Warten auf die Dämmerung
#3
Schlaf war schnell gekommen, und auch die Träume. Es muss Träume gegeben haben, denn sie erinnerte sich gelegentlich wachsam aufgewacht zu sein, und dann allmählich wieder weggedämmert zu sein. So schnell wie der Schlaf und die Träume gekommen waren, so beinahe spurlos waren sie vorübergezogen.

Der Morgen empfing sie mit der bleiernen, dumpfen Schwere im Kopf. Die Tage wurden dunkler und kälter, was eine enorme Erleichterung bedeutete.

Es war alles noch wo und wie sie es zurückgelassen hatte. Die Kerze, ihr Buch, der Mantel, das Salz auf der Türschwelle, das Bett dessen Gestell als Tisch diente, nun da sie in diesem Zimmer einen Tisch hatte mit dem sie die Tür verrammeln konnte, der Wasserkrug der samt Holzbecher neben ihrem Buch und der Kerze darauf wartete. Es wurde Zeit einmal wieder in einem Bett zu schlafen und etwas zu Essen das nicht aus einem Glas kam.

Ein großer Schluck Wasser vertrieb ein wenig von der Schwere in ihrem Kopf, für einen kurzen Moment - genug um in die Gänge zu kommen. Denn ja, sie würde dringend wieder richtigen Schlaf brauchen, und dafür brauchte sie einen Ort der wirklich sicher war, und dafür kam nur ein Ort in Frage.

Ihre Nachforschungen in Candaria waren ins Leere gelaufen, keine Spur soweit von Laura Pechstein. Sie hatte nicht unbedingt damit gerechnet, aber trotzdem ging sie den Spuren Schritt für Schritt nach, und die Mietswohnung in der sie einmal hauste komplett auf den Kopf zu stellen (diese dabei wahrscheinlich halb zerstörend) stand noch nicht ganz oben auf der Liste.

Es folgte ein letzter flüchtiger Blick in das Buch, der, so flüchtig er war, ganz genau wusste was er suchte. Es war alles so wie es sein sollte, und auch wenn sie nicht genau sagen konnte warum, beruhigte sie das, und sie würde am nächsten Morgen wieder nachsehen.

Der Gedanke brachte sie zu einem angrenzenden, der sie einen Moment länger aus dem Fenster starren ließ als sie eigentlich geplant hatte.
Auffällige Männer die des Nachts auftauchen. Unheimliche Männer. Ersteres war der Wortlaut, zweiteres was darin mitschwang. Da waren immer dunkle und unheimliche Gestalten, das war aber nicht was sie ihrer Gegenüber damals sagte. Da waren immer irgendwelche dunklen Gestalten irgendwo, immer irgendetwas das nur am Rande lauerte auf eine Gelegenheit zuzuschlagen, sich zu befreien, einen Weg zu finden... herzukommen. Oder zu bleiben. Das wusste sie.

Die dumpfe Schwere in ihrem Kopf fühlte sich einige Momente förmlich niederdrückend an. Ihr Nacken wurde schwer und sie wollte sich wieder schlafen legen, aber sie wusste, dass sie keine Ruhe finden würde.

Sie würde eine Silbermünze mehr für die Vorhänge hinterlassen müssen, an denen sie sich festgehalten hatte.
Nicht einmal etwas von dem Salz ließ sie zurück, als sie im Laufe des Morgens aufbrach und ihren Weg durch das nebelverhangene Greifanger, östlich ein Stück den Lauf der Küste entlang, und dann immer weiter nördlich, in Richtung des vertrauten Heimathafens einschlug.

Sie begegnete nicht Vielen, und an jenen denen sie begegnete, zog sie im Stillen vorüber, aber die frühen Stunden und das Wetter machten ohnehin niemanden sehr gesprächig.

Die Tage wurden dunkler und kälter und sie war vorbereitet.
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Warten auf die Dämmerung - von Violetta Winter - 26.09.2016, 10:44
RE: Warten auf die Dämmerung - von Violetta Winter - 05.10.2016, 11:41



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