Stärke durch Einigkeit
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Geduldsam und freundlich zu sein und Jedem der Familie in seiner Eigenart entsprechend entgegen zu
kommen stellte sich als meist so diffiziles Unterfangen heraus wie das einführen eines dünnen Fadens
in noch dünneres Nadelör, wenn das Licht geizig und die Augen unter bleischwerer Müdigkeit litten.
Was ihr die letzten Wochen an Ausdauer geraubt hatten lies sich ohne eine fehlende Phase des
Müßiggangs und der Ruhe so schwer begleichen wie eine Schuld durch Leigaben. Im Versuch die
Differenz auszugleichen stahl sie sich hier ein wenig Zeit, die andern Orts wieder fehlte oder suchte
nach angenehmen Gedanken die unter zahlreichen kleineren Ärgernissen litten - ein Kampf gegen
Windmühlen.

In den letzten Wochen hatte sie die Nächte um etliche Stunden beraubt, hatte zu hunderte Säcke, Maische
und Gerste gemahlen, kistenweise frisches Gemüse gewaschen, geschält und geschnitten weil der Großteil
aller Vorbereitungen für das gewaltige Spektakel des Turniers, was die Verköstigung anging, an ihr hängen
geblieben waren wie ein entwurzelter Baum der sich auf eigentlich viel zu dünnem Astwerk ausruhte und
sie hatte ihn mit letzter Kraft gestemmt. Auf die Kirche war bereits zur Armenspeißung kein Verlass
gewesen, sie ruhte sich auf den Häusern aus und die Häuser ruhten sich auf dem Organisationstalent
der Familie Jehann aus, während ein Großteil der Familie Jehann sich auf vergleichsweise wenig Personen
aus den eigenen Reihen ausruhte.

Am Ende gründete leibliches Wohl hunderter Personen auf vier Paar Schultern ohne das es mehr als
einer Hand voll tatsächlich bewusst war. Vom Altpatriarchen kam der Wein, von Magda der Fisch
während Tische, Bänke und Becher durch Annabell beim gewissenhaften, hauseigenen Schreiner in Auftrag
gegeben worden waren. An diesem einen Abend sollten die Menschen die Sorge um die Keuche mitsamt
der Last ihres Tagewerks vergessen, sie sollten essen und trinken als wüchsen die gebratenen,
knusprigen Vögel an den Bäumen, als flösse Cervisia und Wein in den Flüssen während sie sich vom
Spektakel der Kämpfe in den Bann ziehen liesen. Dabei hatte sie, als zum zweiten Tage nach aller Arbeit
und Festevität Magda erschien - aufgebracht weil sie fehlendes Lob am rechten Platz nicht hinnehmen
wollte - nicht auch nur einen Gedanken an Anerkennung verschwendet.

Ganz rational betrachtet und darin war Annabell nicht ungeübt, war, was Magdalena beanstandete
Grundpfeiler jeder Gesellschaft. Könige ruhten sich auf ihren Untergebenen aus, und diese wiederum auf
ihren eigenen Angestellten. Zuletzt viel, was für jeden Einzelnen nur einen Handgriff bedeutet hätte, als
ganzes Tagewerk auf eine Hand voll Befähigter zurück , die ganz unabhängig von Stand oder
Berufung, der Mehrzahl regelmäßig den Arsch aus der Schlinge zogen. Wenn man also auch nur ein
Quäntchen Verstand besaß, wusste man das Potenzial dieser Menschen für sich, aber auch in ihrem
Sinne und damit im Sinne aller anderen, die oft garnichts davon mitbekamen, zu nutzen wie
zu fördern. Genauso hielt es der Patriarch der Familie Jehann und Annabell war klug genug ihm dafür
nicht nur ein angebrachtes Maß an Respekt sondern auch ihre Loyalität zu versichern, indem er ver-
trauensvoll jede Aufgabe in ihre Hände legen konnte um sie anschließend in der Gewissheit vergessen
zu können, das sie erfolgreich abgeschlossen wurde. Lob verlor an dieser Stelle seinen Wert, angesichts
dessen das sie sich immer sicher sein konnte, das es seine Beachtung fand und ihr nie zum Schaden
gereichte.
[Bild: annabellg4uw5.png]
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RE: Stärke durch Einigkeit - von Ernst Jehann - 01.05.2013, 16:08
RE: Stärke durch Einigkeit - von Annabell - 12.06.2013, 13:45
RE: Stärke durch Einigkeit - von Magdalena - 24.08.2013, 20:28



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