Bodkinpfeile für die Kirche
#1
Gort saß zwischen zwei Zacken auf der Mauerkrone, des Tempeldaches, die Füße baumelten über dem mehrere Stockwerke hohen Abgrund. Eine falsche Bewegung und er würde auf den Stufen vor der Kathedrale landen und den alten Stein mit seinem Blut rot färben, doch mit der Höhe hatte er noch nie Probleme gehabt. Der Blick des Novizen glitt über die Dächer der Reichshauptstadt, über das langsam abebbende, doch niemals gänzlich versiegende rege Treiben der winzig kleinen Menschen unter ihm. Sie alle eilten hierhin, eilten dorthin, die wenigsten von ihnen verirrten sich in die Kathedrale um zu beten, noch weniger hielten in ihrem irdischen, nach Geld und Macht strebendem Tun inne, um einmal ihren Geist zu befreien und dieses meisterliche Bauwerk, diese Stein gewordene Lobpreisung Mithras' eines Blickes zu würdigen und sich der Unwichtigkeit ihrer Gelüste, ihrer Gier, ihres Geldes und ihres Lebens im Vergleich zur Herrlichkeit des Sonnengottes bewusst zu werden.

Gort indes war sich bewusst, dass er nur ein Teil des Ganzen war, dass er selbst kaum eine Rolle spielte, doch zumindest hatte er sich entschieden, sein Leben nicht mehr der Befriedigung irgendwelcher unnützen, eitlen und selbstsüchtigen Begierden zu widmen. Diese Entscheidung war endgültig gefallen, als er den Novizeneid gesprochen, die große Indoktrination empfangen hatte und ihm der rote Mantel um die Schultern gelegt worden war. Als Mitglied der Sonnenlegion war in seinem Leben kein Platz mehr für Selbstsucht.
Als Legionsmitglied war er moralisch jedoch auch dazu verpflichtet das bestmögliche Ergebnis aus seinen Fähig- und Möglichkeiten für die Heilige Mutter Kirche und für Mithras zu erzielen. Und hier gab es aktuell noch einen Schwachpunkt.

Zwar hatte er mittlerweile den Bogen weitestgehend gemeistert, sich einen teuren Langbogen aus Linde, der angeblich der beste Bogen war, der hierzulande gefertigt wurde, beschafft und damit schon einige Diener der Finsternis in den Abyss zurück geschickt, doch waren die Pfeile die er in seinem Köcher mit sich trug und den Feinden des Sonnengottes durch den Bogen entgegen schickte, noch nicht das, was er als perfekt bezeichnen würde. Zumindest noch nicht in jeder Situation. Bei un- und mittel gerüsteten Gegnern kam er mit den Blattspitzen- und Stahlspitzenpfeilen gut zurecht und erzielte ein Ergebnis, wie er es sich nicht besser wünschen konnte. Die Blattspitzen gruben ihre Widerhaken tief in das Fleisch der Feinde und bereiteten ihnen so zusätzliche Pein und Wunden, die Stahlspitzen hingegen durchschlugen die mittlere Rüstung des Feindes nahezu mühelos und verletzten die Feinde, die sich darunter in Sicherheit geglaubt hatten schwer. Einzig die schwer gerüsteten Gegner bereiteten ihm noch Sorgen. Die Stahlspitzen konnten sich nur mit Mühe durch die Rüstungen fressen und verloren dabei viel ihres Schwunges, die Blattspitzenpfeile konnte man gleich ganz vergessen, die Spitzen waren zu dünn für diese Aufgabe.
Vor Kurzem hatte Gort sich Pfeile mit Bodkinspitzen gekauft, diese erfüllten all jene Wünsche, die die anderen beiden Pfeilarten offen gelassen hatten. Doch es gab einen Haken.
Die Pfeile wurden nur von sehr wenigen Bognern hergestellt und diese hüteten das Geheimnis ihrer Herstellung wie einen Augapfel. Das konnte Gort einerseits verstehen, aber andererseits sah er sich in der Pflicht der Kirche mit den Pfeilen die er verschoss möglichst wenig auf der Tasche zu liegen. Zudem war es nie schlecht in der Herstellung seiner Munition unabhängig von Lieferanten zu sein. Gort wollte und musste diese Pfeile einfach selbst herstellen.

Er zog einen der gekauften Pfeile aus dem Köcher, drehte ihn lange in den Fingern, betrachtete die Form seiner Spitze und atmete schließlich tief durch. Es war beschlossen!
Er würde herausfinden, wie man diese Pfeile fertigte, bei Mithras!

Gort schwang die Beine über die Brüstung zurück, landete geschmeidig auf den Füße und begab sich auf die Suche nach der Erzpriesterin...
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Bodkinpfeile für die Kirche - von Gort Ehrenfels - 18.08.2017, 01:08



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