FSK-18 Grübeleien
#19
Die Gewissheiten waren fast schmerzhaft klar

Und eine dieser Gewissheiten war: Sie war glücklich. Nein ihr Leben war bestimmt nicht sorgenfrei, das nicht, aber dennoch war sie glücklich.
Ja, zu wissen dass Viginie nie wieder erwachen würde, tat weh. 
Ja, zu wissen dass Alec deswegen unglücklich war und zerbrach, war schwer zu ertragen. 
Ja, dass Cois so viel Schmerz in sich trug was sie nach dem Gespräch mit ihm deutlich in seinen Augen sah, betrübte sie.
Ja, sogar Aygo tat ihr leid, es war wieder einmal verlassen, verraten werden mehr und das nagte sichtlich an ihm.
Ja, da draußen lief ein mörderischer Verrückter herum und tötete Menschen, wegen... ja wegen was?

Dies galt es jedenfalls eindeutig zu unterbinden. Es war kein Tod der darauf zurückzuführen war, dass sich jemand gewehrt hatte und es war auch in ihren Augen zwar ein gewalttätiger aber wohl eher nicht morrigùgefälliger Tod. Er diente nicht als Opfer für die Götter, so viel war klar, und sogar dies wäre kontrovers gewesen, in wie weit es hinzunehmen war, ein unfreiwilliges Opfer, der Göttin darzubringen, die sich durchaus eines gewaltvollen Todes zu erfreuen mochte, aber diese Diskussion musste hier gar nicht geführt werden, denn es war mehr als deutlich, dass dieses Opfer nicht ihr galt sondern anderen Mächten, die tunlichst nicht weiter genährt werden sollten.

Aber nichts von alldem schaffte es mehr als ein unzufriedenes Brummen in ihrem Hinterkopf zu erzeugen. Denn sie war verdammt noch mal glücklich.
Jeden Morgen wenn sie aufwachte und sie die schlafende Gestalt sah, jedes Mal wenn die kleinste seiner Berührungen sie so in Ekstase versetzte, dass sie nicht mehr denken konnte sondern nur noch reagierte, jedes Mal wenn sie erhitzt in seinen Armen einschlief und jedes Mal wenn er sie mit diesem vollkommen ungläubigen Blick ansah, als könnte er nicht glaube, dass sie da war und sie sich nicht in Luft auflöste, tat ihr Herz einen kleinen Hüpfer.

Sie war sich erst nicht sicher gewesen wie sowohl er, als auch Anouk es auffassen würden, dass sie sich in beiden Dingen für ein "Ja" entschieden hatte, war doch, und das war ja wahrlich kein Geheimnis, seine Beziehung zum Rabenkreis wahrlich nicht ungetrübt gewesen in der Vergangenheit. Für vieles davon machte sie insgeheim Magda verantwortlich. Aber letzten Endes war es unerheblich. Dinge kamen und gingen und wir musste einfach daraus lernen.

Versuchen - Scheitern, Besser versuchen - Besser scheitern. 

Und am Ende kamen wir alle da hin, mit den Erfahrungen die nötig waren auf dem Weg, an dem Platz den die Götter als unseren vorgesehen hatten. Und sie würde ihr möglichstes Tun, ein Punkt in seinem leben zu sein, der sie auf den richtigen Weg schubste.
Aber beide hatten ihre Wahl gut aufgefasst. Zumal klar war, dass ihre Loyalität in Zweifelfall bei den Göttern lag. Das hatte sie immer getan, ohne jeden Zweifel. Wenn auch, und das gab sie zu, nicht immer bei den Druiden, in der Vergangenheit.
Er hingegen murmelte nur oft  ungläubige Dinge vor sich hin, dass er es nicht fassen konnte und wie ironisch es war dass ausgerechnet er und eine vom Rabenkreis und dass das schon ziemlich verrückt wäre, aber wenn das kein Beweis wäre, dass die Götter Humor und einen Plan hätten, was denn dann?

Oh ja, er konnte eine gute Ratgeberin sehr wohl brauchen, die ihm die Wahrheiten des Lebens und der richtigen Mischung aus Herz und Verstand, nahe brachte. Und sie hoffte sie konnte ihm dies tatsächlich vor Augen führen zu können... und selbst besser meistern. Denn das war am Ende der Tanz auf der Klinge, den sie alle jeden Tag aufs neue tanzen mussten.
Aber auf sie würde er zumindest hören, so hoffte sie zumindest.

Aber auch ansonst war die Reaktion sowohl auf sie beide, als auf die Tatsache dass sie nun das Schwarz der Raben trug, erstaunlich positiv. Sie würde diese Reaktionen nicht in Frage stellen sondern sich einfach bemühen, dass tunlichst niemand denken musste, dass diese Einschätzung falsch gewesen wäre.




Wachsen, weil wir vergehen...


Das andere, was sie unendlich glücklich machte, war die Gewissheit. Die Gewissheit nach vielen Umwegen dort zu sein wo sie sein wollte. Wie hatte sie eigentlich diese Wahrheit jemals vergessen können? Immer war es so gewesen. Egal welche Entscheidungen sie trafen, egal welche Wege sie wählten, die Götter webten dieses Netz aus Schicksalsfäden, das dafür sorgte, dass jeder am Ende da ankam wo er sein sollte. Und diese Gewissheit machte sie frei. Aller Schmerz, alle Wut, jede Freude und jede Enttäuschung würde sich am Ende gelohnt haben. Denn das war was sie alle zu denen machte die sie sein sollten.
Natürlich machte es den Schmerz in dem Moment nicht besser wenn man ihn empfand, aber sie fand sie Gewissheit zutiefst tröstlich, dass sie einfach nur Vertrauen haben musste und irgendwann würden die Dinge Sinn ergeben.

Natürlich, wenn sie an Alec dachte, dann war ihm das in diesem Moment, wo er seine Liebste verlor und sich so schuldig dafür fühlte, kein Trost und hätte sie ihm gesagt was ihr durch den Kopf ging, wäre er vermutlich einfach sehr wütend gewesen. Also sah sie es als ihre Aufgabe an, ihn zu stützen, damit er nicht zerbrach, bis er Kraft genug fand nach vorne zu blicken und aus seinen Taten und den daraus resultierenden Konsequenzen, Schlüsse zu ziehen und hoffentlich daran zu wachsen. Sicher würde er noch viele Fehler machen, noch viel Schmerz erfahren und sich bestimmt oft überschätzen, aber am Ende des Tages würden diese Erfahrungen ihn zu einem besseren Anführer machen, zu jemanden der einen guten Rat zumindest betrachtete und bewertete und dann entschied ob er für ihn passte. Und eines Tages würde er zurückblicken und sehen dass ihr Opfer an diesem Tag, an Morrgiú und auf gewisse andere Weise auch an Amatheon, Nodons und Mabon, ihm den Weg bereitet hatte.
Und auch andere würden auf ganz andere Weise, wenn auch viel subtiler, von diesem Opfer beeinflusst werden. Nicht zuletzt sie selbst.
Ja sie würde Virginie vermissen, vor allem auch weil sie so wenig zeit miteinander gehabt hatten und sie ihre heitere, sanfte Art gemocht hatte. Aber sie war ihr auch dankbar, denn sie spürte wie sehr sie selbst auch daran wachsen durfte, jetzt schon. 


Und zuletzt war auch nichts wirklich verschwunden. Ihr Körper würden in absehbarer Zeit wieder im Gefüge der Welt aufgehen und Nährboden für weitere Generationen werden, so wie diese es für sie waren.
Ihre Seele würde sich wieder auflösen, wie tausende kleine Funken, wie Sterne, die sich verteilten in die Unendlichkeit aus der sie geschaffen war, und auch dies würde die Götter wieder stärken und diese würden andere schaffen und zu uns senden und ein winziger Hauch der Göttlichkeit, die in jedem Mondwächter lebt, würde einmal ihr gehört haben.
Ihre Erinnerungen und Erfahrungen würden dereinst Galates gehören und sich bei all den vielen ungesagten Geheimnissen und Wahrheiten einreihen, die er beschützte. Und.. so war sie sich zumindest sicher, er würde diese Wahrheiten nutzen um den immerwährenden Plan der Welt, besser lenken zu können.
Aber zuvor würden ihre Erfahrungen und die Abdrücke sie sie in der Welt hinterlassen hatte, dort noch eine Weile verharren, hatte es Galates doch selten eilig, und diese auf subtile Weise, bereits nachhaltig beeinflussen.


Die Welt da draußen...

Sie sah zum Fenster hinaus aufs Wasser und beobachtete wie Sulis langsam am Horizont, ihr Lächeln zeigte und auch sie musste lächeln.
Verdammt, sie war so glücklich. Sie war zu Hause. In so vielfacher Hinsicht. Zu Hause bei den Raben, bei ihren neuen Freunden, in Ravinsthal, bei den Göttern und in seinen Armen.
Und sie wollte verdammt sein, wenn sie diese Momente des Glücks nicht genießen und festhalten würde. Viel zu schnell würden sie sowieso wieder verschwinden und vom Alltag und irgendwelchen Problemen verschlungen werden.
Also entschied sie sich den Sonnenaufgang zu betrachten und einfach zurück ins Bett zu gehen. Die Welt da draußen, würde sicher noch ein paar Stunden länger warten können.
[Bild: Anabella-Signatur.png]
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Grübeleien - von Anabella - 07.06.2013, 18:52
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Feuer - von Anabella - 02.07.2013, 15:05
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