelunke. Beinahe unbemerkt ging sie an den Männern am Tresen vorbei, wollte auf eine der leichten Mädchen zugehen. Sie spürte einen Blick auf sich. Elda sah ihre vergangene, kleine Gestalt sich herumdrehen und wie Nikolaj, ihr Nikolaj sie einfach nur ansah. War das damals wirklich so passiert? Sie war sich nicht mehr sicher...
Eine der Dirnen, Luri wurde sie genannt, nahm sich Elda an diesem Abend an. Damals hatte sie zu ihr aufgesehn. Heute wusste Elda das die Schlampe nur mit ihr gespielt hatte. Auf ihre Kosten die halbe Taverne unterhielt. Sie gab dem Mädchen süßen Wein. Einen Becher nach dem anderen. Sie schien es witzig zu finden, wie Elda herum torkelte, ungeschickt mit ihren Messer jonglierte und schlussendlich in eine Ecke kotzte. Die Hure nahm sie damals bei Seite. Die erwachsene Elda beugte sich vor um die Worte genau zu hören, die sie eigentlich schon kannte und niemals vergessen würde. "Jeden Tag wirst du dich so fühlen, Kindchen. Beschämt, dreckig und benutzt. Mit oder ohne Alkohol. Willst du das wirklich?" Dumm wie sie damals war, nickte sie nur eifrig. "Ich will nur weg von der Straße. Ich will eine starke Frau sein, wie du!"
Die Frau hatte ihr ihren ersten Freier besorgt. Sie starb ein Jahr später aus immernoch ungeklärten Gründen. Sie grinste bei der Erinnerung an Diese Nacht. Doch noch war sie hier, in dem schummrigen, nasskalten Kellerraum. Elda konnte sich nicht mehr an den Namen des Mannes erinnern, dafür umso mehr an seinen Geruch. Fisch, Pisse und und der säuerlich-alkoholische Mundgeruch, ließen sie heute noch eine Gänsehaut bekommen, wenn sie daran dachte. Er war ein hässlicher, dreckiger Seemann, der wohl eigentlich eine Vorliebe für junge Knaben hegte. So sagte man ihr damals.
Jedes kleine Detail ihrer ersten Nacht als Hure stachen Elda förmlich in die Augen. Als wär alles schärfer und irgendwie bunter. Sie stand neben ihrer liegenden Gestalt. Dieser stinkende, alte Sack über ihr. Ein paar einzelne Tränen rannen ihr über's Gesicht, als sie abermals alles erlebte. Schon hunderte Male hatte sie diesen Moment wieder erlebt. Der stechende Schmerz zwischen ihren Beinen, die groben, schmierigen Hände auf ihrer Haut. Das Gewicht dieses fremden Körpers auf ihr und wie sie einfach nur, wie ohnmächtig, da lag und zur Kellerdecke starrte. Es war so schnell vorbei gewesen. Der Kerl stand auf, zog sich die Hose hoch und warf ihr ein paar Heller zwischen die noch immer gespreizten, zitternden Beine. Der Klang der Münzen, wie sie auf den Stein fielen, ließen ihre Ohren klingeln. Sie hätte dieses Mädchen so gern in den Arm genommen. Ihr über das Haar gestrichen, wie ihre Mutter es damals immer tat. Sie hätte ihr so gern gesagt, wie schön solche Momente, mit dem richtigen Mann, seien konnten. Dass sie das nie wieder tun müsse. Das es andere Wege gäbe an Geld zu kommen. Doch Elda wusste das es nichts nutzte. Sie wusste das sie abermals nur stumme Zuschauerin war. Das dieser Traum immer wieder kehren würde um ihr zu zeigen, was sie wirklich war.
Kein hübsches Haus in der Altstadt, keine schönen Kleider und keine Beziehung zu einem Mann den sie liebte, konnte darüber hinweg täuschen, dass sie ein Straßenkind war. Eine Diebin, eine Hure und eine Mörderin. Und das würde sie auch immer bleiben...
Die Wände des Kellergewölbes schienen zu verwischen und wie Wasser in der Finsternis zu zerfliessen.

Sie schreckte hoch. Ihre Brust ob und senkte sich heftig unter den Fellen. Ihr Gesicht war tränennass und ihr Bauch tat weh. Ihr war so unglaublich übel. Ohne auf den schlafenden Mann neben sich Rücksicht zu nehmen, erhob sie sich eiligst und nicht sonderlich geschickt.
Sie eilte aus der Wohnung, die Stufen hinab, ein paar mal gefährlich strauchelnd. Sie rannte in die Ecke des kleinen Vorhofes, sank auf die Knie und erbrach sich heftig. Die ersten Farbenspiele der Morgendämmerung waren am Himmel zu sehen und leuchteten auf ihrem blassen, nackten Rücken. Einige Momente noch saß sie zitternd dort unten, ihren Magen bis aufs letzte entleerend und dabei leise schluchzend. Ihre Gedärme schienen sich immer und immer wieder krampfhaft zusammen zu ziehen,und ihr war als würde sich die Welt um sie drehen. Die letzten Bilder des vergangenen Traumes immer noch in ihrem Bewusstsein, war es ihr unmöglich wieder aufzustehen. Ihre Beine fühlten sich an wie Pudding und ihr Kopf war wie mit Watte vollgestopft. Auch wenn er noch schlief, konnte sie so nicht wieder hoch gehen. Sie lehnte ihre brennend heiße Stirn an den kalten Stein. So sollte er sie nicht sehen. So sollte niemand sie sehen. Ein paar Minuten noch hier in der frischen Luft sitzen, die letzten Tränen versiegen lassen und Kraft sammeln... Nur noch ein paar Minuten...
Der nun etwas schummerige Blick ihrer rehbraunen Augen, lag fest auf Ihm, als sie sich von seinem Körper runterrollte. Die letzten kleinen Wellen der eben verspürten Lust, durchfuhren noch ihren nackten Körper. Schwer atmend und kraftlos lag sie auf ihren Fellen, neben sich ihr Leinenmantel. Ob sie die zerrissenen Nähte vorn, würde wiederherstellen können? Einen kurzen Moment hingen ihre Gedanken einer möglichen Reparatur nach, bis er sie aus ihren Überlegungen riss, als er sich aufsetzte.
Ihre Augen hingen nun wie gebannt an Ihm. Irgendetwas musste sie richtig gemacht haben, in ihrem kurzen Leben, dass die Götter ihr solch ein Geschenk machten. Er war anbetungswürdig. Für sie einer heiligen Reliquie gleich. Sie wollte die Hand ausstrecken um ihn zu berühren, doch hielt der Augenblick ihren Körper gefangen.
Von seinem Haaransatz, etwas feucht vom Schweiß, ging ihr Blick, seinen Nacken hinab, auf Wanderschaft. Eine Weile verweilte er dort, den zarten Glanz auf seiner Haut bewundernd. Dann weiter hinab, still das Ebenmaß seiner Schultern betrachtend. Es hatte etwas ausserordentlich kunstvolles, harmonisches, wie der Mond, durch das Fenster, seinen Rücken beschien. Der silbrige Schein enthüllte jede sanfte Wölbung und ließ seine Muskeln herrlich hervortreten. Die sanften Linien seiner Schulterblätter wurden reizvoll definiert und sämtliche Schatten so geschickt gesetzt, dass jede Frau sich bei diesem Anblick verlieren würde.
"Branwen steh mir bei...", dachte sie nun, still für sich, die Worte, welche sie an diesem Abend, laut ausgesprochen bis an die äußersten Grenzen ihrer Lust getrieben hatten. Ihr Blick wanderte weiter, seine Wirbelsäule hinab, vorbei an etlichen dezenten Erhebungen, seines Oberkörpers. Die Ausläufe seiner markanten Rippenmuskulatur entlang, die sie lockte ihre Hände darauf zu legen, seine schmiegsame Haut zu erfühlen und den vorderen Teil seines Körpers, mit ihren Fingern, zu erkunden. Sie runzelte flüchtig die Stirn... Diese Stelle trug einen kleinen Makel. Acht geschwungene rote Linien. Erinnerungsstücke, die ihre Fingernägel hinterlassen hatten.
Bei allen Göttern! War Er wirklich so grenzenlos schön oder war es der vernebelte Blick, durch die Augen einer verliebten Frau, die ihn so makellos und vollkommen erscheinen ließ? Sie konnte sich einfach nicht von ihm lösen. Sie wollte es nicht. Sein Duft bezauberte ihre Sinne. Diese wilde, ungezähmte Art, die er so oft an sich hatte. Sie fragte sich wie viele Menschen diesen hitzigen, rohen und leidenschaftlichen Mann so kannten, wie sie es tat. Der Gedanke an ihre Haut unter seinen Zähnen und wie sie sich Ihm praktisch gänzlich ausgeliefert hatte, ließ sie erschaudern. Wieder verlor sie sich in ihren Gedanken. Würde er es, verflucht noch eins, auch mal zulassen, dass sie in seiner Gegenwart nicht völlig kopflos wurde? Dabei saß er doch einfach nur da und atmete. Er atmete immer noch schwer, was seine Muskeln in Bewegung hielt. Es konnte nicht mehr besser werden...
Ihre Augen gingen hinab zu seinem Hintern, halb verdeckt von den kuschligen Fellen. Oh, dieser Hintern! Sie war so unendlich erschöpft und müde und doch hielt sie dieser besondere Körperteil einen langen Augenblick davon ab, in den ihr so verhassten Schlaf zu fallen...
Fussel war aus dem Schrank gekommen und lieferte sich nun mit ihm ein Anstarr-Duell. Den Ausgang dieses Kampfes bekam Elda nicht mehr mit. Die Anstrengungen der letzten Stunden forderten ihren Tribut. Ihre Augenlider wurden plötzlich unerträglich schwer und zwangen sie förmlich in die dunkle Umarmung ihrer nächtlichen Träume...

... dachte sie zumindest. Doch schien ihr Schlaf in dieser Nacht traumlos. Nur für kurze Momente tauchten Bruchstücke auf und drohten, sie in einen der vielen, schrecklichen Träume zu zerren, die sie so gewohnt war.
Sie sah Venthos' Gesicht vor sich. Und sie wurde unsagbar traurig. Wie immer wenn sie ihn sah. Dann war alles wieder dunkel. Momente später kamen weitere Gesichter. Gesichter aus Galatia. Ihre wunderschöne Mutter, ihr sterbender Großvater, Mae, Lorna und all die anderen Mädchen mit denen sie damals tagelang durch die Birkenwälder streifte. Und da war Gowan. Der Junge mit den wilden, roten Locken, der ihr ihren ersten Kuss geschenkt hatte. Morgan war da! Der alte Druide, der ihr Schicksal auf ihren Beinen Form gegeben und es für immer auf ihrer Haut verewigt hatte. Kurz vor ihrem Aufbruch war das gewesen. Als ihr Clan drohte an der Hungersnot einzugehen und ihr Großvater sie fortschickte, ein besseres Leben zu finden. Sie sah die kleine Insel ihres Clans, nicht fern von der größeren Mutterinsel Prenne, am Horizont verschwinden. Die einzelnen hohen Bäume verschwammen, zu einer grünen Masse. Die ihr bekannten Gesichter traten zurück in die Schatten ihrer Erinnerung.
Und sie war wieder in Amhran... Löwenstein... diese enge Wohnung aus Stein und totem Holz.
Diese Träume waren so selten und so wunderschön. Oft ängstigte Elda der Gedanke, ihre Heimat zu vergessen. Nun war alles wieder da und sie spürte einen reissenden Schmerz in ihrer Brust. Nach all den Jahren...Sie hatte Heimweh...
Elda stand vor der Taverne, locker an die Wand neben der Türe gelehnt und beobachtete den Strom von Gästen ein- und ausgehen. Luri hatte sie in eines ihrer Kleider gesteckt. Es war ihr viel zu groß. Vor allem obenrum fehlte es ihr immer noch an Busen. Sie ließ sich nun das Haar wachsen. Das letzte Jahr über wurden sie so lang, dass die Haarspitzen ihr bis auf die Schultern fielen. Es war ein kurzes, ereignisreiches Jahr gewesen. Elda hatte sich daran gewöhnt, von Männern genommen zu werden die ihre Väter hätten sein können. Oder gar ihr Großväter. Doch verdiente sie nicht schlecht daran. Besser gesagt, Luri verdiente nicht schlecht daran. "Deine Knabenhaftigkeit ist eine wahre Goldgrube. Die Kerle können mit einem jungen Bruschen vögeln, ohne mit einem jungen Burschen vögeln zu müssen.", erklärte ihr die Hure am gestrigen Abend noch. Luri wurde reich mit ihr. Nicht so reich, wie die feinen Herren aus der Neustadt. Aber für die Maßstäbe des alten Hafens unglaublich wohlhabend. Elda machte dies lange Zeit nichts aus. Sie wurde geschlagen, gedemütigt und ausgenommen. Aber sie hatte etwas anzuziehen, etwas zu Essen und vor allem ein Dach über dem Kopf. Oft schlief sie oben in dem dunklen Zimmer. Nikolaj's Zimmer... Zusammengerollt wie ein Hündchen in einer Ecke auf ein paar Lumpen. Auch er holte sie sich ab und an ins Bett. Aber er war nett zu ihr. Keineswegs zärtlich oder liebevoll, doch behandelte er sie danach anständig. Immerhin durfte sie dort schlafen.
Sie wusste das Niko und die anderen zu einer Art Bande gehörten, und die junge Elda hätte alles dafür gegeben Teil davon zu sein. Luri hätte sie niemals gelassen. "Wenn dir irgendwann doch noch Titten wachsen sollten, kannst du machen was du willst. Dann bist du nur eine von vielen..."
Elda hasste sie aus tiefstem Herzen. Sie wollte so sein wie Luri. Hübsch, groß, klug und unabhängig. Und darum hasste sie sie.
Es war einer der Tage an denen Elda ihren Lohn abgeben musste. Deshalb stand sie vor der Schenke und wartete auf die aufdringliche Frau. An diesem Tag hatte sich Elda ein Messer gekauft. Sie hatte es sich hart absparen müssen und die Klinge war praktisch stumpf, aber sie fühlte sich unglaublich stark und unverwundbar. Es war ein herrliches Gefühl.
Sie gingen in einen der unzähligen Kellerräume, die den alten Hafen untergruben, wie ein kleines Spinnennetz. Es passierte alles so schnell. Das Mädchen kassierte eine Schelle von der älteren Frau. Irgendetwas mit zu wenige Schillinge... Und noch ein Schlag ins Gesicht. Sie spürte wie ihre Unterlippe aufplatzte und das Blut lief. Und noch ein Schlag, diesmal von der anderen Seite, doch Elda duckte sich darunter hinweg. Luri schrie sie zornig an und plötzlich hatte sie das schartige Messer in der Hand. Die Hure versuchte, es ihr aus der Hand zu schlagen. Sie geriet in Panik und dann stach sie zu. Die Klinge fraß sich in den dicken Unterarm. Elda zog das Messer zurück, starrte ungläubig auf das Blut und wie es auf den Boden lief. Sie hatte immer gedacht Blut tropfte nur. Doch dieses floss regelrecht auf den nackten, feuchten Steinboden. Die verwundete Frau sprang sie an und das Mädchen hob abwehrend die Hände. Noch mehr Blut... das Messer steckte im rechten Busen der Frau. Was tu ich da? Töte ich gerade wirklich einen Menschen?, schoss es ihr durch den Kopf. Ja ich töte sie und es ist so einfach. Das fette Weib is' zu langsam... ich kann sie einfach aufschlitzen und dann bin ich frei.
Eldas Hände bewegten sich wie von selbst. Als würde ein Instinkt in ihr erwachen, der so lange hatte schlummern müssen. Sie riss die stumpfe Klinge aus der Brust der taumelnden Frau, schlüpfte an ihr vorbei und rammte das alte Schlachtermesser, tief in Luris rechte Seite. Ein quälender Schrei drang aus der kehle der Verwundeten und auch Elda schrie. Es war ein unbändiger, wilder Schrei. Wieder stieß sie zu, und wieder und wieder und wieder. Immer mehr Blut floss zu Boden und die Blutende rutschte aus und viel hart auf den Rücken. Seltsames Geräusch... Elda trat über die Frau hinweg, ging in die Hocke und sah ihr in die Augen. Luri blickte sie entsetzt und voller furcht an, bewegte die Lippen, als wolle sie etwas sagen, doch fand wohl nicht die richtigen Worte. Die brauchte sie auch nicht mehr. Das Geräusch, das folgte war leise und doch irgendwie Ohrenbetäubend. Sie zog die schartige Klinge fest über die zarte Haut, am Hals der Alten. Sie spürte den Widerstand der Sehnen und Muskeln bis hinauf in ihre Schulter. Ein letztes Gurgeln und es war vorbei. Das Mädchen muss ausgesehen haben, wie aus einem Alptraum entstiegen. Das unpassende lange Kleid, durchtränkt von Blut. Der magere Körper darin, zitternd und bis zum zerplatzen angespannt. Ihre stumpfen braunen Augen waren weit aufgerissen, als es ihr dämmerte...
Sie hatte gerade einen Menschen getötet. Einfach so. Es war so leicht gewesen. Ohne darüber nachzudenken. Sie dachte immer, es würden einem endlose Gedanken durch den Kopf schießen. Doch alles war passiert wie in einem Traum. Nur ihr Instinkt sich zu wehren, zu schützen, hatte für sie übernommen. Als wäre sie jemand anderes gewesen.
Ihre Gedanken kamen nach und nach in ihr Bewusstsein geschossen. Sie hatte gemordet! Scheiße! Sie sah auch noch danach aus! Wohin mit der Leiche? Mit dem Blut? und dem Messer?
Der Traum, der ihre Vergangenheit war begann zu verschwimmen, als sie in die Taverne stürmte "Nikoooo ich hab Scheiße gebaut...."

Und plötzlich war sie an einem völlig anderen Ort. Bäume waren um sie herum. Sie hockte auf einer Lichtung. Recht klein und mit weichem Moos bewachsen. Vor ihr ragte das Abbild einer ihrer Schicksalsgötter empor. Morrigú...
"Mach Branwen alle Ehre.", raunte ihr eine Männerstimme zu. Die Situation kam ihr so bekannt vor. Sie blickte hinunter. Sie saß auf Konst... Nein, nicht auf ihm, wie es damals wirklich gewesen war. Unter ihr lag Venthos. Ihre rechte Hand juckte plötzlich. Er durchbohrte sie förmlich mit seinen hellen, blauen Augen, als auch er die Hand mit der Narbe hob. Sie legte die Ihre in seine, ihre Finger verschlangen sich ineinander. Sie beugte sich zu ihm hinab, die langen Finger ihrer freien Hand strichen durch sein kurzes, schwarzes Haar. Ihre nackten Oberkörper berührten sich flüchtig, als sie ihn küsste. Es war ganz anders... Er war viel schlanker und drahtiger als Konstantin. Und irgendwie liebevoller. Sie legte ihre ganze Verzweiflung, ihren Schmerz und das Verlangen in diesen einen Kuss. Ihre Lippen strichen zärtlich über seine. Ein Akt der Beherrschung. Am liebsten hätte sie rein gebissen. Am liebsten hätte sie ihre Lippen geöffnet, sacht an seinen gesaugt und... genau dies tat sie. Aber sie hatte doch nur daran gedankt und nun...? Sie sollte nicht denken. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht, während dieses Eisblau seiner Augen sie förmlich hinab in einen Strudel zogen, aus dem sie aus eigener Kraft nicht mehr heraus kommen würde. Sie schob alle Sorgen bei Seite. Alle Gedanken an den Mann den sie eigentlich liebte, verbannte sie für diesen Augenblick und ließ die Neugier siegen, welche schon so lang in ihr lauerte. Und so küsste sie ihn mit einer Wildheit und Leidenschaft, die selbst sie erschreckte. Ihre Lippen liebkosten die sanften Linien seines Unterkiefers, die verwundbare Haut an seinem Hals. Ihre Hände in einander verschlungen und ihre Körper fest aneinander gepresst, ließ sie Ihn in sich hinein. Seelisch und körperlich öffnete sie sich für ihn. Breitete ihr Innerstes vor ihm aus. Sie bewegten sich im selben Rhythmus, als würde eine Trommel für sie den Takt vorgeben, welche nur die beiden hören konnten. Sie ritten gemeinsam auf den Wellen der Lust... hinauf.... hinab...hinauf...hinab.... immer wieder. Und es war so unglaublich schön. Seine Hände glitten ihren, von Schweiß feuchten, Rücken hinab. Umgriffen sie bestimmt und doch zärtlich. Drückten ihren Körper so fest an seinen... Und einen Lidschlag später war alles vorbei...


Elda erwachte völlig verwirrt aus diesem Traum. Die Wunde an ihrer Handfläche brannte leicht und ihr ganzer Körper zitterte vor Erregung.
"Scheiße...", entfuhr es ihr atemlos, als die Erinnerung an das eben Geträumte sich langsam zu einem sinnigen Bild fügte. Nun träumte sie schon davon. Als wären die Gedanken, bei Tage, wenn sie ihn sah, nicht schon schlimm genug. "Scheiße!", knurrte sie abermals in den leeren Raum vor sich. Ihre Haut reagierte überempfindlich, als sie sich, mit der rechten Hand über den Oberschenkel fuhr. In der Hoffnung es würde den Juckreiz lindern, machte es sie nur noch kribbeliger. Und diese verdammte Wunde, schien ihr förmlich etwas zu zuschreien. Sie fiel wieder zurück in die Felle, die Hand immer noch an ihrem Bein. Sie spürte den verheilenden Schnitt, während ihre Handfläche die Innenseite ihres Schenkels hinab glitt. Sie schloß langsam die Augen und biss sich genussvoll auf die Unterlippe, als ihre Finger ihren warmen Schoß ertasteten. Ihre Gedanken schossen zurück zu dem Traum von eben, zurück zu Venthos und seinen verdammten blauen Augen und so verschaffte sie ihrem bebenden Körper die Linderung, die ihrer Seele wohl niemals zu teil werden würde...
Laudanum... welch wundervolles Getränk. Es schmeck vorzüglich und hat die wundervolle Eigenschaft, jegliche Gedanken abzutöten, welche einem ungewollt den Schlaf stehlen. War eine ganze Flasche vielleicht zu viel gewesen? Nein... ganz sicher nicht. Es fühlte sich genau richtig an. Es fühlte sich an wie ein kuschliger, violetter Nebel der Elda einhüllte. Der seine starken, schützenden Arme um ihr Bewusstsein schlang und alle Erinnerungen, an diesen Abend, fern zu halten suchte.

Sie hatte die Flasche seit Wochen im Hafenkontor versteckt. Seid dem Vorfall mit Konstantin, hatte sie immer etwas da. Und so saß sie auf dem dreckigen alten Stuhl, die nackten Beine auf dem Tisch überkreuzt und und starrte in die Dunkelheit. Die Flasche war noch fast voll und sie hielt sie in ihrem festen Griff, als wäre dieses Stück Glas ihr Anker zum Hier und Jetzt.
Immer wieder gingen ihr die Ereignisse dieses Abends durch den Kopf. Alles davor ausgeblendet, sah sie nur was geschah als sie die Treppe hinauf ging. Sie hörte das Rumpeln der schweren Stiefel. Sie hörte Nikolaj brüllen "Du hast meine Identität gestohlen!" Dann sah sie den Wahnsinn in Konstantins Gesicht und alte, unwillkommene Erinnerungen schienen sie förmlich zu überfluten. Sie sah sein blankes Schwert, gezogen und bereit sinngemäß benutzt zu werden. Es war zu spät. Sie wusste in dem Moment, dass Konstantin nicht mehr zu erreichen war, egal was sie sagte. Dieses unberechenbare Monster hatte seinen Platz eingenommen und wollte nur eines... töten.
Träge hob sie die Flasche an die Lippen und nahm einen ordentlichen Schluck der seltsam-süßen Flüssigkeit.
Was hätte sie anderes tun sollen? Sie versuchte sich die Situation in allen Facetten auszumalen. Eine für sich selbst gültige Entschuldigung zu finden. Natürlich konnte sie gewissenlos auf einen anderen menschen schießen. Auf jeden aber doch nicht Konstantin. Aber er war unvorhersehbar in diesem Zustand. "Erschi..eß de...n Bastard!" Immer und immer wieder hallten Nikolajs Worte in ihrem Kopf umher. Nichtmal die viel zu hohe Dosis an Schlafmohn in der Flasche, konnten diesen Satz vertreiben. "Erschi..eß de...n Bastard! Erschi..eß de...n Bastard! Erschi..eß de...n Bastard!" Es hörte nicht auf. Was hatte sie nur getan? Sie musste doch auf Niko hören. Ihren Niko... der Mann den sie, wie einen Vater, lieben gelernt hatte. Und er lag dort, aufgespießt vom Schwert des Mannes, dem ihr Herz gehörte.
War der Abend wirklich so wirr gewesen oder setzte nun langsam die Wirkung ein?
Elda sah abschätzend auf die Flasche.
Sie stand an diesem Abend zwischen zwei heftigen Fronten. Im Auge des Sturmes, der jeden Moment drohte über ihr herein zu brechen. Und dann drückte sie ab. Sie wollte ihn doch nicht verletzen. Sie wollte nur, dass er von ihm abließ.
Ob Nikolaj ihr verzeihen würde? Vermutlich nicht. Da war immerhin noch das Miststück Annalope. Dieses verdammte Weib, das sich aufspielte wie die Königin des alten Hafens. Das würde sie ihr austreiben müssen.
Alles zu seiner Zeit...

Langsam schien die Droge ihre Wirkung zu zeigen. Ihre Gedanken drifteten immer weiter ab. Sie fühlte, wie eine der Katzen auf ihren Schoß sprang, doch registrierte sie es kaum. Sie war schon wieder ganz woanders.

Sie war in Nikolajs Zimmer. Sie lag zusammengerollt, wie ein Kätzchen, in ihrer Ecke, auf dem Lumpenberg am Boden, und tat so als würde sie schlafen. Sie hörte die schweren Schritte auf dem Flur. Ein, zwei...drei... vier... Vier Füsse, zwei Männer, stellte sie blitzschnell fest um sich auf das Kommende vorzubereiten. Er kam herein, der andere Mann hinterher. Mit ihnen eine fast greifbare Fahne von Alkohol, Tabakrauch, Schweiß und Blut. "Komm mit in's Bett, Püppchen" raunte er ihr zu und sie hob den Kopf. Den anderen Mann kannte sie nicht, doch das machte nichts. Nikolaj war ja da. Er war immer nett zu ihr gewesen.
Beide waren in dieser Nacht nett zu ihr... auch wenn sie sich heute nicht mehr an das Gesicht des Fremden erinnern konnte, noch an den Namen...


Die Flasche war nun fast leer. Hat sie das alles allein getrunken? Sie sah sich in der Dunkelheit um, als suche sie nach wem, der ihr das Laudanum weg gesoffen hatte. Doch sie war alleine...
"Es wird nicht mehr wie vorher..." murmelte sie einem unsichtbaren Zuhörer zu, ehe sie auf dem Stuhl in einen tiefen, Drogen durchtränken Schlaf fiel, aus dem sie so schnell nicht würde aufwachen... Immerhin war er traumlos....
Elda war voll gerüstet. Es war unbequem und zwickte hier und dort. Und doch saß sie zurückgelehnt auf einem ihrer Stühle. In ihrer Zuflucht. Die Armbrust lag auf ihrem Schoß. Sie war geladen und auf die Tür gerichtet, als erwarte sie jede Sekunde, dass jemand herein kommen würde um sie zu töten. Der Finger am Abzug zitterte. Genau wie vorgestern Abend, als die Spitze des Bolzens noch auf Konstantins Herz gerichtet war.
Sie schloss langsam die Augen und ihr Zeigefinger spannte sich an. Ein leises surren der Sehne, wie eine wunderschöne Melodie in ihren Ohren. Der Bolzen steckte tief im Holz der Türe. Ihr Kopf fiel in den Nacken. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Gestern Abend bei Konstantin dachte sie noch es würde sich alles mit Leichtigkeit klären. Ein bitteres Lachen erklang. Sie kannte Nikolaj nun schon so lange...Sie wusste genau wie er seien konnte. Sie hatte ihn oft genug so erlebt wie heute. Nur war normalerweise nicht sie das Ziel seiner, durchaus ernst zu nehmenden, Drohungen gewesen.

"Soll ich dich etwas mit belanglosem Kram ablenken? Zur Abwechslung?"
"Du kannst es ja versuchen wenn du möchtest. Aber mich...interessiert es mehr, wie es war,
als du den Abzug gedrückt hast."


Sie dachte stirnrunzelnd an gestern Abend. Wie sie dort in der feuchten, kalten Ecke des Kellers saßen.

"Weiß du... ich hab zuerst auf dein Herz zielen wollen.
Ich hab dein Schwert in seinem Bauch gesehen und... um es drastisch auszudrücken...
in dem Moment hab ich dich gehasst."


Nikolaj wird das niemals verstehen. Er wird ihr niemals glauben, dachte sie sich bei der Erinnerung an die Unterhaltung mit Konstantin.

"Du kannst unberechenbar sein, dass weisst du sicher selbst.
Ich wollte nur dass du von Niko weggehst.
Ich hab gezielt, mein Ziel etwas justiert, die Augen geschlossen und zu den Göttern gebetet, dass dich der Schuss nicht töten möge."


Sie mussten in Erfahrung bringen, wer Nikolaj diese Scheiße ins Ohr gesäuselt hatte. Dringend. Sie hoffte nur Konstantin würde bald auftauchen und sie könne ihre Angst mit ihm Teilen. Und sie hatte schreckliche Angst. Ihre Hände wollten einfach nicht aufhören zu zittern.

"Darf ich dich um etwas bitten?"
"Selbstverständlich."
"Lass mich nie wieder eine Entscheidung treffen, zwischen meinem... meinem Vater und dem Mann den ich liebe."


Und nun? Nun musste sie Angst davor haben, dass er sie jagen würde. Das er Konstantin umbringen lassen würde.

"Und mit dir fange ich an! Ich gebe dir drei Augenblicke um zu verschwinden, dann hetz ich die Köter auf dich!

Sie zuckte zusammen, als hätte sie gerade ein Peitschenhieb getroffen.
"Was im namen der Götter ist nun schon wieder passiert?" Sie drehte den Kopf langsam gen Kamin. Venthos war wach geworden...
Seiten: 1 2 3