FSK-18 Grübeleien
#3
Das Mondlicht brach sich im schneeweiß ihrer Kleider und den um die Haare gewundenen weißen Tüchern. Wie ein Wasserfall aus flüssigem Mondsilber wogte die Gestalt erst noch vorsichtiger, dann mit jedem der unzähligen tänzerischen Seit- Vor- und Rückschritte , immer sicherer, über die Plattform des Turms. Irgendwann tauchte ein alter schlichter Dolch in der schlanken Hand auf und gliederte sich ein in die Bewegungen. Eilige Stiche in verschiedener Höhe. Paraden und Finten gesellten sich dazu.
Nur langsam wurden aus den Bewegungen die am Anfang eher wirkten wie ein nach einer Fliege schlagendes Kind, auch tatsächliche Kampfbewegungen.
Wobei alles mehr träumerisch, spielerisch, tänzerisch wirkte. Mehr eine Kunst als ein Kampf. Und doch lag etwas absonderlich gefährliches darin. Oder war dies nur der Surrealität der Szene zuzuschreiben, die noch zunahm als sie schließlich auf das Geländer kletterte und dort sehr vorsichtig entlang balancierte. Irgendwann war die weiße Gestalt verschwunden. Wobei sie sich um genau zu sein eigentlich nur niedergelassen hatte und die Gedanken etwas schweifen lies.
… einige Tage zurück.


dort oben über den mauern war es schön gewesen. Sie hatte mit ihm zusammen dort oben alles vergessen können. Auch wenn das was er ihr erzählt hatte ihr nicht gefallen hatte. Zu dem Zeitpunkt waren für sie unter dem mondhellen Himmel nur zwei Möglichkeiten logisch erschienen. Entweder er würde mit ihr spielen und eine vergnügliche unverbindliche Zeit verbringen wollen. Dies war für sie zu dem Zeitpunkt nicht zu bewältigen. Dafür hatte sie ihn schon nach der kurzen Zeit zu sehr ins Herz geschlossen.
Die andre Möglichkeit wäre gewesen dass er weitermachen wollte wie bisher und sie einfach als Schwester sah. Das wäre möglich, aber irgendwie mogelte er sich dafür zu oft in, manchmal auch nicht ganz jugendfreie Träume. Und ab und an ertappte sie sich bei etwas Eifersucht wenn er den andren Frauen nachstellte. Ab und an ertappte sie sich bei dem Wunsch ihn einfach zu packen und gegen die nächste Hauswand zu drücken. Und dann, je nach Version dieses Wunsches, ihm einen Dolch durchs Herz zu jagen oder ihn einfach lang und leidenschaftlich zu küssen. So oder so war auch diese Idee momentan zu verwerfen.
Der kurze Kuss hatte sie gänzlich aus der Bahn geworfen. Warum tat er das? So oder so würde es nicht gut enden.
An den Tatsachen hatte auch das Gespräch am folgenden Tag nichts geändert. Aber seitdem wirkte alles einfacher. Das Geständnis dass er tatsächlich in Erwägung zog in ihr mehr zu sehen als eine Schwester und definitv nicht nur auf eine Liebelei aus war, hatte sie erstaunt und auch erfreut. Alles konnte, nichts musste. Es fühlte sich seltsam an. War es im Grunde nicht vorher auch so gewesen?
Der Unterschied bestand wohl lediglich darin dass er ihr das Gefühl gab nicht irgendwer zu sein und dass sie sogar irgendwie gewillt war ihm das zu glauben.
Der leise Anflug von Eifersucht als sie vom fest erzählt und ihm die zur verfügung stehenden Garderoben vorführte, war irgendwie rührend. Seiner Schwester kurz darauf klarzumachen wieso sie in etwas, was man gerade einmal als lederne Unterwäsche bezeichnen konnte, durch die Wohnung lief als ihr Bruder da war und gar so zerwühlt drein sah, war ungleich nicht so lustig. Dabei war die Situation TATSÄCHLICH unverfänglich gewesen. Dass er sich so artig umgedreht hatte, hatte sie fast erstaunt. Jedenfalls war Gwen das ganze sichtlich unangenehm. SO unangenehm wie ihr selbst es war als sie sie nun auch noch ausquetschte was es mit dem Fest auf sich hatte. Da ihr klar war dass ihre Freundin nicht nachgeben würde in ihrer Neugier, hatte sie es ihr erzählt. Wohl wissend, dass sie mal wieder in den spießigen Augen der Mithrasgläubigen, nicht gut wegkommen würden.
Und wie erwartet war sie ziemlich entsetzt gewesen. Sie liebte Gwen aus tiefstem Herzen. Die Kleine war ihr Freundin und Schwester geworden. Sie verurteilte sie nicht, aber ihre Reaktion auf für sie so ganz gewöhnliche Dinge, führten ihr immer wieder so überdeutlich vor Augen, worin das Problem lag. Sie waren mit den alten Göttern nie in Berührung gekommen. Sie hatten nie gelernt sich Gedanken zu machen ob dies gut oder schlecht war. Sie kannten nur die Idee einer mithrasgefälligen Welt und stellten diese, und seine Diener nie in Frage. Ana machte ihnen dies wahrlich nicht zu Vorwurf, ungleich kam sie nicht umhin es als kurzsichtig zu betrachten. Sie fanden ihren Glauben nicht schlecht weil sie ihn ablehnten, sondern einfach weil sie nicht einmal auf die Idee kamen ihn sich anzusehen. Und dies wiederrum stimmte sie traurig. Sie wünschte inständig das Gwen sich eine eigene Meinung dazu machen würde. Denn sie zu verlieren, noch dazu wegen so etwas wie einem Glauben, war für sie nicht vorstellbar. Ihre Sippen zankten sich seid tausenden von Jahren um Riten und Götter und zum Glück wurde dies inzwischen am Stammtisch und nicht mehr mit dem Schwert ausgetragen.
Dennoch würde sie versuchen wieder etwas devoter, etwas stiller, etwas weniger kritisch und kontrovers zu sein. Sie wollte den beiden Veltenbruchs die sie so sehr lieben gelernt hatte, das Leben nicht schwer machen, nur weil sie den Mund zu weit aufriss.

Freunde waren wichtig und man hielt an ihnen fest. Inständig betete sie dass Theresias Worte Welf gegenüber nur ein Schuß vor den Bug waren um ihn dazu zu bewegen sich zu benehmen. Aber irgendwie… zweifelte sie daran. Bei dem Gespräch zwischen den Beiden, so es den wirklich stattfinden würde, wäre sie zu gerne Mäuschen gewesen. Aber sie würde sich ab sofort sehr bemühen nicht der Quell des Konfliktes zu sein.
Denn anders als ihr Bruder hatte sie durchaus gelernt den Kopf unten zu halten. Aber hier kam immer öfter der Wunsch auf, mit dem Kopf durch die Wand zu reden. Sie war Verschlagenheit gewohnt und Lügen, aber genauso war sie gewohnt in Sicherheit zu sein. In Ravinsthal wurdest du an jeder Ecke ausgeraubt. Von dem Wegeglagerer mit dem Dolch, oder von dem Schneider mit der flinken Zunge. Legal, oder illegal. Aber du wusstest auch dass der Räuber dich niemals niederstechen würde wenn du ihm das Geld gabst.
Und so es bis zum nächsten Tag nicht versoffen war, schlugst du es einfach wieder auf die Rechnung oben drauf was er dir gestohlen hatte.
Und hier musstest du dich schon fürchten dass du in den Kerker oder an den Galgen wandertest obwohl du nichtmal etwas getan hattest. Und so kam ihr nun zu gute, dass obwohl ihr Mundwerk durchaus auch lose war, sie eine gewisse Gabe hatte im Notfall doch noch den Mund zu halten. Meistens zumindest. Er war anders. Er konnte um nichts in der Welt seinen Mund halten. Er war zudem ein notorischer Lügner und Weiberheld. Er log um des lügen willens, obwohl er wusste er würde es damit noch schlimmer machen als die Wahrheit. Er hatte jede Nacht eine andre, und versprach mindestens der Hälfte davon die Sterne vom Himmel. Er hinterlies gebrochene Herzen und kassierte dafür regelmäßig Prügel von wütenden Knechten, Vätern und Brüdern. Gelegentlich auch von zornigen Schwestern oder betrogenen Frauen selbst. Doch er konnte es nicht lassen. Er war ein ewiger Quell von Ärgernissen. Ihr Bruder war ein Abenteurer und Tagedieb. Ein Taugenichts und Lügner wie er im Buche stand. Vermutlich war sie deswegen immer die Vernünftige in der Familie gewesen du hatte sich bemüht ein angesehenes Handwerk zu erlernen. Dass sie nun gezwungen war andre Wege zu gehen und das wegen einer Stadt und den Menschen darin, die sich so sehr rühmten rechtschaffen und gut zu sein und auf ihr Lehen in dieser Hinsicht sehr herabsahen, empfand sie als unbeschreiblichen Zynismus des Schicksals.
Aber über all diesen Eigenschaften, die andre nur als schlechte Eigenschaften bezeichnen konnten, wusste sie vor allem eines über ihn zu berichten. Er war ihr Bruder und er liebte seine kleine Schwester mit einer solch unerschütterlichen Loyalität, dass er einfach kein schlechter Mensch sein konnte. Und so lies er sich auch schon immer nur von ihr etwas sagen. Natürlich peinlichst bedacht darauf dass seine Freunde dies nicht mitbekamen. Was sie selbstverständlich dennoch taten, ihre Witze rissen und dafür Prügel von ihm kassierten und er sie mit seinen Geschichten einen tag an den Pranger brachte, und von ihr enger genähte oder unvorteilhaft gekürzte Hosen vorfanden und als sie zurück waren vom Prangerbesuch von der Freundin den laufpass bekamen, die Anabellas Geschichten aufgesessen waren. Dennoch blieb man befreundet. Neue Frauen kamen, und der Wams der eines Edelmannes würdig waren, waren genau so selbstverständlich wie die kleinen Racheakte.

Sie wünschte so sehr hier wäre es mehr wie daheim, und sie wünschte sie hätte hier einen Freund der so war wie er, oder am allermeisten wünschte sie, ihr Bruder wäre bei ihr.

Aber sie hatte auch hier Freunde.
Sie sah hinunter zu dem Haus das sie beherbergte. Zu dem gegenüber und etwas weiter, hinter einigen Giebeln halb versteckt das Haus der Veltenbruchs. Bis zum Armenviertel konnte sie nicht ganz sehen. Aber die die ihr am meisten am Herzen lagen, waren nur einen Steinwurf entfernt.
Simona war ihr so sehr Freundin geworden. Sie mochte ihre gut hinter Demut verborgene Boshaftigkeit. Ihre Loyalität und die perfekte Mischung aus vorsichtiger Vorraussehung und ungezügeltem Wahnsinn. Das einzige was sie herausfinden musste über sie, war wo ihre Loyalität endete. Doch oft dachte sie, dass sie auf die eine oder die andre Weise erstaunt wäre, wäre sie gezwungen es auszuprobieren. Und sie hoffte es wäre eine positive Überraschung.

Carmelina war das totale Gegenteil von ihr selbst. Sie war ein von Grund auf so zartes, fleisiges, guterzogenes und bemühtes Ding, dass es oft nicht wahr schien. Sie war ein zerbrechliches Wesen mit einem sanften Herzen. Carmelina war unerschütterlich Loyal. Oft sogar denen gegenüber die ihre Zuneigung nicht verdienten. Und sie löste in jedem den dringlichen Wunsch aus sie zu beschützen.
Aber sie hatte sich durch Erfahrungen und harte Lektionen auch andre Eigenschaften anerzogen. Ein unbändiger Wille, eine Fähigkeit zu ungezügelten Emotionen, vor allem Wut und eine Zähheit von der jeder alte Ackergaul noch etwas lernen könnte.
Im genauen Gegensatz zu ihr selbst, die aus schlichten und eher unbändigen Verhältnissen kam, die in rauer und ursprünglicher Umgebung aufwuchs und von klein auf die dunklen Seiten des Menschen als angenehm und normal empfunden hatte. Sie hatte nie über etwas schweigen müssen oder katzbuckeln vor andren. Aber sie hatte es sich angeeignet. Sie hatte die Notwendigkeit erkannt und es einfach getan.
Und das war wohl das was sie verband. Beide waren sie arbeitsam, zäh und taten was nötig war um zurrecht zu kommen.

Es gab noch andre auf die Verlass war und die sie zu ihren Freunden zählte. Doch niemand stand ihr hier sonst so nahe wie diese Menschen die in den letzten Nächten durch ihren Kopf geisterten.

Inzwischen war ihr Atem zur Ruhe gekommen und am Horizont dämmerten schon die ersten Strahlen.
Also machte sie sich an den Abstieg und man konnte die wie ein Geist im Halbdunkel wirkende Gestalt noch einige Schritt durch die Gassen huschen sehen, ehe sie durch die Haustür verschwand.


OOC
sollte jemand sich nun ganz spontan denken: sowas wie den Bruder wollte er schon immer spielen. meldet euch gerne bei mir. ich würde mich zumindest langfristig freuen ihn zu treffen. Allerdings wäre mir in dem Fall auch wichtig dass ich mit dem Spieler irgendwie auf einer Wellenlänge liege. Smile
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Grübeleien - von Anabella - 07.06.2013, 18:52
RE: Grübeleien - von Anabella - 22.06.2013, 00:25
RE: Grübeleien - von Anabella - 22.06.2013, 18:00
Feuer - von Anabella - 02.07.2013, 15:05
RE: Grübeleien - von Anabella - 02.07.2013, 15:10
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RE: Grübeleien - von Anabella - 10.11.2019, 20:19
RE: Grübeleien - von Anabella - 29.11.2019, 18:40



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