Ehre und Ordnung, das Leben als Ritter
#2
Katzengleich aber dennoch leicht scheppernd kommt er auf der anderen Seite der Veranda auf. Er folgt der grünen Gestalt vor sich, die sich in der Dunkelheit leicht absetzt. Mittlerweilen gewöhnen sich seine Augen an die eingebrochene Finsternis. Sie bewegen sich halb auf allen Vieren, halb in Hocke zur gegenüber liegenden Seite der Hütte. Die Stimme der Frau, welche wohl die Anführerin der Rebellen ist wird lauter. Dann vernimmt Jon ein Knacken aus der anderen Richtung. Ein weiterer Schütze, getarnt aber nicht völlig verborgen patroulliert im Gebüsch. Sein Schatten fällt durchs Fenster und verrät ihn. »Arelia, nimm dir den Schützen im Westen vor.« Die geschickte Frau nickt stumm und hebelt möglichst sacht das Fenster auf. »Heb mich hoch.« fordert sie gedämpft und er hilft ihr durchs Fenster. Sie rollt sich ab und verschwindet, dank der grünen Kleidung wie unkenntlich im Gebüsch. Dann kommt Bewegung in den Trupp draußen und die Rebellen verkünden, dass sie sich mit der Priesterin – Gnaden Teran – zum Feuer zurück ziehen. Er flucht stumm und sein Verstand beginnt wieder zu arbeiten.

[Bild: 65kimpmp.png]

Vor einigen Stunden waren die geeinten Truppen von Greifanger und Hohenquell los gezogen, um die Rebellen aufzuspüren. Der Plan lief soweit gut, die List ging auf. Sie hatten ein Pferd mit Waren beladen, welche die hungrigen Rebellen begehrten. Als die Ware entwendet wurde, nahm einer der Hunde die Fährte auf. So bahnten sie sich ihren Weg durchs Dickicht und wurden von einigen Fallen überrascht. Schlussendlich konnten sie das Lager aber aufspüren und schickten die Vertreterin Mithras' vor, um vielleicht eine friedliche Übereinkunft zu treffen.
Der Rest des Trupps schleicht jedoch weiter ins Lager, sichert ab und festigt schließlich den Gedanken die Anführerin festzusetzen, in der Hoffnung die bewaffneten Bauern würden sich dann ergeben.

Jon flucht noch immer leise, als er Arelia nach draußen folgt. Der Rest ihres Trupps folgt ebenfalls, als die rebellischen Bauern zum Feuer weiter ziehen. Ihm geht vieles durch den Kopf. Du warst zu langsam, hättest nicht auf Arelia hören dürfen, die dich gebittet hat noch auszuharren. Du hättest den anderen Instruktionen geben müssen, dass sie eine Ablenkung starten, wenn der Trupp sich auflöst oder in Bewegung setzt.
Dennoch hatte sich die Situation verändert und wieder müssen sie sich anpassen und schnell vorgehen. Die Zeit drängt, die Priesterin ist nicht sicher in den Reihen der Rebellen. Ums Feuer gescharrt stimmen die Rebellen in ein Gebet ein. Sie legen die Waffen aus der Hand und wirken besinnlich, jedoch klingt die Wachsamkeit nicht ab.
»Miriam hat eine Blendbombe dabei.« lässt Arellus hören. »Jonathan.. Schleich dich los, Runar du auch.. Miriam, wenn Jonathan den rechten Arm anhebt, werf die Bombe in die Menge. Ja, haltet in dem Moment die Augen geschlossen. Anschließend müssen wir Hannah schützen, und die Bauern entwaffnen.«
Jon nickt stumm auf den neuen Plan und geht intuitiv bereits seine Schritte durch. Sie wollen keine Toten. Die Bauern sollen überleben und nur außer Gefecht gesetzt werden. Oder, wenn seine Schritte diesmal schnell genug erfolgen, ihre Waffen nieder legen, weil ihre Anführerin sich mit einem Messer am Hals wieder findet.
Keinen weiteren Moment verschwendend pirscht er sich durchs Gebüsch vor. Trotz des Gebets lungern Wachen im Gebüsch herum und er kommt nicht so nah, wie er es gern hätte, bis er die Blendbombe anfordert. Als er die Hand hebt, heftet er seinen Blick auf seinen Weg, den er gleich laufend bewältigen wird. Er hört das kullern von Metall, dann ein Zischen und schließt die Augen wie geheißen. Mit langen, eilenden Schritten bewegt er sich blind und seinen Sinnen folgend bis zu dem kleinen Zelt vor. Als sich der Rauch etwas verteilt, blinzelt er durch geschlitze Augen und sieht die Anführerin knapp vor sich. Er vollzieht die letzten beiden Schritte und greift an seinen Oberschenkel, um sein Jagdmesser zu zücken. Dann packt er den kurzen Haarschopf der Rebellenanführerin, um sie dicht an sich zu ziehen.
Sie zuckt nicht einmal mit der Wimper, obwohl er ein kurzes, überraschtes Ausatmen hört. Er spürt keinen Triumph, die Anspannung bleibt in seinem Geist und seinem Körper. Kurze Zeit später weiß er weshalb. »Ein Überfall! Zu den Waffen!« brüllt die Anführerin laut und die Rebellen kommen sofort in Bewegung. Jon hört noch wie Arelia gegen schreit. »Legt die Waffen nieder und keinem passieren etwas.« Aber es ist zu spät und auch die Anführerin in seinem Arm macht keinen Unterschied. Er hört das Zischen von Bolzen, dann sieht er Runar, der sich vor ihn schiebt und die Kämpfer aufhält, die der Anführerin zu Hilfe kommen wollen. Jon taumelt zurück, in der Hoffnung die Anführerin am Leben zu halten, als Chaos ausbricht. Er spürt einen Windzug, dann hört er ein Röcheln. Ein Bolzen mit Metallspitze hat scharf den Hals der Anführerin gestriffen. In seinen Ohren klingt noch das Röcheln, dass er kaum bemerkt, wie der Bolzen sich seinen Weg in die aufragende Mauer sucht, welche der Rebellin Halt spendet. Die Mauer ist er und der Bolzen bohrt sich wissend durch die Ringglieder, welche den sensiblen Bereich zwischen Halsschutz und Harnisch bedecken.

Der Schmerz ist ihm in dem Moment egal, denn seine Hand presst sich auf den Hals der Anführerin. Aber er weiß, dass ihr Überleben nicht gesichert werden kann, wenn die eigenen Leute auf sie schießen. Er wollte Arellus eine Befragung ermöglichen, doch jetzt sieht er nur ein blankes Gemetzel. Jon sieht, wie Runar sich weiter in die Meute bewegt. Einer der Kämpfer mit Keule, fasst Jon in den Blick. Immernoch, gar besessen die Wunde der Anführerin bedeckend, wobei bereits ergiebig tiefroter Lebenssaft seine Hand hinab rinnt, sieht er den Schwung der Keule. Er dreht sich intuitiv weg, die Frau an sich ziehend und spürt, wie sein Rippenbogen explodiert. Ihm bleibt die Luft weg und er stößt die Anführerin von sich, die nur noch schlaff in seinen Armen hängt.
Knurrend holt er aus und rammt dem, in Leder gehüllten Rebellen das Messer in den Torso. Flink zieht er die Hand zurück und wuchtet den Griff des Messers gegen dessen Schläfe. Kaum, dass er vorn über gekippt ist, erblickt Jon eine Armbrust, die auf ihn gerichtet ist. Dank dem nahen Feuer sieht er die Wut, gar Hass in den Augen des Schützen. Er hebt schützend den Arm, aber der Bolzen kommt tief und frisst sich zum Teil durch die Beinschiene. Runar stürzt sich auf den Schützen, der von dem gepanzerten Hünen getroffen wird wie von einem Steinschlag. Reflexartig zieht Jon den Bolzen aus seinem Fleisch, verbirgt aber ein Taumeln.
Die Kampfesgeräusche klingen ab und sie finden sich zwischen Leichen und Bewusstlosen wieder. Ein Gemetzel, das ein jeder verhindern wollte. Noch halb im Adrenalinrausch sucht er die bekannten Gesichter, die zwar blass aber wohlauf sind. Sie haben den Aufstand nieder geschlagen, aber wie? War es Mithras sinnen, dass es so geschehen sollte? Jon spürt einen Anflug von Schuld, weil er es vielleicht hätte verhindern können, wenn er nur schnell genug gehandelt hätte. Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Dafür gibt es keine Gewissheit.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Der Rebellenaufstand - von Jonathan Silberfels - 13.03.2016, 12:42
(Un)ruhige Zeiten - von Jonathan Silberfels - 10.05.2016, 11:47
Ein neues Leben - von Jonathan Silberfels - 22.05.2016, 17:07



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste