Stärke durch Einigkeit
#10
Nachdenklich musterte Marius Xaver die Zeichnung auf dem Pergament, welches am Boden ausgebreitet war. Je länger er auf diese starrte, desto größer wurde seine Unzufriedenheit. Irgendwie hatte er sich die Aufgabe deutlich einfacher vorgestellt.
Zögerlich näherte er die Feder dem runden Gebilde auf dem Papier, um eine der feinen Linien mit einem kräftigen Nachziehen das Schicksal der Endgültigkeit zu bescheren, die sie vor weiteren Veränderungen bewahren würde. Doch ehe er noch das Pergament erreichen konnte, beendete das Auftauchen einer kleinen weißen Pfote an ebenjener Stelle jäh das Vorhaben.
Rasch wurde die Feder in das Tintenglas fallen gelassen, und bevor die Katze die Skizze überqueren konnte, hatten die feinen Hände des jungen Mannes das Tier ergriffen und den Schoss gelegt. Ein protestierendes Miauen war zu hören, welches jedoch schon bald verstummte, als Marius Xaver die Katze mit Streicheleinheiten zu bestechen begann. Ein zufriedenes Schnurren löste nun das vorangehende anklagende Miauen ab.

Der junge Mann beugte sich nach vorne und hob die linke Ecke des Pergaments an. „Was meinst Du dazu? Könnte das funktionieren?“. Der Tonfall seiner Stimme war etwas gedankenverloren, während das hellblauen Augenpaar die Linien abwanderte. „Mehrmals habe ich mir alles durch gedacht.“, fügte er erklärend hinzu, „Die Berechnungen müssten stimmen, die Abmessungen ebenso. Ich hab alles mehr als einmal überprüft!“. Dabei nickte er immer wieder mit dem Kopf, wie als würde er seine eigenen Worte nochmals bekräftigend bestätigen wollen.
Mit einem fragenden Gesichtsausdruck sah er zur schweigenden Katze, die zwar die Streicheleinheiten sichtlich genoss, aber jedoch offensichtlich keine Meinung zu seinen Berechnungen hatte. Resigniert löst sich sein Blick von dieser und er sah erneut auf die Zeichnung, ehe er schließlich das Blatt losließ, um wieder zur Feder zu greifen. Mehrmals rührte er diese im Glas um und das Geräusch, das entstand, als der Federkiel die Innenseite des Tintenglases berührte, durchbrach die Stille des Raums, der sonst nur das Miauen der Katzen kannte.

Nachdem er sich sorgfältig vergewissert hatte, dass die überschüssige Tinte am Glasrand abgelaufen war, hob er erneut die Feder und visierte einen bestimmten Punkt auf der Zeichnung an. Er würde nun Nägel mit Köpfen machen und ein für alle Mal den Entwurf finalisieren. Doch auch dieses Mal zögerte er. Irgendetwas in ihm wehrte sich dagegen und hinderte ihn der Zeichnung die erforderliche Absegnung zu geben. Marius Xaver neigte zur Perfektion, das wusste er selbst. Doch bei diesem Handwerksentwurf war es etwas anders als sonst. Er wollte nicht nur einen perfekten Gegenstand, nein, er wollte etwas, das weit mehr war als das – nämlich etwas ganz besonderes. Nur die völlige Hingabe und das Herzblut konnten etwas erschaffen, dass nahe einem Wert kommen konnte, was streng genommen gar nicht erreicht werden konnte. Für eine junge Frau, die genau das und nicht weniger verdient hatte.

Plötzlich überkam ihm ein Drang das Pergament zu ergreifen und in die nächste Mülltonne zu werfen. Ruckartig schoss seine Hand nach vorne und mit wenigen Bewegungen wurde das sauber und sorgfältig bezeichnete Papier in ein zerknülltes Etwas verwandelt. Mit einer Mischung aus Resignation und Wut warf er es in eine Ecke, was die Katze zu einem blitzschnellen Sprung weg von ihm veranlasste. Als er die fliehende Katze beobachtete, entkam ihm ein leises und bedrücktes Seufzen. „Es tut mir leid, aber der Entwurf war einfach nicht gut genug. Ich will Handwerksstück, das sie zu strahlen bringt!

Niedergeschlagen ließ er den Blick zu Boden sinken. Seine rechte Hand legte sich auf die Stirn, einige der aschblonden Haare wurden dadurch nach oben gedrückt. „Hoffentlich hat Wentzel gerade mehr Erfolg als ich. Sein Beitrag wird der schwierigste Teil der Aufgabe sein. Möge er es besser hinbekommen als ich es tue …“
Avatarbild oben: Antonio da Correggio - Porträt eines jungen Mannes

[Bild: 2a2tmecn.gif]

Ich bin der Meinung, dass Werschafe implementiert werden müssen!
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Nachrichten in diesem Thema
RE: Stärke durch Einigkeit - von Ernst Jehann - 01.05.2013, 16:08
RE: Stärke durch Einigkeit - von Annabell - 12.06.2013, 13:45
RE: Stärke durch Einigkeit - von Marius Xaver Jehann - 13.08.2013, 18:59
RE: Stärke durch Einigkeit - von Magdalena - 24.08.2013, 20:28



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