Orange und blutrot, das Leben als Knappe
#19
Die Sonne kitzelt Jon an der Nase, als er seit Langem einmal wieder zu seinem Lieblingsplatz gefunden hat. Er lehnt an einem Baum, der Baum an dem er die ersten Schießübungen mit Leira gemacht hat. Damals, als jene Berührung noch zufällig war und jeden der Beiden verlegen stimmte, dachte er nicht daran sie zu Heiraten und mit ihr eine Familie zu gründen. Eben nach dem Vorbild 'ihres' Baumes hat er die Eheringe gestalten lassen. Zarte Ranken sind in das feine Material graviert, die an Wurzeln eines Baumes erinnern. Genauso soll eines Tages sein Banner einen Baum zeigen.
Er lehnt den Hinterkopf gegen den Baumstamm und lächelt seelig. Sowohl der Ort, als auch die Liebe zu dieser einen Frau, die bald vor Mithras die Seine ist, füllt ihn mit Mithras' Wärme.
"Dieses Gefühl stärkt euren Glauben und ihr müsst euch darauf berufen und es euch erhalten." erklingen die Worte von Gnaden Veltenbruch in seinem Kopf. Als die Worte gesprochen wurden, dachte er dieser Ratschlag sei schwer zu befolgen. Aber wenn er in ihre Augen sieht und ihre Worte hört, die ihm Kraft spenden und ihn antreiben, dann spürt er Vertrauen zu seinem Glauben.

Seit der Reinigung ist es umso leichter dieses Gefühl in Erinnerung zu rufen. Als die Worte ihrer Seligkeit erklungen sind, dass die Läuterung erfolgreich beendet wurde, stimmten die Gläubigen in die 'Mithras obsiegt!'-Rufe ein. Für einen Moment war Jon wie erstarrt. Erleichterung und Dankbarkeit waren die beiden Gefühle, die sich die Waage hielten. Er war Dankbar für die zahlreiche Unterstützung und all die Hilfe, für das Vertrauen seines Dienstherren und die Unterstützung Mithras'. Erleichterung überfiel ihn vor allem, da die Truppen ohne schwere Verletzungen oder gar Verluste dieses Höllenfeuer überstanden haben. Zum Teil fühlte er auch Stolz, ausgelöst durch Triumph, welcher aber erst spürbar wurde durch die Worte Anderer: Die seines Fürsten, seines Herrn, der Verbündeten.
Zwischen all diesen Gefühlen war es, als würde ein Lichtstrahl aus der Wolkendecke brechen und eine tapfere Bogenschützin unter den starken Reihen in Szene setzen. Er spürt Sehnsucht, gepaart mit fast schon schmerzender Erleichterung und die heftige Begierde, Leira in die Arme zu schließen. Mit einem Mal war er sich sicher, dass es immer so sein würde. Natürlich kämpft er für die Baronie, die Heimat, seinen Dienstherren und seinen Glauben. Aber da er es mit vollstem Herzen tut, wie sein Herr es ihm gerlernt hat, wird immer diese Frau diejenige sein, mit der er alles teilen wird. Nur weil man sich eines Triumphes sicher ist, bedeutet es nicht, dass dieser im Herzen ankommt. Manchmal muss man die Worte, die Erleichterung erst mit jemandem Teilen.
Als sich die Truppen schließlich zum Aufbruch bereit machten, kam die rothaarige Schönheit im blauen Wappenrock zu ihm. Er musterte sie, um sie nach Verletzungen abzusuchen und auf skurile Weise tat sie das selbe. Mit einem Lächeln und einem innigen Blick bestätigte er ihr, dass alles noch an Ort und Stelle ist. Die folgende Umarmung war das was sein Herz in dem Moment brauchte und ersehnte. Wenn sich ein Moment so Richtig anfühlt, dann schafft es sogar der bescheidene, achtsame Recke Vertrauen zu schöpfen.
Du hast geholfen, dieses Loch zum Abyss zu schließen, was soll kommen, dass dich noch zu erschüttern weiß?

Mit einem langen Ausatmen sinnt er dem Moment noch nach. Zu jeder schweren Stunde und jedem dunklen Tag wird ihn das Vertrauen an Mithras stärken. Unterstützend steht sein Herr hinter ihm, ebenso wie seine Verlobte und die Kämpfer, die ihm den Rücken stärken. Sein Herz gibt den Weg vor und die Menschen in seinem Leben lenken ihn, wenn er eine Abzweigung verpassen würde.
Jetzt, da er so kurz vor der Ziellinie ist, wird er keinen Moment mehr über die Stolpersteine nachdenken, die ihm vorher im Weg lagen. Jeder kommt ins Straucheln, es ist nur wichtig, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Kein Mensch ist perfekt und unter dem Dienstherren, den er gewählt hat – oder hat jener Jon gewählt? - war jede Aufgabe eine Stolperfalle. Natürlich muss er viel Kritik und Zurechtweisung einstecken, aber dafür hört er auch aufrichtiges, seltenes Lob, wenn er seinen Dienst gut erledigt.
Und wenn er ehrlich mit sich ist, hätte er nicht bis zur Ziellinie durchgehalten, wenn ihn unterwegs die Schwiergkeiten nicht stärker gemacht, gar angespornt hätten.
Er ist bereit sich den Pflichten und Aufgaben zu stellen, die sein Herr ihm bei der Konklave überträgt. Danach wird er sich der Einschätzung seiner Baronin stellen. Anschließend wird er seine Verlobte vor den Altar führen und – so Mithras will – kann er ihr dann eben jener Mann sein, den sie verdient hat.

[Bild: utab5w4x.png]
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