Ehre und Ordnung, das Leben als Ritter
#4
Als er vom Mittagsgebet zurück kommt, hört er Leira's Schreie. Jon beschleunigt alarmiert seine Schritte, als er den Hof überquert und die Türe des Stadtpalais der edlen Vogtin aufschließt. Er und Leira sind für ein paar Tage dort unter gekommen, da die Geburt kurz bevor steht. In eben diesem Moment hofft er, dass ihr Schrei eine gute Nachricht und keine Schlechte verheißt. Nach der zweiten Treppe, beginnt er zu laufen und lässt sich erst an der Türe zum Schlafgemacht aufhalten. Die Amme sieht ihm entgegen und streckt die Hand Einhalt gebetend nach vorne.
»Wartet, edler Herr. Seid ihr sicher, dass ihr zu ihr wollt?«
»Natürlich? Geht es ihr gut?« Jon blickt zur Türe und die innere Unruhe wird stärker. Als Leira erneut vor Schmerz aufschreit, spannt er sich alarmiert an.
»Es geht ihr gut. Sie schlägt sich ganz tapfer. Aber wollt ihr sie wirklich ...«
Er schiebt sie zur Seite und sie gibt den Weg resignierend frei.
»Die edle Heilerin ist bei ihr, mein Herr«, murmelt die Amme noch beruhigend, als Jon bereits ins Zimmer stürmt. Seine stürmische Ankunft wird jedoch mit keinem Wimpernschlag gewürdigt und Jon's Unruhe weicht, als er seine Frau auf dem Bett liegen sieht. Eirene steht über die gebeugt, eine Hand sanft auf den Bauch gelegt. Als ein weiterer Schrei den Raum erschüttert, eilt Jon an Leira's Seite. Sie greift augenblicklich, aber abwesend nach seiner Hand und gräbt die Fingernägel in seinen Handrücken. Er bekommt zu spüren, was er ihr 'angetan' hat.
»Weiter, meine Liebe. Nur noch ein wenig.«
Jon konzentriert sich auf den Schmerz in der Hand, der immer neu entfacht, als sich Leira's Finger eine neue Stelle suchen. Ein paar Augenblicke verfliegen, bis Leira's Laute erschöpft und dumpf werden und stattdessen ein kleines, zartes Schreien einsetzt. Eirene kommt in Bewegung, der weiße Heilerkittel mit etwas Blut befleckt und nimmt unbeirrt das kleine Geschöpf von der Zudecke.
Jon holt erstickt Luft, während er mit offenem Mund neben dem Bett steht und das kleine, zappelnde Wesen beobachtet. Er bemerkt nur am Rande, wie Leira seine Hand frei gibt und reagiert erst auf seinen Namen hin auf ihre Worte.
»Jon. Es ist alles gut.« Die roten Haare hängen ihr zerzaust ins Gesicht und er streckt die Finger nach ihrer Wange aus, um ehrfürchtig darüber zu streichen. Er spürt ein paar Tränen an seinen Fingern und lächelt sanft. Eirene wäscht das Neugerborene und schlägt es in ein weiches Tuch ein, bevor sie es zu den frischen Eltern bringt.
»Herzlichen Glückwunsch ihr beiden.« Leira und Jon sehen gespannt zu der Heilerin hinüber, bis siee verkündet. »Es ist ein Junge.«
Als das kleine, warme Bündel an die Mutter weiter gegeben wird, gilt jeder Blick nur noch dem Kind. Leira legt ihn leicht auf der Brust ab und mustert das kleine Gesicht. Putzmunter strahlen ihr die großen Augen entgegen. Der Junge hat zum Glück Leira's Stubsnase geerbt und nicht seine hakige Nase. Oder sind alle Kindesnasen so niedlich? Die großen Augen stammen ganz eindeutig ebenfalls von der Mutter. In den Zügen vermag sich aber Jon wieder zu erkennen.
»Guten Morgen, mein Schatz. Magst du deinen Vater kennen lernen?«, fragt Leira sanft das kleine Geschöpf und Jon nimmt ihr das Bündel rasch ab, als sie die erschöpften Arme leicht anhebt. Eirene beobachtet ihn, wie er sich das Kind auf den Arm legt und den Kopf fürsorglich hält. Die kleinen, schrumpeligen Hände werden an den Mund geführt und der Anblick ist schlicht hinreissend. Jon lächelt seinem Sohn zu, dessen strahlende Augen ihn völlig in seinen Bann ziehen.
»Wie hübsch du doch bist, Nathan«, sinniert er erleichtert. Leira lächelt sanft, als er den Namen nennt.

[Bild: tibb2mhc.jpg]

»Kommt mit mir Ritter, ich zeige euch eure neuen Verpflichtungen«, verkündet Eirene neckend und öffnet die Türe. »Wir sollten Leira ein wenig Ruhe gönnen.« Sie ruft die Amme zu sich, die sogleich tätig wird, um Bett und Mutter in einen schlaftauglichen Zustand zu bringen.
Jon wechselt noch einen Blick mit Leira, die ihm voller Zuneigung hinter her sieht. Er muss sachte lächeln, denn er weiß, dass er ihre Zuneigung jetzt mit ihrem Sohn teilen muss.
»Wir komme gleich wieder, mein Herz«, verspricht er ihr, als er Eirene aus dem Zimmer folgt.
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