FSK-18 Grübeleien
#25
Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern



Die letzten Tage waren seltsam ereignisreich gewesen. Offenbar begann sich die Trägheit die Ravinsthal fest im Griff gehalten hatte in den letzten Wochen, langsam aufzulösen. Die Taverne war in den letzten Tagen immer besucht gewesen, wenn sie geöffnet hatte und einmal war es gar so voll gewesen, dass sie einen zusätzlichen Stuhl an de Tresen rücken mussten. 

Aber gerade auch noch plötzlich Gestalten aus ihrer Vergangenheit auftauchen zu sehen, war irgendwie skurril.
Nun wusste sie wie Elda sich gefühlt haben musste als sie an ihre Tür geklopft hatte.
Es war schlicht und ergreifend skurril. Es war als würden Geschichten die man irgendwo mal gehört hatte, lebendig.

Und dass nun auch noch gerade jetzt, wo es  in ihrer Beziehung so miserabel lief, ihr Exfreund mitten in Rabenstein am Markt stand, war einfach surreal.

Und er hatte immer noch dieses hübsche flammende Haar und diese unverschämte Grinsen. Er war einige Jahre gealtert, wie auch sie, aber das änderte nichts daran, dass Welf immer noch verflucht gut aussah. Sie erinnerte sich an rotes Haar im Schein des flackernden Lagerfeuers und Fingerspitzen die über ihren nackten, schweißnassen Rücken fuhren. An ein paar grüne Augen die sie mit so viel Zärtlichkeit betrachteten.
Sie fühlte das Holz und Stroh unter sich, als sie auf dem Heuboden des Stalles übereinander hergefallen waren.

Nicht alles war schlecht gewesen. Um genau zu sein war wirklich wenig von dem was sie miteinander erlebt hatten, tatsächlich schlecht gewesen. Aber sie erinnerte sie auch nur zu gut, dass da zwischen ihnen nie viel gewesen war, außer verzehrender Leidenschaft. Zumindest was das Thema Beziehung anging. Das zwischen ihnen waren immer Flammen gewesen, Flammen die nur Asche zurückließen.

Aber irgendwie hatten sie es damals geschafft aus dieser Asche, zumindest eine kleine unscheinbare unkrauähnliche Pflanze zu ziehen, die eine etwas seltsame Art von vorsichtiger Freundschaft war.
Sie hatten sich am Ende eben zu gern gehabt um es wegzuwerfen, nur weil es nicht geklappt hatte.
Und diese Feststellung war noch heute, so viele Jahre später, irgendwie beruhigend.

Nun erinnerte es sie aber auch schmerzlich daran, dass es nie gut gegangen war. Aber eines stand fest. Wenn es dieses Mal zu Bruch ging, würde sie sich nicht mehr auf sowas einlassen. Es gab genug in ihrem Leben, das ihren Einsatz lohnte. Männer gehörten offenbar nicht dazu. Dennoch drückte sie sich seit Tagen um das Gespräch und Alec hatte sie wieder ins Wanken gebracht "Kämpft für eure Liebe. Ihr könnt es noch" "Er hat Marie für dich verlassen. Das bedeutet doch was." Und auch wenn sie ihm klarzumachen versucht hatte, dass zumindest letztes, entgegen aller Gerüchte, nicht den Tatsachen entsprach, zumindest nicht gänzlich, hatte es sie nachdenklich gemacht. Sie hatte kein gutes Gefühl. Alles sagte ihr sie sollte den von dieser Kutsche, die viel zu viel Fahrt richtung Abgrund  aufnahm, abspringen, so lange es noch ging. Dennoch war sie nicht bereit dazu. Wenn er neben ihr schlief, dann musste sie an die vielen schönen Dinge denken, die sie verband. Sie brachte es nicht übers Herz das wegzuwerfen. Nicht ohne das Gefühl zu haben, alles versucht zu haben.



Bedauern bringt im Leben nichts. Es gehört zur Vergangenheit. Alles, was wir haben, ist das Jetzt.

Die andere Begegnung aus der Vergangenheit, war noch kontroverser für sie. Ab dem Moment wo sie seinen Namen gehört hatte, hatte sie förmlich fühlen können wie sie Erinnerungen an die Oberfläche kämpfen wollten. Und es hatte sich angefühlt als wären es keine guten. Und dass er so abweisend reagiert hatte, hatte erst recht ihre Alarmglocken schrillen lassen. Es war klar, dass er wusste wovon sie sprach, sich an mehr erinnerte und es vor ihr verheimlichte. Sie war den Gesprächen gefolgt aber es kam einfach nicht zurück.

Gerade als sie bei einem Gläschen in der Taverne beschlossen hatte, es gut sein zu lassen, hatte er diese Geschichte erzählt. Und bei jedem seiner Worte kamen die Erinnerungen mehr und deutlicher zurück. Wenn sie auch abwichen von seinen Schilderungen. Corbin, der so verzweifelt in ihrer Stube stand und überzeugt war, dass seine Dienstherren ihn verschwinden lassen würden. Und alles wegen dieser elendigen rothaarigen Hexe, die die Leute gegeneinander ausspielte. Was er an ihr gefunden hatte, hatte sie nie verstanden. Aber andererseits hatte sie ihm auch immer schöne Augen gemacht. So oder so, würde die Geschichte die sie erzählt hatte, ihm noch den Hals kosten.
Sie hatte darauf bestanden ihn zu begleiten, aber er meinte er wollte sie nicht mit reinziehen und er würde schon irgendwie heil zu Alines Hof kommen.
Er hatte sich geirrt. Am nächsten Tag... war ihr Freund tot. Und sie wusste dass einer von ihnen dahinter steckte. Nicht genau wer, auch wenn sie eine Verdacht gehabt hatte, aber dass sie es waren, stand außer Frage.

Nun wo Exael es erzählt hatte, da musste sie sagen, dass das mit den Fallgruben, wirklich sehr nach ihm klang. Er war immer mehr der Typ Mensch gewesen der lieber vorbereitet war, statt sich überraschen zu lassen.
Dass er selbst hineingestürzt sein sollte, das hingegen, klang weniger nach ihm. Aber wer wusste was im Dunkel der Nacht tatsächlich geschehen war. Vermutlich nur die Götter.

Sie hatte damals geschworen seinen Mörder zu finden, aber sie hatte es nie geschafft die Beweise zusammenzutragen. Statt dessen war sie auf immer mehr Intrigen gestoßen. Nicht wenige gar innerhalb ihres Hauses. Die Greifenfelse trauten sich untereinander selbst nicht über den Weg. Gleichgewicht.. Schatten und Natur. Diese Familie war durch und durch Schatten gewesen. Man überließ nichts dem Zufall. Garnichts. Langsam, ganz langsam durchschaute sie diese Aspekte. Zumindest ein winziges bischen.
Aber sie erinnerte sich auch, dass je mehr dieser Intrigen sie fand um so klarer sah sie, dass beinahe alle auf 2 Gestalten zurückzuführen waren. Predragor, der zumindest so gänzlich keinen Hehl daraus machte, Moral und Gesetz nicht übermäßig ernst zu nehmen. Er interessierte sich nur für sich, seinen Vorteil und seinen Geldbeutel und das schrie er mit jeder seiner Taten förmlich in die Welt hinaus.
Und das zuckersüß unschuldige Gesicht von Lyanna Ennisfree. Ihr Lächeln, ihre Sommersprossen und ihre Hilfsbereitschaft, täuschten die meisten darüber hinweg, dass hinter dieser Fassade jemand lauerte, der wusste wie er Menschen und Situationen zu seinem Vorteil manipulieren konnte.
Und so sehr sie diese Fähigkeit respektierte, so sehr hasse sie sie dafür. Denn diesem war ihr Freund zum Opfer gefallen.
Außerdem erinnerte sie sich, das die Greifenfelse schon damals ihre gierigen Finger in Richtung ihrer Heimat ausgestreckt hatte. Oh natürlich nicht nur sie, aber eben auch. Und sie hatte sie immer sehr genau im Blick gehabt deswegen, um ihnen wo immer sie konnte in die Suppe zu spucken.



Viele leben zu sehr in der Vergangenheit. Die Vergangenheit soll ein Sprungbrett sein, aber kein Sofa.

Aber dann sah sie in sein Gesicht und sie kannte diese Müdigkeit. Oh nur zu gut kannte sie diese.
Und sie hatte zugehört und sie hatte in seiner Geschichte eins gesehen, dass er zwar der Täter war, aber auch das Opfer. Natürlich hatte er seine Gefährtin beschützt. Und auch wenn es dumm gewesen war nicht mit ihm zu reden, wo sie doch sowas wie Freunde waren... am Ende... wem hätte er wohl geglaubt? 
Sie selbst wäre für ihre Freunde so weit gegangen und für ihren Gefährten wohl noch weiter. Sie kannte nun beide Seiten der Geschichte und so traurig es sie stimmte, nichts was sie tun würde, würde es ungeschehen machen.

Und wenn sie ihn nun so sah, so gebrochen noch immer, nach all der Zeit. Diese Geschichte ihn wohl nie ganz losgelassen hatte, da hoffte sie statt dessen, dass er in die Zukunft würde sehen können. Dass er die Vergangenheit loslassen könnte, so wie sie es getan hatte.
Seine Familie war fort. Hatte ihn zurückgelassen und mit ihm all ihre gescheiterten Intrigen. Er allein war eine überschaubare Gefahr für sie. Sie war wieder zu Hause. Hatte wieder Wurzeln geschlagen und fühlte sich wie ein Baum der wieder Blüte trieb.
Es war Zeit auch diesen Groll loszulassen und ihm zu helfen ebenfalls Platz zu finden, Wurzeln zu schlagen, die alten Blätter abzuschütteln und neu auszutreiben.



An der Vergangenheit festzuhalten ist gefährlich. Man muss einfach weitermachen.

Sie war nicht dumm. Sie würde ihn sehr genau im Auge behalten. Aus so vielen Gründen. Aber sie hatte ihm auch gesagt, dass sie sich erinnerte, dass sie es ruhen lassen würde. Dennoch war die Warnung deutlich, dass er an diesen Dingen nicht rühren sollte, denn sonst, würde es am Ende doch noch böse für ihn enden.

Ana hoffte sehr, dass ihre Botschaft angekommen war. Sowohl die ausgestreckte Hand, als auch ihre Warnung.
[Bild: Anabella-Signatur.png]
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Grübeleien - von Anabella - 07.06.2013, 18:52
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Feuer - von Anabella - 02.07.2013, 15:05
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