Die Veltenbruchs
#3
Damian Pereste - der Sekretär des hohen Hauses

Mit den Schmerzen kamen die Zweifel.
Als er sich auf dem Lager wälzte, ja quälte und zuweilen Tränen in den rauen Stoff seines Kissens nässte war aus dem selbstsicheren, jungen Mann ein Anblick des Elends geworden. Das feine Gesicht, das stets Würde und Alter trug und nur wenig von den wirklichen Gedanken und Jahren des Sekretärs offen gab, war zur leidenden Mimik eines Kindes verschoben, dass Schmerzen und Verlust in die Welt hinaustrug.

Wenige hatten ihn so je gesehen und der Wirt des Gasthauses musterte seinen Gast mal besorgt, mal zufrieden. Durchschritt Damian den Wirtsraum sonst stets aufrecht und wie ein Mitglied des Bürgertums, wirkte er dieser Tage mehr wie der junge Freie, der er war und aus der gehobenen Sprache waren knappe, fordernde Worte geworden, wenn er Wasser und Brot abverlangte.

Unerträgliche Kopfschmerzen, Übelkeit, die Scheu vor Licht und Zittern in allen Gliedern erschütterte Physis und was noch schlimmer war seine Psyche. Denn mit dem Leiden, das alle Monate Besitz von Damian ergriff, folgten stets Erinnerungen, welche die unklaren Gedanken ablösten und ihn eigentlich weit mehr quälten, als alles Körperliche dieses Erbes seiner Mutter.

"Du bist zu jung, mein Sohn. Mäßige dich und tritt nicht mit Worten auf, denen du keine Taten folgen lassen kannst." "Bedenke dein Alter junger Schüler und gewöhne dir diesen Ton ab." "Ein Freier Herr Pereste... ihr seid nur ein Freier."

23 Jahre würde er diesen Monat werden und doch hatte er bereits einiges erreicht. Seine Ausbildung bei des Vaters Bruder hatte er gründlich abgeschlossen, seine Worte und Schriften waren geordnet und sprachen von Bildung und eine gewisse Achtung wurde ihm dort zuteil, wo er sich dem Wirken verschrieben hatte. Er diente mit Hochachtung doch eben auch mit großem Stolz einem Haus, an dem er viel zu kritisieren wusste. Nur selten verbat er sich selbst offene Worte der Mahnung, gar der Lehre und das obwohl er doch selbst noch im Alter eines Schülers war.

"Absurd Damian... all dies ist so absurd. Du der stets klar und humorlos, siehst du es denn nicht?" Er sah es dieser Tage, in den Zeiten der Schwächen. Wie oft mögen es wohl die anderen sehen?

Wenn er wie ein Gelehrter seine Lederkladde trug und mit ihr und hohen Worten seine wahre Emotion verbarg. Die Unsicherheit, die Angst, doch auch Begeisterung und Liebe. Auch Hass und flammende Euphorie waren ihm nicht fremd, doch nichts trat aus dem Kopf hinaus, das nicht wohl überlegt, zuweilen überlegen wirkte. Doch die Krankheit war der Bruch in der wohlgeformten Hülle.

"Ihr seht nicht gut aus, junger Mann. Soll ich einen Heiler rufen... oder eure Eltern?"

Jene waren tot und Damian war kein Mann, der sich nach Familie und Fürsorge sehnte. Doch nun lag er auf dem Bett und entsinnte sich an die kühlende Hand seiner Mutter, später der Magd, die sein Vater ehelichte. An das abgedunkelte große Zimmer im Haus der Perestes und später die Stube des Meisters, der ihn bei dieser Erkrankung ins eigene Bett legte und tagelang mit Tränken und wohltuenden Worten pflegte.

Dies alles fehlte, weil er stets wirkliche Hilfe ablehnte. Er war es der helfen wollte und diente und es läge ihn fern Fräulein Gwendolyn nach einem Trank oder Herrin Theresia nach einem kühlenden Umschlag zu fragen.

So zog sich dies alles unter dem Schatten der eigenen Erhabenheit. Er gewann seine Kraft nur langsam wieder, doch der eigentliche Damian entschwand wieder mit seiner Jugend und seinen Gefühlen und das Gesicht verlor die Spannung um die Seelenruhe nach außen zu tragen, die er eigentlich nie sein Eigen nennen durfte.

Als nach einigen Wochen der junge Mann gut gekleidet, aufrecht und mit kühler Miene die Treppen in den Schankraum stieg, konnte der Wirt nur den Kopf schütteln. Er erhielt einige Münzen der Bewirtung wegen und wie er sich denken konnte der Verschwiegenheit. Denn nur wenige konnten Damian gebrochen sehen und er war der erste, der Sorge trug, dass dies so blieb.

Ein treuer Diener durfte nicht leiden oder privaten Gefühlen nachgehen. Das war seine Politik, so sehr er sie manchmal selbst verabscheute.
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Die Veltenbruchs - von Theresia Veltenbruch - 19.05.2013, 00:40
RE: Die Veltenbruchs - von Damian Pereste - 04.07.2013, 14:16
RE: Die Veltenbruchs - von Welf - 08.10.2013, 20:56



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