Stärke durch Einigkeit
#8
Marius Xaver konnte sich nicht erinnern früher so oft so wütend gewesen zu sein, wie es in den vergangenen Wochen der Fall war. Dabei waren es nicht nur einige bestimmte Vorfälle, welche seine innere Ruhe auf eine beinahe unüberwindbare Probe stellten. Vielmehr schien es als würde jeder einzelne verdammte Tag höchstpersönlich bemüht sein schlecht zu verlaufen. Die Tage teilte er schon gar nicht mehr in gute und schlechte Tage ein. Es reichte ihm mittlerweile schon, wenn ein Tag nicht in einer mittleren Katastrophe endete.

Zwar waren einige Vorfälle, wie zum Beispiel der Streit mit Wentzel im Waldstück, einigermaßen aus der Welt geschafft – wobei „aus der Welt geschafft“ mit Sicherheit der falsche Ausdruck war – aber nicht selten war das für das tatsächliche Endergebnis unerheblich. Aus irgendeinem Grund hatte sich Wentzel entschlossen dem familiären Druck nachzugeben und somit einen anderen Weg zu gehen, als es sich sein Cousin für ihn gewünscht hatte. Zwar hatte Marius Xaver damit gerechnet gehabt, dass der Jüngste in der Familie irgendwann diese Entscheidung treffen würde, doch trotzdem hatte ihn diese Erkenntnis unerwartet schwer getroffen. Nur auf Drängen seines hochverehrten Großvaters hatte er die Aussprache mit Wentzel gesucht. Kontakt hatten sie nach den wenigen klärenden Worten allerdings kaum noch.

Dieser Vorfall, sowie einige nachfolgende, hatte stark an den bis vor kurzem noch stabilen Grundpfeilern seiner Welt gerüttelt. Doch durch die Sache mit Annabell, der Bediensteten des Hauses Jehann, war schließlich endgültig alles aus den Fugen geraten. Und in all dieser Zeit war die Wut ein stiller, aber ständiger Begleiter von ihm.
Doch Marius Xaver war nicht wütend auf die anderen. Er war wütend auf sich selbst. Wie konnte er bloß so dumm sein? Die ganze Zeit hatte er sich eingebildet, dass wenn er die Bediensteten mit Freundlichkeit und Höflichkeit behandeln würde, sie ihm im Gegenzug Respekt und Wertschätzung entgegen bringen würden. Aber genau das Gegenteil war der Fall.
Die Begrüßungs- und Abschiedsworte, die er vernehmen musste, wurden immer nachlässiger – wenn er überhaupt welche erhielt. Immer mehr bekam er das Gefühl, dass eben jene Wertschätzung, die er sich erhofft hatte, gar nicht wirklich existierte; der erwünschte Respekt war nur eine Illusion seines Wunschdenkens.
Wahrscheinlich lachten die Bediensteten sogar über ihn, wenn er sich nicht in der Nähe aufhielt. Er merkte doch, wie sie tuschelten, wenn er an ihnen vorbei ging! Und wenn sie ihm ihre Dienste anboten, wie zum Beispiel den Schutz auf der Straße, dann wollten sie ihm in Wahrheit vermutlich sagen: „Wir wissen, dass du für den Patriarchen entbehrlich bist. Und wenn es soweit ist, werden wir dich im Stich lassen. Glaubst du wirklich, dass du dich auf uns verlassen kannst?!

Einer nach dem anderen würden sie sich von ihm abwenden, so wie es Menschen immer tun und es schließlich auch bis jetzt in seinen Leben immer getan haben – immer.
Avatarbild oben: Antonio da Correggio - Porträt eines jungen Mannes

[Bild: 2a2tmecn.gif]

Ich bin der Meinung, dass Werschafe implementiert werden müssen!
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Nachrichten in diesem Thema
RE: Stärke durch Einigkeit - von Ernst Jehann - 01.05.2013, 16:08
RE: Stärke durch Einigkeit - von Marius Xaver Jehann - 11.06.2013, 21:15
RE: Stärke durch Einigkeit - von Annabell - 12.06.2013, 13:45
RE: Stärke durch Einigkeit - von Magdalena - 24.08.2013, 20:28



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