FSK-18 Grübeleien
#27
Mancher Mensch hat ein großes Feuer in seiner Seele, und niemand kommt, um sich daran zu wärmen.


Die Zeit raste vorbei. Erst gestern kamen dämonische Sternschnuppen vom Himmel und am nächsten Tag hatten sie ein Ritual durchgeführt, einen Mensch begraben, waren von Wachen gejagt worden, hatten eine Frau gerettet und ihr eigenes Leben - mehrfach, außerdem das Weinfest gefeiert, einen verdorbenen Schrein entdeckt, hatten sich Werwölfen erwehren müssen und saßen auf einer Insel fest, während ein Freund in einem dämonischen Koma lag, ein anderer verschwunden war und der Schleier zwischen ihrer Welt und dem Abyss drohte zu reißen.
Zumindest fühlte es sich an als wäre es erst ein oder zwei Tage her.
Man konnte also sagen: eine ganz normale Woche in ihrem Leben.

All das zehrte an den Kräften und doch würde sie sich kein anderes Leben wünschen als das das sie führte.
Außer in den Nächten wo sie nach Hause kam und die Wohnung war leer und die Einsamkeit schwappte über sie wie eine Woge aus schwarzem Wasser und drohte sie zu ersticken.
Früher oder später verließ jeder sie... Sie war es nicht wert geliebt zu werden. Sie war es nicht wert mehr als eine Nebenrolle am Rand eines Lebens einzunehmen. Alle waren fort oder würden es bald sein. Egal wie sehr sie sich in ihr Herz schlichen, wie sehr sie sich um sie sorgte und sie liebte, egal wie sehr sie die Welt auf den Kopf stellen würde, die Flammen des Abyss löschen, Mithras Sonne verdunkeln und alle Gefahren mit ihren eigenen Händer zerquetschen würde um sie zu retten... irgendwann waren sie wieder fort.

Egal ob es ihre Gefährten waren, oder Freunde von früher oder ihre Familie, niemand war mehr da. Carmelina, Ceras, Morkander, Eirene, Irik, Saresh, Nicolas, Lina, Welf, Janusch, Gwen, Ophelia, Garah, Elfie, Gideon, Gwaidir, Sarah, Livera, Angus, Einar sogar Rielaye und vor allen anderen Ihr Bruder... Alle hatte sie verlassen. Manche weil sie wollten, manche weil sie mussten. Und mit Jedem von ihnen fühlte es sich an als würde ein kleines Stück von ihr selbst sterben. 

Des Tags gelang es ihr meist nicht darüber nachzudenken, aber wenn sie zur Ruhe kam, überwältigte es sie und insgeheim fragte sie sich wer sie als nächstes verlassen würde. Würde Kordian wieder aufwachen und Keldron gefunden werden? Würde Kyron dem Wahnsinn anheim fallen? Würden Anouk, Alec, Cahira oder Cois bei ihrer Mission oder in der Schlacht fallen? Auf dieser Insel war der Tod und der Wahnsinn allgegenwärtig. 

War ihre Stimmung sonst schon oft gedrückt, nagte die Nähe zu dem Portal ins Verderben ganz besonders an ihr. Sie spürte wie es täglich schwerer wurde gegen ihre eigenen Dämonen anzukämpfen. Gegen Angst und Verzweiflung, gegen Schuld und besonders die Einsamkeit und das Gefühl nicht zu genügen. 

Ihr war klar, dass bevor sie irgendeinen anderen Feind besiegen konnte, sie sich selbst und ihre inneren Dämonen besiegen musste. Aber das... war wohl das schwerste von allem. Sie musste sich zusammenreißen. Wie sollte sie eine gute Druidin sein oder etwas erreichen, wenn sie über ihre metaphorischen Füße stolperte?

Aber sie war so müde... so verflucht müde. So glücklich es sie machte andere lächeln zu sehen, so neidisch war sie auf jeden der eine Schulter zum anlehnen hatte... vor allem eine die nur ihm gehörte. Ihr war das nicht mehr vergönnt und würde es vermutlich auch nie wieder sein. Aber Ana sprach nicht darüber wenn es sich vermeiden lies. Am ersten Abend auf der Insel war gegenüber Keldron alles unter Tränen herausgeplatzt und gestern hatte sie ein wenig im Suff bei Julia geklagt. Aber die meiste Zeit versuchte sie es mit sich selbst auszumachen oder es so gut es ging von sich zu schieben. Aber langsam... wurde sie zu müde dafür... langsam schwanden die Kräfte und sie suchte immer öfter ihr Heil in den Träumen. Die Träume in denen die Welt gut war und Sorgen keine Bedeutung hatten. Träume in denen wenigstens Galates bei ihr war und sie gemeinsam schwiegen und sich doch so viel sagten. Träume in denen alles unendlich klar war...
Aber letzten Endes konnte selbst er diese Leere in ihr nicht füllen...




Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.


Als sie mit dem Hexer sprach, war da ein Gefühl von Sympathie und Verständnis dass sie sich nicht erklären konnte. Es war als wäre er kalt geworden und gleichgültig. Er maß den meisten Leben auch nicht viel Bedeutung zu, wie es ihr schien. Dennoch verriet ihr sein Verhalten und seine Worte, dass da noch dieser kleine Funke Hoffnung in ihm war. Auch wenn er vermutlich andere Ziele und Wünsche hatte als sie, war sie fest überzeugt, dass jemand der noch hoffte, noch zu retten war. Jemand der nicht ganz aufgegeben hatte, wehrte sich auf irgendeine Weise gegen das Unvermeidliche. Und so jemand war es wert, dass man ihn nicht fallen lies.

Ana sah die Menschen um sich mit anderem Blick als die meisten. Sie sah die Welt durch das Augenglas des unverbesserlichen Optimisten. Natürlich hatte sie das Leben und besonders auch ihr Weg zur Bardin, gelehrt Menschen und Situationen analytisch zu betrachten, Hintergründe zu hinterfragen und Motive zu beachten, aber all das musste bevor sie daraus endgültige Urteile fällte, stets der Frage standhalten, ob noch etwas zu retten wäre. Ihr war klar, dass es da draußen und sogar in ihrer Mitte - wenn sie mit ihrem Urteil richtig lag, Leute gab die die Welt brennen sehen wollten, die bereit waren für sich selbst oder einen Rausch von Macht, den Abyss zu entfesseln. Leute die bereit waren über Leichen zu gehen und sogar die Existenz zu opfern weil sie nicht mehr weiter als über ihre eigenen überschwappenden Emotionen hinausblicken konnten oder wollten. Aber sogar da... Ana WOLLTE glaube, WOLLTE vertrauen so lange es ging. Sie weigerte sich hartnäckig aufzugeben. Sie weigerte sich den Tatsachen ins Auge zu blicken, würden Manche sagen. 

Sie hingegen klammerte sich an den Gedanken, dass sich im entscheidenden Moment viel mehr Menschen für das Richtige entschieden, als man erwarten würde. In Anas Gedanken lebte in jedem von uns ein kleiner Held, der nur darauf wartete ans Tageslicht zu kommen - Und sei es nur für einen kurzen Augenblick. Natürlich war ihr bewusst, dass das unfassbar naiv war, aber es gab so viele die Misstrauen an den Tag legten, da war es wichtig, dass einer an die Menschen glaubte, wo es kein anderer mehr tat. Meist nicht einmal die Leute selbst. 

Das Gespräch mit Kyron hatte es ihr gezeigt. Er versteckte sich hinter einer Maske aus Selbst- und Fremdhass, einem Panzer aus Gewalt und Kälte und vermutlich war das auch das was einen großen Teil seiner Existenz ausmachte, das wollte sie wahrlich nicht bestreiten. Aber manchmal glaubte sie etwas anderes zu sehen. Manchmal glaubte sie zu erkennen dass er zögerte, sich wehrte gegen seine inneren und äußeren Dämonen und dann in manchen Augenblicken etwas zu tun oder zu sagen, das ihr den Glauben daran zurück brachte, dass unter all den eigennützigen Entscheidungen, er in dem Moment wenn es auf Messers Schneide stand, das richtige Tun würde.

Natürlich war so ein Vertrauen Wahnsinn. Natürlich konnte eine falsche Einschätzung bedeuten, dass alles explodierte, aber wenn sie nicht bereit wäre zu vertrauen...
Schließlich hatten die Götter ihr vertraut. Sogar dann, wenn sie es am wenigsten verdiente. Und das musste sie zurückgeben.
Unbeirrbar gab sie also nie auf nach Lösungen zu suchen, egal worum es ging. Vielleicht ließ sich eine Innes Mithras falschem blendenden Licht entreißen oder einige Hexen dem Abyss, oder wenigstens einige Freunde ihren eigenen kleinen inneren Dämonen.

Manchmal allerdings... kostete einem dieses Vertrauen viel. Rückblickend wurde ihr klar, dass es sie vermutlich mindestens Einar gekostet hatte. Denn diese Beharrlichkeit war der Hauptgrund ihrer Auseinandersetzungen gewesen.

Aber sie war wie sie war und was das anging konnte... nein WOLLTE sie auch gar nicht aus ihrer Haut.

Dennoch war Ana... unendlich.... müde....
[Bild: Anabella-Signatur.png]
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Grübeleien - von Anabella - 07.06.2013, 18:52
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Feuer - von Anabella - 02.07.2013, 15:05
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