FSK-18 Grübeleien
#24
Man soll die Dinge so nehmen, wie sie kommen. Aber man sollte auch dafür sorgen, dass die Dinge so kommen, wie man sie nehmen möchte.



Wieder saß sie auf dem Balkon und ließ den Blick schweifen. 

Sie war froh und dankbar über das Gespräch mit Anouk, es hatte die letzten Zweifel ausgeräumt. Fast noch mehr jedoch, hatte ihr das Gespräch mit Kordian geholfen. Auch wenn er sich dessen vielleicht nicht bewusst war. Er schien ihr nie als jemand der viel redete was nicht nötig war. Besonders nicht als jemand der oft ungefragt seine Meinung zu etwas kund tat und erst recht nicht wenn es um die Einschätzung einer Person ging. Aber in dem Fall hatte er es getan. Er hatte ihr ehrlich und deutlich gesagt, dass er glaubte sie wäre auf dem richtigen Weg, dass er auch den Eindruck hatte, dass Anouk nicht an ihr zweifelte und , und das war das was ihr ja der größte Zweifel gewesen war, dass sie jemand war an den sich die Menschen wenden würden, und sie das brauchte. Also genau das was sie hatte sein wollen und dann in Zweifel gezogen hatte.
Keine großen Offenbarungen. Einfach darauf vertrauen dass die Dinge Sinn ergeben würde wenn sie wichtig wurden und die Götter ihr dann die Erkenntnisse offenbaren würden, die sie brauchte.
Warum hatte sie gezweifelt? Die Götter hatten sich entschieden sie als ihr Werkzeug zu nutzen und hatten sie auf diesen Weg geführt. Wieso sollten sie sie also im Regen stehen lassen, wenn es wichtig wurde?
Selbst Easar der gerne Scherze trieb, war nicht boshaft und vor allem nicht dumm genug, an ihrem eigenen Einfluss auf Erden zu sägen.

Sie musste nur vertrauen.
Das Gespräch mit Anouk hatte ihr all das nur bestätigt. Sie war froh, dass jemand, der so anders war als sie selbst, an ihrer Seite war im Zirkel.

Die Ironie in all dem hatte sie schallend lachen lassen. Beim ersten Mal blieb ihr dieser Weg versperrt, weil sie nicht aus ihrer Haut konnte. Weil sie zu sehr sie selbst war und nicht sein wollte wie andere, oder andere sie haben wollten. Dieses Mal war sie drauf und dran zu scheitern daran, dass sie zu sehr versuchte NICHT wie sie selbst zu sein, dass sie zweifelte ob sie richtig war wie sie war.

Dankbar stellte sie fest, während sie zusah wie Sulis sich langsam dem Schlaf hingab, dass zumindest diese Sache in ihrem Leben wieder geregelt war.




Wer mit den Menschen auskommen will, darf nicht zu genau hinsehen.




Doch kaum hatte sie durchgeatmet wurden ihre Gedanken auch wieder trüb.
Sie hatte sich den ganzen Tag abgelenkt. Die ganze Woche um genau zu sein. Sie hatte Leys Pferde gefüttert, Hafer angebaut und Mais und war sogar bis nach Candaria geritten. Sie hatte Futter gemischt und unten eingelagert. Sie hatte sich 2 Zuchtpferde von Ley geliehen um mehr Farbe in ihre Sammlung zu bringen und sie hatte jeden verfügbaren Winkel der Wälder abgelaufen.
Doch nichts von all dem sorgte dafür, dass sobald sie damit aufhörte, das Grübeln nicht zurückkehrte.

Der Besuch von Dewain, der natürlich wie zu erwarten, Innes mitgebracht hatte, hätte so schön sein können. Auch als Alec spontan hereinsah um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung war, hatte es sie gefreut.
Danach war der Abend den Bach hinunter gegangen. Wie zu erwarten war das Gespräch auf die Morde gekommen. 
Und wie so oft wusste sie nicht was sie dazu sagen sollte.
Sie hasste diesen Kerl aus tiefstem Herzen. Und aus so vielen Gründen. Weil er sie einschüchterte, weil er dafür verantwortlich war, dass sie sich zu Hause nicht sicher fühlte und wenn sie allein auf den Straßen untewegs war. Weil er Leute umbrachte. Aber vor allem anderen, weil er die Dinge kompliziert machte. Dass Einar irgendetwas wusste oder vermutete, war ihr schon lange klar. Spätestens seit dem Abend an dem sie ihn zu dem möglichen Zweck solcher Rituale befragt hatte und er so ausweichend geworden war. Sie sollte ihn nicht fragen, er könnte ihr diese Fragen nicht beantworten.
Generell hielt er sich von all dem fern, von all den Ermittlungen und Überlegungen. Auch dass er immer recht still und abweisen war, wenn sie darauf zu sprechen kam, war ihr nicht entgangen. Aber die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass zu bohren nichts bringen würde. Entweder er würde sich öffnen, oder er würde es nicht tun.

Aber all diese Dinge, hatten ihr in den vielen nächtlichen Stunden eine Sache bewusst gemacht. Eine Sache die er vermutlich selbst noch nicht in all dieser Deutlichkeit sah. 



Sein Leben drehte sich nicht um Thalweide, nicht um die Grauwölfe, die Götter, Ravinsthal oder seine Pflichten als Ritter und ganz sicher drehte es sich nicht um sie. Es war diese eine Sache, die der Fixpunkt in seinem Leben war. 
Sie vermutete weil er unterbewusst wusste, dass es das war, was ihm niemand nehmen konnte. Er hatte so oft, so viel verloren, und das... das konnte er nicht verlieren.
Er sagte immer, dass sie aufhören sollte zu suchen, es gäbe keinen Weg raus aus all dem und er hätte seinen Frieden damit gemacht.
Und sie musste zugeben, dass er recht hatte. Nicht weil es wirklich keinen geben würde, für alles gab es eine Lösung, nein, weil er es selbst nicht wirklich wollte.
Wann immer es sie wütend machte, kam das Argument, dass er es sich nicht ausgesucht hatte und sie ihn nicht dafür verurteilen sollte. Und das tat sie nicht.
In ihrer Welt wurden Andere nicht beurteilt danach wer, woher oder was sie waren, sondern danach was, wie und warum sie etwas taten. Und das war der Punkt, den sie so lange verdrängt hatte.
Er hatte es angenommen und zum Mittelpunkt seines Seins gemacht.

Sie hatte gesagt, dass sie sein Licht sein wollte, das ihm den Weg zurück leuchtete, wenn er drohte sich in seinem eigenen Dunkel zu verlaufen... Er war damals schon so abweisend gewesen. Sie hatte es damals nicht gesehen. Doch nun war ihr klar geworden, dass er wollte, dass es so war, aber tief drin, schon längst entschieden hatte, den Rückweg zu ihr zurück, irgendwann nicht mehr anzutreten und das Licht zu ignorieren, dass versucht ihn zurück zu bringen.

Es war wie damals mit Morkander. Im Grunde war in seinem Leben gar kein Platz für sie, aber er wollte sie dort haben und hatte versucht deswegen einen Platz zu schaffen. Nur wo letztes Mal ihr kleiner Raum in seinem Leben immer enger wurde und die ganzen Pflichten und selbstgewählten Aufgaben, diesen immer mehr verschütteten und sie nicht hinterher kamen ihn wieder freizuschaufeln, war dieses Mal einfach ein großer leerer Raum übrig geblieben. Sie hatte sehr viel Platz. Zu viel. Nur dass ganz heimlich still und leise, er so weit weggewandert war von dort, dass er dieses Zimmer seines Lebens, einfach nicht mehr betrat. Manchmal hörte sie ihn am Flur vorbei laufen und manchmal lugte er auf dem Weg wo anders hin, kurz durch den Türspalt hinein.


Als sie sich begegneten, waren Dinge geschehen, die ihn gerade mehr in ihre Wirklichkeit gezerrt hatten und dort war er nicht allein zurecht gekommen und hatte nur zu dankbar die Hand von jemandem ergriffen, der bereit war ihn zu begleiten. Und sie hatte gedacht es würde so bleiben. Was sie nicht gesehen hatte, war dass es nur ein kleiner Besuch in ihrer Realität gewesen war und er nun begann sich dort zu verkriechen, wo er sich offenbar besser auskannte. Wo er niemanden brauchte, der ihm half zu verstehen was um ihn herum geschah.


Kurz wanderte ihr Blick hinunter zu Ned, der munter mit einer der Wachen plauderte. Sie hatte die Jungs lieb gewonnen. Es war schön abends nach Hause zu kommen und jemand gab auf dich acht. Nur dass dies nicht ihr zu Hause war und sobald sie durch die Türe trat, sie allein war. 
Thalweide war ihre Heimat gewesen wenn er da war. Nun.. zweifelte sie sogar daran.





Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen





Ihre Gedanken wanderten zu der Kiste, die gepackt im Regal stand. Schon seit Tagen. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht sie fort zu schaffen. Sie wusste nicht mal wie sie ihm klar machen sollte, dass genau das geschehen war, wovor sie ihn gewarnt hatte. Das Luftschloss stürzte ein, das sie gebaut hatten. Sie hatte immer gewusst, dass es irgendwann so komme würde. Irgendwann geschah es immer. Sie war nicht wie Anouk, oder wie Cahira. Sie war ihres Bruders Schwester. Aber am Ende hatte sie so gehofft sich dieses Mal zu irren. Sie hatte so gehofft, dass es dieses mal wenigstens länger dauern würde. Dass sie ein paar schöne Jahre hatten, bis es auf die eine, oder andere Weise zerbrach. Und vielleicht hätte ihr dieses Mal das Schicksal den Gefährten weggenommen und nicht ihre eigene Schwäche.

Aber am Ende war es müßig darüber zu jammern. Es würde ja auch nichts ändern. Sie liebte ihn, kein Stück weniger als zu Beginn des ganzen. Vielleicht sogar eher noch mehr. Aber es funktionierte nicht.

Ana atmete durch und schob den Stuhl zurück ins Nebenzimmer. Es half nichts es weiter aufzuschieben. Egal wie lange sie wartete, er würde es vermutlich ohnehin nicht verstehen.
Sie hoffte inständig, dass er sie noch bis morgen bleiben lassen würde und dass es nicht endete wie mit Marie. Er hatte damals gesagt, dass wenn er Dinge beendete, er gründliche Schlußstriche zog und der Gedanke, dass er wieder ein Fremder sein würde, schmerzte mehr als sie erwartet hatte.
... Oder...eigentlich... hatte sie es doch erwartet.
[Bild: Anabella-Signatur.png]
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Grübeleien - von Anabella - 07.06.2013, 18:52
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Feuer - von Anabella - 02.07.2013, 15:05
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RE: Grübeleien - von Anabella - 29.11.2019, 18:40



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