FSK-18 Grübeleien
#13
Schlaflos



Sie hatte dieses Gefühl lange nicht gespürt. Früher war sie immer von Unrast getrieben, seitdem sie Morkander begegnet war, war es besser geworden, seitdem sie diese Träume hatte war es verschwunden. Natürlich war sie noch manchmal aufgewühlt, aber diese Getriebenheit war nicht wiedergekehrt. Bis heute Nacht.

Der ganze Abend war etwas viel gewesen. Was ein gemütliches Sermo hatte sein sollen und vorher ihren Weg nochmals klar bestimmen, war in einer Katastrophe geendet. Wieder mal war sie ausgerastet. Und wer war schuld? Aryn. Er hatte etwa so viel Einfühlungsvermögen wie ein Holzpfosten. Dass er nicht ein einziges Mal sein blödes Schandmaul halten konnte machte sie rasend. Immer wenn sie ohnehin geknickt oder wütend war, musste er nochmal einen draufsetzen. So auch gestern.
Der Abend war ohnehin schon gespickt gewesen mit Fallen und Stolpersteinen und Unwegbarkeiten. Sie fühlte sich als würde sie einen Hindernisslauf bewältigen und zwar mit einem Eimer voll kochenden Wasser auf dem Kopf und Nagelbrettern unter den Füßen.

Sie wusste dass sie was ihre Freunde anging zu Überreaktionen neigte. Aber Freundschaft war ihr nunmal heilig. Sie hatte die ganze Zeit nach diesem Kerl gesucht der Ceras so weh getan hatte. Aber irgendwas in ihr hatte garnicht damit gerechnet ihn wirklich aufzustöbern und nun saß er einfach auf dem Sermo als wäre nichts gewesen. Er schien sich blind darauf zu verlassen dass er damit ungeschoren davon kommen würde. Aber das würde sie nicht zulassen. Auf der andren Seite hatte sie sich als sie sich auf die Suche machte, keinen Moment ernsthaft drüber nachgedacht was sie tun würde wenn sie ihn finden würde. Hätte man sie gefragt hätte sie vermutlich gesagt, dass sie ihn abstechen würde wie ein Schwein. Aber ernsthaft drüber nachgedacht… Nein. Und nun stand er unvermittelt vor ihr. Sie wusste nicht was sie tun sollte und niemand mit dem sie darüber reden konnte. In ihre ohnehin schon frustrierte und aufgewühlte Stimmung hinein war das eine wirklich schlechte Kombination. Als war sie geflohen. Zuerst zum Schrein in der Nähe. Doch der Lärm des Sermos lies keine Ruhe aufkommen. Also entschloss sie sich baden zu gehen. Sie hatte seitdem sie wusste dass dieser Moment am Schrein im Wald kein Zufall gewesen war, beschlossen mal wieder da hin zu gehen. Nun war der richtige Moment. Doch neben der Quelle am Waldboden knien, lies sie immer noch nicht zur Ruhe kommen. Also tauchte sie ganz in das Nass zu ihren Füßen. Ein wenig konnte sie sich sammeln, Erkenntnisse brachte es ihr keine, aber zumindest konnte sie ihre Fassade wieder aufbauen. Zurück am Festplatz waren noch mehr Leute angekommen, andre verschwunden. Sie freute sich Gwendolin zu treffen. Sie mochte ihre phragmatische und kompromisslose Sichtweise und sie fand es gut dass sie ganz und gar ihrer Meinung war dass jemanden umzubringen oder niederzuschlagen ein gänzlich akzeptables Mittel der Bestafung war.

Dass bei ihr offenbar die Entscheidung gefallen war, so wie bei so vielen andren offenbar auch, nur sie wieder einmal nicht die Möglichkeit gehabt hatte diese Dinge zu klären, lag ihr wie ein Stein im Magen.
Ihre Gedanken schweiften zurück. Wie lange war es her dass sie ihn zu Grabe getragen hatten? Wie lange war es her dass eine weinende Agnetha in ihren Armen lag und sie betrunken mit Gwaidir am Tisch saß und dieser fatale Satz fiel? „Ich wünschte ich wüsste eine Möglichkeit euch mehr zu unterstützen“ Und damit nahm alles seinen Lauf. Zuerst war da noch diese Unsicherheit über ihre Entscheidung, dann wurde sie fester, schließlich setzt sie sich sogar für diesen Wunsch ein. Sie hatte zu einer Zeit ihre Hilfe angeboten als es nicht so gut um den Rabenkreis bestellt war. Sie hatte dies getan weil sie für sie ein Stück Heimat in der Fremde waren und ihr die Wenigen die tapfer die Dinge am laufen hielten, alle so nah standen in ihrem Herzen. Doch scheinbar war die Not nicht groß genug gewesen, denn es kam keine wirkliche Reaktion. Agnetha hatte ihren Brief nie beantwortet. Morkander hatte mit ihr darüber gesprochen und geholfen ihre Entscheidung wirklich zu treffen. Auf ihren Brief hin hatte er zugesagt mit den andren zu reden wenn sie zusammensitzen würden, doch ob und was dabei herauskam wusste sie nicht. Statt dessen hatte er sie irgendwann zu Gwaidir geschickt. Dieser hatte ihr zwar einiges erklärt, sich aber sehr mäßig erfreut gezeigt von der Aussicht sie zu lehren und kurzerhand beschlossen dass sie sich nochmals zu dritt zusammensetzen müssten. Sie hatte schon mit Gwendolin alternative Pläne geschmiedet, aber statt dessen…

Kurz seufzte sie. Fast fühlte es sich so an als würde nun, wo sich allerorten neue Anwärter auffanden, sie nicht mehr gebraucht. Sie grübelte nun schon seid Stunden und eigentlich schien ihr nur eine Antwort wirklich logisch: aus irgendeinem Grund war sie offenbar so viel schlechter geeignet als all die andren, die teils nach wenigen Tagen die sie in der Gegend waren, schon aufgenommen wurden. Sie wünschte sich man würde ihr dies wenigstens ehrlich sagen. Sie wünschte sich wenigstens zu wissen warum… oder doch nicht? Es würde nichts ändern an den Tatsachen. Fakt war, siemusste sich damit abfinden nicht gut genug zu sein. Nur ein Plan B gewesen zu sein als die Zeiten schlecht standen. Und nach dem Abend heute und ihrem Ausraster, konnte sie es im Grunde nicht mal jemandem verübeln. Sie würde aufhören andren die Zeit zu rauben. Vielleicht konnte sie zumindest Gwendolin helfen ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen und daran zu wachsen.

Sie selbst würde sich wieder auf andre Dinge konzentrieren müssen. Und da war sie wieder an dem Punkt. Diese Leere die sich in letzter Zeit so oft in ihr Leben schlich. Es gab über die Zeit Menschen die ihr halfen sie zu füllen. Ab und an mit Carmelina zu lachen und zu lästern, Menschen die Kummer hatten und zu ihr kamen, die Momente wo sie neben ihrem Liebsten Nachts einschlief. Diese Augenblicke gaben dem trüben Nebel der sie allerorts zu umgeben schien, Licht und Wärme.
Doch diese Momente kamen ihr selten und kostbar vor. Manchmal hatten Carmelina und sie sich nichts zu sagen, manchmal und immer öfter in letzter Zeit, stritten sie und Morkander und sehr oft saß sie da und hatte nichts zu tun, die Stadt schien wie ausgestorben.
Oft hatte sie diese Leere mit Holzfällen, oder Angeln oder immer öfter kleinen Ausflügen und stiller Zwiesprache mit den Göttern gefüllt. Und es war die Tatsache gewesen dass sie ein Ziel vor Augen hatte, die allem mehr Sinn zu geben schien. Doch nun war all dies weit fort. Sie würde keine Druidin werden, die Grenzen schienen fest verschlossen wie eh und je und schienen sich nie mehr öffnen zu wollen, Langsam erfüllte immer öfter die Furcht ihr Herz, dass sie und der Mann der ihr Leben auf den Kopf gestellt hatte, doch nicht im Alter zusammen auf der Wiese vor dem Haus sitzen würden, sondern er dann nur noch eine von wenigen verbliebenen fernen Erinnerung in dem mit kummervollen Gedanken gefüllten Kopf einer alten verwirrten Frau sein würde, die in einem dreckigen löwensteiner Hospiz vor sich hinvegetierte und darauf wartete wieder in den Göttern aufzugehen.
Ihr steckte ein Kloss in ihrem Hals und sie fühlte das erste Mal seid so langer Zeit wieder diese Getriebenheit. Doch nun wusste sie sie einzuordnen. Es war der Gedanke irgendwas zu tun was in den Erinnerungen anderer verbleiben würde, wenn sie dereinst wieder Teil der Kraft Arkadiens werden würde. Sie wollte nicht dass am Ende ihres Lebens, nichts zurück blieb. Sie wollte nicht dass alles umsonst gewesen war. Sie wusste sie konnte sich nicht verlaufen auf den Wegen des Schicksals, aber sie zögerte weiterzugehen. Was wenn diese Wege alle immer nur im Kreis führten, was wenn es keinen Plan gab hinter all dem und die Wege zwar verwoben waren, aber ohne dass jemals einer von ihnen zu etwas führen würde?
Die Angst schnürte ihre die Kehle zu und so sehr wünschte sie sich wieder die sanfte beruhigende Nähe eines geliebten Menschen zu spüren und einen dieser Momente der Klarheit die ihr Galates manchmal kurz vor dem Morgengrauen geschenkt hatte. Diese hatten ihr immer solche Ruhe und Gewissheit und Klarheit geschenkt, aber auch diese blieben aus… was kein Wunder war, denn auch der Schlaf blieb aus.
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Grübeleien - von Anabella - 07.06.2013, 18:52
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Feuer - von Anabella - 02.07.2013, 15:05
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RE: Grübeleien - von Anabella - 29.11.2019, 18:40



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