Arx Obscura

Normale Version: Orange und blutrot, das Leben als Knappe
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Die Sonne geht langsam auf und lässt die glitzernden Stahlen über die Mähne des Ross gleiten. Jon reckt das Kinn und kneift ein Auge zu, als die Sonne durch die nahen Bäume bricht und ihn blendet. Sein Pferd wiehert sogleich, als die Behandlung unterbrochen wird, auch wenn es nur ein kurzer Moment ist.
Seit ein paar Tagen stellt sich der Schlaf nur langsam und nicht sonderlich erholsam ein. Aus diesem Grund ist er oft früh auf den Beinen und reitet auf Patrouille. Die Zeit mit dem Hengst ist ihm wichtig geworden. Ganz abgesehen davon, dass es für ihn eine Art meditative Entspannung bedeutet.

Er krault den dunkelbraunen Hengst am Hals und widmet sich der nun schimmernden Mähne. Da die ersten Knoten bereits beseitigt wurden geht die Bürste flüssig durch das schwarze Pferdehaar. Das Fell ist bereits gleichmäßig gestriegelt und das Tier wirkt höchst zufrieden mit seinem Aussehen. Jon lächelt bei dem Anblick der dunklen Augen seines treusten Begleiters. Er hat Mond seitdem er in Candaria ist was nun tatsächlich schon drei Mondläufe zählt. Trotzdem hat er sich mit dem Pferd schnell angefreundet. Es ist ein starkes und stolzes Tier und er wagt es langsam den Gedanken bei Seite zu schieben, dass er und sein Tier sich unähnlich sind.

Mit einem anderen Kamm widmet er sich dem Schweif. Bedacht tritt er schräg neben das Tier und zieht lange Bahnen durch das Pferdehaar, den empfindlichen Ansatz überaus vorsichtig behandelnd. Der Hengst hält so still wie sonst nie, offensichtlich entspannt diesen die wöchentliche Prozedur ebenso wie den Herrn. Jon klopft den Kamm schließlich am nahen Baumstamm ab und nimmt zuletzt den Hufkratzer aus dem Gepäck. "Nun noch die Hufe, damit du Nordwind wortwörtlich in den Wind stellst." Das Pferd wirft den Kopf zurück und schnaubt leise, fast als hätte es ihn verstanden.
Die Erwähnung des anderen Pferdes lässt seine Gedanken viel zu schnell zu dem Thema schweifen, dass ihm seit wenigen Tagen auf dem Herz lastet. Die Besitzerin besagten Pferdes. Er dachte nie daran, dass er einmal neidisch auf ein Pferd sein könnte aber dem ist so. Nordwind ist ein schönes, kluges Pferd. Sonst wäre es nicht auf seine Besitzerin zu getrabt und hätte sie mit der Schnauze angestoßen, als die mit ihm zusammen war. Zwar war es Jon bisher nicht bewusst, dass Pferde so besitzergreifend sein konnten, aber so wurde er belehrt. Pferd und Herrin stehen sich in den Charakterzügen in nichts nach. Als er Mond's Bein anhebt, um die Hufe auszuscharren, denkt er an seine Finger an ihrem Fußknöchel. Die Hand reagiert leicht unruhig und der Fuß des Pferdes zuckt.
"Sscht.. entschuldige, Mond." raunt der Gebückte und scharrt rasch Dreck und Steinchen von dem weichen Huf.

Natürlich spürt er, dass er sich angreifbar macht. Vielleicht nicht gleich verletzlich aber so empfindlich wie der Huf seines Pferdes. So ein Wagnis kann sich anfühlen wie auf Gras zu reiten, aber auf der anderen Seite auch wie sich einen Stein einzutreten. Er hat zum Glück recht gutes Schuhwerk aber es fällt ihm schwer einzuschätzen wie es bei ihr steht.
Tatsache ist, dass sie auf viele Male emotional verletzt wurde. Tief und auf überaus enttäuschende Weise. Anhand ihrer Worte fällt es ihm schwer abzuschätzen, ob sie überhaupt bereit ist darüber hinweg zu kommen. Auf der einen Seite rät ihm seine Vernunft ihr allen Freiraum zu lassen, den sie braucht. Auf der anderen Seite will er bei ihr sein, so oft es seine Pflichten erlauben. Jeder geteilter Herzschlag erwärmt sein Blut und er erlebt Seiten an sich, die er verloren glaubte aber durchaus nützlich sein können. Er kann nicht definieren, was sie an ihm verändert aber sie tut es. Sein Herr scheint mit der Veränderung nicht unglücklich zu sein.

Nach dem vierten Huf lädt er sein Werkzeug zurück in die Satteltasche. Die ausgelüftete Decke wird vom Baumstamm genommen und auf dem Pferderücken ausgebreitet, bevor er den Sattel aufsetzt und den Riemen festzurrt. Sachte schlägt er mit der Hand gegen den Hals des Pferdes, bevor er sich hoch zieht. Jon rückt die Schwertscheide zurecht und greift mit der anderen Hand nach den Zügeln. Mit deutlichem Druck der Beine setzt er das Tier in Bewegung und reitet in einem Halbkreis aus dem Jurenlager.

Als der Wind ihm ins Gesicht weht treibt er das Pferd zu harschem Galopp an und hetzt mit donnernden Hufen über die überdachte Holzbrücke. Einige Momente später findet er sich vor der Grenzfeste wieder, lässt das Pferd auslaufen und rutscht elegant aus dem Sattel. Mit der freien Hand streicht er sich die zerzausten Haare zurück, ehe er das Tier durch das Tor führt.
Sein Ziel führt ihn noch ein Stück weiter östlich und an dem Hof des Ordens vorbei. Nach einem kurzen Marsch durchs steinige Flussbeet steht er vor „seinem“ Baum. Mit einem leisen Seufzen lässt er sich gegen den Stamm sinken und rutscht ins Gras. Der gelbstichige Blick schweift in die Ferne und er genießt das Rauschen der Blätter.

Aus dem Gepäck löst er einen Pfeil ohne Spitze, über den die filigranen Finger beruhigend streichen. Sein Glücksbringer, der ihn gewissermaßen mit dem Baum verbindet. Mit dem Symbol für Vielmehr, als er sich eingestehen mag stimmt er in ein stummes Gebet ein. Er bittet Mithras ihm Kraft und Disziplin zu geben. Auf das er stark bleibt, ganz gleich was sein Herz sagt. Es ist nicht an ihm sie zu drängen, vielmehr muss er sich in Geduld üben und ihr die Aufmerksamkeit entgegen bringen, die sie verdient hat. Auch wenn der unterbewusste Druck im Nacken unerträglich ist, darf er dem nicht nachgeben. Ganz gleich was die Zukunft bringt er möchte Zeit mit ihr verbringen. Alles weitere Sehnen und Wollen ist zweitrangig.
Als er wieder die Augen schließt bildet er sich ein ihren Duft zu riechen und ihre kitzelnden Strähnen im Gesicht zu spüren. Um die Gedanken zu vertreiben und das Herz zu beruhigen lauscht er dem leisen Plätschern des Flusses und döst früher oder später ein.
Der letzte Betrunkene stolpert über den matschigen Marktplatz von der Taverne aus nach Hause. Jon erwacht sogleich aus dem Döszustand. An Schlafen war nicht zu denken. Vom Dach her und draußen hört er noch das sachte Rieseln der Regentropfen. Eigentlich ein überaus beruhigendes Geräusch, wäre er nicht in einer Spelunke in Rabenstein.
Das düstere Zimmer der Herberge in dem er liegt ist spärlich möbliert. Darüber hinaus haben die Möbel hier auch schon bessere Zeiten erlebt. Ein zerfetzter Vorhang flattert vor dem milchigen Fenster, das dringend geputzt werden müsste. Das Bett knarzt und die durchgelegene Matraze gibt leicht nach, als er sich bewegt. Was dazu führt, dass der warme Körper gegen ihn kippt und ihn am Aufstehen hindert. Er spürt die weichen, zutraulichen Finger an seiner Flanke und zuckt zusammen. Bei Mithras, beruhige dich!
Trotzdem beschleunigt sich seine Atmung und er verspannt sich. Er verspürt einen Schmerzensstich und schiebt es auf seine verletzte Schulter. Als er diese leicht bewegt und sich von dem Frauenkörper ausweichend weg dreht muss er feststellen, dass der Schmerz unmöglich von seiner Schulter stammen kann. Ganz abgesehen davon hat er genug Schlafmohn intus, dass er die Schulterpartie kaum noch spürt. Er spürt den fremden Atem an seinem Nacken und eine vage Berührung zwischen den Schulterblättern, wo er im Moment kaum Gefühl hat.
"Komm schon. Stell dich nicht so an, mein Schöner." säuselt die fremde, rauchige Stimme.

Als die fremden Finger verdächtig an seinem Bauch hinab krabbeln steigt in Jon Übelkeit auf. Er greift das fremde Handgelenk und zieht es ein Stück empor. Der Griff ist nicht herrisch genug, weshalb die Frau sich dagegen strebt. Jon spürt etwas Weiches an seinem Rücken und zieht beharrlicher an der Hand, als sein Bauch sich zusammen krampft.
"Hört bitte auf." sagt er möglichst diplomatisch und dreht sich auf den Rücken, um die Frau ansehen zu können. Sie ist mit unauffälliger Schönheit gesegnet, einer Stubsnase und weichen Gesichtszügen. Im Dunklen sucht er ihren Blick und reagiert zu spät, als sie sich auf ihn setzt. Die festgehaltene Hand greift nach seinen Fingern und drückt seinen Handrücken in das pieksige Kissen. Das plötzliche, kalte Gefühl an seinem Bauch versetzt ihn in Alarmbereitschaft. Keine Dosis Schlafmohn der Welt oder Dunkelheit könnte ihn täuschen. Die Klinge des Dolches ist recht stumpf, sonst hätte sie ihn schon längst verletzt, so druckvoll wie sie aufliegt.

"Wo versteckst du dein Silber?" fordert die ansehnliche Dirne, die weichen Züge zu einer unzufriedenen Fratze verzogen. "Du wirst mich bezahlen und das Zimmer gleich dazu, wenn du schon meine Zeit verschwendest. Ich hätte an dem Abend drei Freier haben können!"
Der Druck der Klinge erhöht sich und Jon hebt rasch die freie Hand entwaffnend. Wenn sie noch länger zu drückt wird sie ihn verletzen und er möchte nicht herausfinden welche Entzündung ihm das Messer beschert.
"Ich bezahle euch selbstverständlich. Nichts anderes hatte ich vor."
"Dann tu das. Ich bin mir dir fertig." brummt die Frau, woraufhin der Druck nach lässt. Im Gegenzug bewegt sie sich prüfend auf seinem Schos. "Eine Schande ist das."
Jon schnauft ein, wagt es aber nicht sich zu bewegen. Sie lächelt verbittert und hebt dann das Bein, um von ihm zu steigen. Jetzt erhebt er sich wachsam aus dem Bett und tastet nach seinem Bündel, das manierlich auf dem einzigen, wackligen Stuhl abgelegt wurde. Als seine Finger den klimpernden Beutel berühren hört er wie sie sich erhebt. Ihr warmer Körper nähert sich seinem und schmiegt sich an seinen Rücken. Er erstarrt und bewegt die Hand nach hinten, um den befüllten Lederbeutel zwischen sich und ihren Bauch zu bringen. Sie schnaubt abschiedlich, packt ihr knapp bemessenes Kleid und verschwindet ohne ein weiteres Wort aber mit einem bedauernden Blick aus dem Zimmer.

Kaum, dass sie den Raum verlassen hat knallt Jon die Handfläche gegen die Wandvertafelung und flucht. Die Anspannung, die er eigentlich los werden wollte hat nur noch mehr zu genommen.
Was ist nur los mit dir?
Er lehnt sich an die Wand und fährt sich durch die zerzausten Haare.
Spät in der Nacht, als seine Suche nach Maria Hochau wieder keine Früchte getragen hatte war er noch mutig gewesen. Das Mädchen war im ersten Moment aufmerksam und süß, vielleicht hat sie es von klein auf gelernt sich ihrem Freier anzupassen? Sogar das Gespräch war kurzweilig und recht manierlich, wenn man überlegt was man sich über das Lehen erzählt. Sie hat ihm Avancen gemacht – natürlich, immerhin ist sie eine Hure – und ist ihm aufs Zimmer gefolgt. Kaum, dass sie allein waren verhungerte sein Mut. Jede Berührung brannte unangenehm auf seiner Haut. Er selbst war nicht im Stande sie meht als zwei- oder dreimal zu berühren. Sein Herz stach und sein Verstand gaukelte ihm ein anderes Gesicht vor. Das Gesicht einer Frau, die er nicht haben konnte. Deswegen ja die ganze Situation. Das Ganze, um dann einen Rückzieher zu machen? Er ärgert sich über sich selbst und verflucht den Schlafmohn, der den tief sitzenden Schmerz nicht übertönen kann. Anscheinend lässt Ravinsthal die Bewohner und auch die Gäste verkommen. Das Fluchen scheint hier eine erleichternde Wirkung zu haben.

Langsam und unzufrieden sammelt er seine Habseligkeiten zusammen und kleidet sich an. Er hüllt sich wieder in Leder und den erdbraunen Kapuzenumhang, um in dem Dorf nicht mehr als nötig aufzufallen. Die Kapuze zieht er sogleich über den Kopf, als er die Herberge verlässt und über den matschigen Platz zum Stall geht. Sein Pferd reckt sogleich den Kopf, als es ihn hört. Er streichelt Mond versöhnlich über den Hals, der ihm sogleich die Schnauze entgegen reckt. Sogar das Pferd spürt die bedrückte Stimmung. Mit routinierten Handgriffen sattelt er das Tier und führt es aus dem Stall. Die Witterungsbedinungen und der kalte Morgen versprechen regelrecht ein dreckiges Fell, das er in mühsamer Arbeit wieder säubern darf.
Immerhin würde es ihn eine Weile beschäftigen, wenn er zurück in Greifanger ist. Sein Herz sehnt sich nach der ländlichen Idylle.
Eigentlich hoffst du doch nur sie wieder zu sehen..
Rasch vertreibt er den Gedanken, sattelt auf und blickt nochmals durch die dunstigen Gassen des Dorfes, bevor er sich auf den Weg macht. Jon kann nur hoffen, dass sein Herr in Greifanger ist und zu Kampfübungen aufgelegt ist. Das wäre genau das Richtige, um den Kopf frei zu bekommen.
"Auf nach Hause, Mond." raunt er zu seinem Pferd und treibt es außerhalb der Stadt zum Galopp an, bis ihm die Regentropfen abkühlend ins Gesicht prasseln.
"Du gehst zu weit." waren die Worte, die vom gestrigen Abend noch in seinem Kopf nach hallen, als er erwacht. Der Gefangene war frech gewesen und besitzt tatsächlich keinerlei Reuegefühl oder Manieren. Jon konnte seinen Herren verstehen und spätestens nach der gezielten Kopfnuss fühlte er auch dessen Wut.
Aber wie soll er sich auch in einen solchen Menschen hinein versetzten? Jon empfindet Reue nicht als Schwäche oder beschämend. Reue zu zeigen ist sogar ein Zeichen von Stärke. Darüber hinaus ist es wichtig, die Kraft zu besitzen sich seiner Strafe zu stellen und sie zu akzeptieren. Es ist immerhin besser als der Tod, oder etwa nicht?
Zeitweise fragt er sich, ob diese unbelehrbare Person nicht den Tod verdient hätte. Er versteht es einfach nicht. Mandres wirkte auf ihn wie ein stures, quängeliges Kind. Anstatt die Strafe durch zu stehen wie ein Mann es tun würde, windet er sich wie eine Schlange. Immerhin wurde ihm die Freiheit gelassen anschließend seines Weges zu gehen. Was ohnehin schon ein erstaunlich mildes Urteil war.
Jon gibt den Gedankengang immer noch nicht auf, auch wenn es besser wäre. Er kann es nicht verstehen. Schlichtweg weil er sich auch sehr zusammen nehmen musste, um die Bestrafung durch zu führen. Er ist eben kein solcher Mensch, sondern ein sehr bedachter Mensch, der nachdenkt, bevor er zu vorschnell und zu impulsiv handelt. Macht ihn das denn schwach?

Der Gefangene konnte zweifellos einiges weg stecken. Vielleicht war die Strafe mit dem Knüppel doch die falsche Wahl seines Herren? Auch wenn Saresh' Worte nicht viel Interpretationsbedarf gelassen haben, gab Jon dem Ganzen die Würze. Er spürte für einen Augenblick sogar so etwas wie Triumph, als der Hund zusammen sackte, als der Tritt unter die Gürtellinie folgte. Einen überstand der Gefesselte, beim Zweiten wehrte er sich und schlug Jon die Stirn ins Gesicht.
Tatsächlich ist es lange her, dass Jon sich geprügelt hat. Umso überraschender war der Schmerz für ihn. Ihm war sowieso nicht wohl bei der Sache, aber spätestens als der zu Bestrafende sich auf diese Weise wiedersetzte, wurde Jon bewusst, wie sehr es seinen Prinzipien wiedersprach. Ist es gerechtfertigt, da er die ausführende Hand seines Herrn war? War es tatsächlich eine Art Prüfung, weil Saresh ihn für zu weich hällt? Zumindest fühlte er sich wie nach einer Prüfung, denn als das Adrealin ab sackte wurde ihm unwohl und zittrig.

Aus diesem Grund hat er Nähe gesucht, ihre Nähe. Um abgelenkt zu sein, den Kopf auszuschalten und es hat funktioniert. Ihr Geruch und ihre Wärme beruhigen und ermutigen ihn. Als die ersten Sonnenstrahlen in den Heuspeicher gelangen reckt er sich sachte, um sie nicht zu wecken. Er haucht der eingeschlungenen Frau einen Kuss auf den Haarschopf und stielt sich in die Kühle des Morgens. Jon würde sich heute etwas Ruhe gönnen und den Tag nach Training und Patroullie ruhig ausklingen lassen, wo doch sein Herr auf Reisen ist. Selbstverständlich ohne seine Pflichten zu vernachlässigen aber entspannt genug, um den Kopf frei zu bekommen. Auf dass die Ereignisse des gestrigen Abends sich setzen können und ihm nicht noch länger im Kopf herum schwirren. Zurück bleiben soll nur eine Erfahrung, die ihn stärker macht. Nicht mehr und nicht weniger.
Vor zwei Tagen hat Jon noch geschmunzelt, als von dem Schreiben an den Truchsess die Rede war. Sein Herr erhielt eine pikierte Antwort der Ministerale, die seine Formulierung als unpassend anfocht. Einerseits fühlt Jon Neugierde, wie sein Herr den Brief formuliert hatte, um eine solche Rezension auszulösen. Er kann nur Mutmaßen, das er zu knapp und direkt war und die korrekte Betitelung fehlte. Auf der anderen Seite empfindet Jon sogar Furcht, dass sein Herr den Truchsess duzen würde, wie er es bei vielen Würdenträgern handhabt. Es würde sich zeigen, ob er ihn in solchen Situationen drosseln muss oder nicht, denn ihnen wurde vorgeschlagen ein Vorgespräch mit der hochedlen Reichsritterin Weyringer von Löwenwacht zu führen. Dieses ist bereits am Tag des Donners angesetzt und bietet demnach wenig Möglichkeit zur Vorbereitung. Besonders, da Jon seinen Herrn begleiten soll.
Wie er von seinem Herrn gelernt hat ist ein Gastgeschenk Pflicht. Für manche, bedachte Amhraner ist dies durchaus ein Gedanke, bei den Juren fast schon eine Selbstverständlichkeit. Sie machen sich Gedanken darüber, um etwas Passendes für die Person auszuwählen. In diesem Fall war es ein Bastardschwert aus Damaststahl, eine sehr taugliche Klinge, die weder sein Herr noch er selbst wieder aus der Hand geben würde.
So war dieser Teil rasch entschieden und der junge Knappe machte sich noch in der Nacht nach dem Gespräch mit seinem Herrn auf den Weg die Waffe zu besorgen.
Aber es sollte nicht eine beliebige Klinge sein. Er wies den hiesigen Schmied an ein Sonnensymbol auf Höhe der Fehlschärfe in die Klinge zu gravieren. Rykkard Nebelberg machte sich pflichtbewusst an die Arbeit und das sicherlich nicht nur wegen der großzügigen Entlohnung. Jon war es wichtig den, in Greifanger ansässigen Schmied zu unterstützen, vor allem da sich dieser als überaus tüchtig und tauglig erwiesen hatte. Diese Einschätzung festigte sich, als er bereits einen Tag später die fertige Klinge in der Hand hielt. Das Schwert ist optimal ausbalanciert und die Ätzung auf der Klinge beeindruckend. Es ist eines dieser Schwerter, die der Krieger zu gerne selbst behalten würde, was bedeutet, dass er das richtige Geschenk ausgesucht hat.

Herz und Verstand hatten bereits Einsatz gefunden. Was Jon's Meinung nun noch fehlte war der Glaube. So kam es, das er am Abend des Tags der Mitte zum Mithrastempel nach Löwenstein ritt, um einen Priester auszusuchen. Das ihm ihre Seligkeit persönlich entgegen trat hatte er nicht zu erwarten gewagt.

Sie erklärte sich dazu bereit das Schwert zu segnen und Jon verharrte andächtig im Hintergrund. Ihre Seligkeit tränkt ein Stofftuch mit Weihwasser und lässt es bedacht über die Klinge streichen, welche den Altar ziert, bis der Damaststahl gleichmäßig glänzt. Dann spricht sie die Worte zum Waffensegen, die Hände über Selbige gehoben.

[Bild: rbqy4zh8.png]

Mithras, Licht der Welt.
Segne diese Waffe auf das sie in deinem Namen geschwungen werde ...
Segne diese Klinge auf das sie durch deine Feinde schneide
Segne diesen Griff auf das sie ihrem Träger nie entgleiten möge.
Möge es dem Träger im Kampf den Sieg bescheren ..
Auf das dein Name weiter getragen wird als es das Wort erlaubt.


[Bild: ns3jv8xp.png]

Zuletzt behandelt die Priesterin Heft und Parrierstange mit dem getränkten Tuch und haucht ihm etwas von Mithras Atem ein. Die gesegnete Klinge wird schließlich zurück gereicht und ehrfürchtig angenommen. Es würde ein ganz besonderes Gastgeschenk sein und Jon konnte nur hoffen, das es Gefallen finden würde.
Der Regen prasselt sanft gegen das Fenster neben ihm. Jon spürt einen leichten Zug, aber stört sich nicht daran. Das windige Zimmer der Herberge ist ihm allemal lieber als sein Zelt. Trotzdem erinnert ihn das pfeifende Geräusch des Windes und das Klappern eines Fensterladens an den aufziehenden Sturm. Die Geräusche werden alsbald von einem gedämpften Lachen übertönt, als ein paar der Herrschaften sich lautstark amüsierten. Ein paar Seelen hatten sich an diesem kühlen Abend zusammen gefunden, um das schlechte Wetter mit Gesellschaft zu überspielen. Tut er im Grunde nicht das selbe?

Die freien Abende werden immer seltener, dank all der Vorbereitungen also hatte Jon die wenigen Stunden Freiraum genutzt, um den Tempel in Löwenstein zu besuchen. Aus reiner Routine hat er einige Silberstücke mit gebracht und in die Spendenschale geworfen, um einen Großteil seiner Beute seinem Gott zu überbringen. Andächtig nahm er in der prunkvollen Halle eine knienede Position vor dem Altar ein und zeichnete ein Sonnensymbol auf die Brust. Es kam ihm ganz gelegen, das keiner der Legionäre oder Priester anwesend war.
»Mithras, mein Führer, mein Schild. Höre deinen einfachen Gläubigen an.« murmelte Jon mit festen, bittenden Worten.
»Ich bitte dich untertänigst, das du deinen schützenden Blick von mir nimmst und auf meinen Dienstherren richtest. Er folgt nicht dem wahren Glauben, aber sinnt ebenfalls nach Ordnung. Ich möchte dich anflehen, dass du nimmst, was ich dir dar bieten kann und es nutzt, um ihn zu schützen. Verfüge über mein Herz, meinen Willen und mein Leben, auf das ihm kein Übel geschehe.
Sei sein Schild, oh Herr.«

Zuletzt zündete er eine mitgebrachte, dickbäuchige Kerze an und stellt sie unaufdringlich an den Rand des Altars. Jon verharrte noch eine ganze Weile mit tief geneigtem Haupt vor dem Altar, mit seinen Gedanken alleine.
[Bild: kf6tvufy.gif]


Wenige Stundenläufe später sitzt er in dem Zimmerchen, das er für die Nacht angemietet hat und lauscht ein weiteres Mal dem Johlen der angeheiterten Gäste. Er spürt den Mond, der durchs Fenster dringt und versucht die Zeit abzuschätzen.
Das Gebet hat ihn erleichtert, so wie ihn hoffentlich die kommenden Stunden erleichtern werden. Viele Dinge beschäftigen ihn die Tage, zu viele. Er muss Zerstreuung finden, um seinem Herrn eben der Knappe zu sein, den er auszubilden versucht.
Auch wenn er tiefes Vertrauen zu Saresh hat und hinter seinem Vorhaben steht, muss er sich selbst mit gelöstem Verstand und festem Willen der Situation stellen. Jon möchte ganz und gar bei ihm sein, fokusiert auf jeden Blick und jede Geste seines Herren, um stumm seine Befehle ausführen zu können. Um für ihn zu kämpfen, zu töten und zu sterben. Was war sein Leben schon wert, wenn er es im Zweifel für eine größere Sache opfern konnte. Für die Stellung seines Dienstherren als Ritter, als Führer der Greifenschar und als Khan des Stammes. Er könnte es nicht verantworten und mit dem Gewissen leben, wenn er dem kleinen Sharun seinen Vater nehmen würde.
Jon fokussiert sich auf diesen einen Gedanken und versucht jeden Zweifel und jede Furcht auszublenden. Er hatte geschworen ihn zu schützen und ihm loyal zu dienen und eben das war seine Aufgabe in kommenden Tagen.

Er ertappt sich dennoch mit der Frage, wie er jemals solche Entscheidungen treffen könnte. Würde er eines Tages fähig sein seine Krieger in einen Kampf zu schicken, der ungewiss ist? Sie dazu bringen ihre Geliebten zurück zu lassen und ihre eigenen Ansichten zurück zu stellen?
Jon beneidet Saresh um dessen Direktheit, um seine starken Führungsfähigkeiten und das gieren nach Blut zu seinem Zwecke. Vielleicht würde Jon eines Tages selbst so denken können, aber jetzt ist nicht die Zeit zu Zweifeln.
Vielmehr ist es Zeit seinem Dienstherren blind zu folgen. Seine zweite Klinge zu sein, sein zweiter Verstand. Vielleicht ist Jon aus diesem Grund auch heute hier.

Ein leises Rascheln am Flur lockt seine Aufmerksamkeit. Jedoch bestätigt erst das sachte Klopfen seine Sinneswahrnehmung. »Herein.« verlangt er kehlig und wundert sich über den Ton seiner eigenen Stimme. Die Türe wird geöffnet und eine junge Frau tritt in den Kerzenschein. Sie hat vielleicht ihr zwanzigstes Lebensjahr erreicht und trägt ein schlichtes aber schmeichelndes Kleid. Mit einer sanften Berührung schließt sie die Türe und wendet anschließend zu ihm. »Ihr habt nach mir verlangt, Herr Silberfels.« erkundigt sie sich mit wohlklingener Stimme. Die Unaufdringlichkeit und Zartheit der Frau beruhigt ihn insgeheim. Vielleicht kann er seinen Verstand beruhigen, wenn sich das Freudenmädchen ein wenig wie eine manierliche Dame benimmt.

Die Stille beherrscht den Raum, während Jon sie aus seiner sitzenden, leicht breitbeinigen Position von der Bettkante aus mustert. Er schließt einen Moment die Augen und schiebt alle Zweifel sowie sein Gewissen beiseite. Sein Herr betont immer wieder, dass er seinen Kriegern den Moment vor dem anstehenden Kampf gewährt, um jeden Rückhalt und jede Ablenkung zu beseitigen. Für die Juren bedeutet das auch, den Körper vollständig entlasten, auf das keine leibliche Begierde ihn ablenkt.
Bisher wollte sich Jon aus dieser Aufforderung winden. Nicht nur weil er es verwerflich findet, sondern auch weil sein Herz einer Anderen gehört. Auf der anderen Seite ist es ebenso verwerflich sie zu drängen, denn sie hat Respekt und Zärtlichkeit verdient ohne jede Hast.

Die meerblauen Augen des Mädchens flackern, als sie die filigranen Finger an ihre Schultern legt und das hübsche Kleid dort vertreibt, bis der weiche Stoff zu ihren Knöcheln zusammen sinkt. Sie steigt grazil über das Kleid hinweg und kommt auf ihn zu. Jon streckt die Hände aus und umfasst sie an der Taillie, als sie sich auf seinen Schos setzt.
Es ist Zeit den Forderungen und Gepflogenheiten seines Herren gänzlich zu vertrauen.
Und so dreht er zwar den Kopf weg, als die fremde – wenn auch schöne Frau – ihn küssen will, packt sie aber stattdessen an der Hüfte und wirft sie aufs Bett. Er stört sich nicht an dem Blick der Frau in Richtung Nachttisch, wo ein gut gefüllter Beutel Silber auf sie wartet, sondern konzentriert sich ganz auf seinen Körper, bis sein Verstand nachgibt.
Jon erwacht, als die Sonne sich gerade überlegt den Horizont zu übersteigen. Der Stall ist in orange-rotes Morgenlicht getaucht und setzt die Frau in den Fellen in Szene. Ihr rotes Haar spiegelt das passende Licht wieder und er muss bei dem friedlichen Anblick lächeln. Er spürt einen Stich im Herz, auf der einen Seite sehr glücklich, dass sie mittlerweile die Seine ist, aber auch der anderen Seite bedauernd, das er los soll. Als sie die wohlgeformten, weichen Lippen einen Spalt öffnet und sich in die Richtung dreht, wo er eben noch gelegen hat macht er sich rasch auf, bevor die Disziplin dahin ist. So viel gewonnen aber auch so viel zu verlieren.

Er legt leise die lederne Rüstung an und führt sein Pferd vom Hof fort, bevor er aufsitzt, um sie auf keinen Fall zu wecken. Das Ross ist den Patroullienritt zur frühen Stunde gewohnt und der kühle Wind weckt sie beide. Bis auf ein paar wilde Tiere ist das Land noch ruhig, obwohl es auch tagsüber sehr ruhig ist.

[Bild: j9kgvc6c.png]

Mond wird beim Lager des Stammes langsamer, doch Jon treibt ihn weiter nach Norden über die Brücke. Knapp danach rutscht er aus dem Sattel und stellt sein Pferd nah bei der Brücke ab. Er löscht die Fackel und sucht sich seinen Weg möglichst unbemerkt bis an die Burg heran. Jon kennt den Weg und jeden Schritt mittlerweile ebenso wie die Sichtweite der Wachen.
Er folgt dem Fluss und wagt sich dann dicht an die dicken Mauern heran. Dort verharrt er, in der Dunkelheit verborgen und von dem Kapuzenumhang geschützt. Obwohl er regungslos ist sind seine Sinne geschärft und er lauscht jedem Schritt und jedem noch so leisen Austausch. An dem Wachwechsel hat sich nichts verändert, was ihn insgeheim beruhigt.
Dennoch hält er den Blick immer wieder auf die Umgebung, damit ihm kein wildes Tier unbemerkt auflauern kann und ihn verrät. Nur ein kleinen Fehltritt oder ein aufmerksamkeit erweckendes Rascheln könnte ihn verraten und alles zerstören. Sie durften keinen Grund für Misstrauen geben, auch nicht wenn der Tag gekommen ist, an dem sie in die Burg dringen. Niemand sollte an der Loyalität zweifeln.

Jon hatte Furcht davor seinen Herren nochmals zu enttäuschen. 'Sogar der dümmste Bauer sollte das wissen.' wurde ihm jüngst vorgeworfen und die Worte schmerzen noch immer. Natürlich ist sein Herr voller erregter Vorfreude auf das Vorhaben, aber das entwertet die Worte nicht. Schlimmer war jedoch die Demütigung und die Schläge. Er weiß wie wichtig Saresh Loyalität und blinder Gehorsam ist. Bestimmt war es wieder nur eine Prüfung gewesen, ob Jon sich wehrt oder es aushält. Natürlich hatte er es ausgehalten, Saresh ist sein Herr er kann über ihn verfügen wie er will. Und wenn der Ritter entscheidet sein Knappe hat Strafe verdient, dann steht das nicht zur Diskussion.
Aber mittlerweile kommt ein anderer Gedanke, jetzt wo sein rot und blau geschlagenes Gesicht ermahnend hämmert. Vielleicht wollte Saresh ihn nur vorbereiten auf das was kommt. Ihn lehren seine Fassung zu bewahren und keine Absichten durch sickern zu lassen. Wenn ihm nur einmal der Blick entgleiten würde oder er keine stolze, vertrauensvolle Miene zu Stande brachte konnte er für Misstrauen sorgen. Und bei allem was ihm lieb und teuer ist, er will nicht derjenige sein wegen dem der Plan scheitert.

Etwa zwei Stunden nach der Patroullie in der Kälte kehrt er zurück zu seinem Pferd und reitet eine neue Runde durch Greifanger. Hier und da wagen sich schon ein paar müde Gestalten aus den Häusern aber größtenteils ist dieser Teil des Lehens noch verschlafen. Er denkt an das Fräulein in den Fellen, welches mittlerweilen auch aufgewacht sein wird und sehnt sich danach ihr verschlafenes Gesicht zu sehen. Eine frische Briese klart seine Gedanken auf und er reitet weiter nach Greifanger, wo ihn bald sein Herr erwarten wird. Es wird langsam Herbst.

[Bild: eqvke9mu.png]
3. Gilbhart im Jahr 1402 n. M.

Man kann viel über Kämpfe lesen oder hören. Nichts davon ist mit dem Herzen nachvollziehbar, bis man selbst darin steckt. Jede Heiterkeit weicht Ernst und die Einen sind dafür gemacht zu führen und vorzurücken, während die Anderen sich in ihrer Furcht verstecken wollen. So gerne er an dem Abend vielleicht weg gelaufen wäre, er war der Einzige von seinem Trupp, was ihn nach vorne trieb. Und sobald das erste Blut verflossen ist und der Beschützerinstinkt geweckt funktionierte sein Denken und sein Handeln auf ein ganz andere Weise. Vielleicht auf seine Grundsätzlichste?

Es begann zur achten Stunde, als er nichts ahnend auf Leira traf und ein Donnerschlag durch die Lande ging. Der Schreck war so groß und das Geräusch ohrenbetäubend, dass er die Richtung nicht aus machen konnte. Danach klang es als würde in der Ferne ein Krug auf Steinboden fallen, als die Glasscheiben in Greifanger und in der Burg unter dem Druck zerbarsten. Alarmiert sehen die Beiden nach dem Rechten, doch zum Glück war es recht ruhig und gab keine Verletzten. Aber ein gewisses, unheilvolles Knistern und Panik lag in der Luft. Das spürten ihre Pferde und jedes Tier. Das Dorf Greifanger, welches für gewöhnlich von Möwen überquoll war von den Vögeln befreit.
Mit der Dauer kam der Gedanke, das der Donner einem Lachen ähnlich klang. Hatten sie Mithras erzürnt?

Kaum, dass sie Greifanger verlassen haben, um in Richtung Burg nach dem Rechten zu sehen kommt ein ganzer Trupp mit donnernden Hufen auf sie zu. Jon muss sich zwingen klar zu denken, als er in die teils bekannten, teils unbekannten Gesichter sieht. Sie sind da um zu helfen.
Zu Anfang führt die edle Baronin, von seinem Herren gern die 'fette Füchsin' genannt den Trupp. Ein Teil ritt zur Burg der andere nach Greifanger mit dem Ziel sicher zu stellen, das Baronin und Fürst nichts geschehen ist. Auf dem Rückweg jedoch, etwa auf Höhe des Jurenlagers lässt die Natur ihre Reaktion auf das Donnern spüren. Tiere, vor allem Ratten flitzen panisch aus ihren Verstecken und stürzen sich angriffslustig auf Menschen, Pferde und andere Tiere. Es erschüttert nicht nur ihn, wie rasant es passierte. Eines der Pferde wird gebissen und bricht durch, ehe sie einem infizierten Bären entgegen treten, dessen Fell mit kranken Ratten gespickt ist. Die Füchsin ist außer sich und gibt sich ihrer Furcht hin, verliert das Wesentliche aus den Augen.
Der Schatzmeister der Baronin – offensichtlich ein Hermetiker – erkennt die Gefahr und setzt die Leichen der Ratten in Brand, als diese nieder gerungen wurden. Jon selbst greift ebenfalls nach einer Fackel und hilft ihm dabei, während man nachsinnt.

[Bild: maz64f6c.png]

Zusammen mit Ritter Telion sieht er im Lager der Shurax nach dem Rechten und findet eine verstörende Szenerie von Ratten und panischen Pferden. Eine Ratte flitzt auf sein Zelt hinauf und explodiert auf dem Dach angekommen in einer Wolke aus Eiter und grünem Schleim. Jon entscheidet, das sie nicht die Zeit haben das Lager gründlich zu reinigen und so stoßen die Beiden zu dem Trupp zurück.

Es kristallisiert sich langsam heraus, das es einen Ort geben musste, von dem das Übel kommt. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten, als ein gewisser Ron, wohl Verwandtschaft der fetten Füchsin den Weg entlang schlurft, offensichtlich zerbissen. Er murmelt etwas von der Mühle in Greifanger, während man versucht die Baronin von dem infizierten Leib fort zu halten. Mit einem Mal war das Ziel des Abends damit bekannt. Wenn sie mit geballter Kraft nicht den Auslöser beseitigen können, dann würde Greifanger überrannt werden.

Nur weil ein Ziel gefunden war, heißt es aber nicht, das es einfach werden würde. So traf der zweite Teil des Trupps wieder zu ihnen und viel überraschender, ein unbekannter namens Latham Voss. Der Mann sollte in dieser Nacht alles zusammen sein: Führer, Bewahrer aber auch Verräter. Zunächst aber säht er nur Misstrauen unter den Anwesenden. Trotzdem weiß er viel und kann helfen.

Der Trupp zieht – mittlerweile schätzungsweise eine halbe Stunde vor dem zehnten Glockenschlag – in Richtung Mühle. Nur ein Stück weiter und alles geht recht schnell. Die Stimmen überschlagen sich förmlich und da die Baronin von Furcht und Sorge geplagt ist muss sich jemand Neues hervor tun. Aber fürs Erste entsteht nur durcheinander Gebelle von Befehlen.

Alle Unbewaffneten zurück!
Bewaffnete nach vorn!
Gerüsteten vor!
Zieht die Klingen!

Der sinnfreiste Befehl folgte mit einem Schildwall, denn ihr Gegner waren geschwülstähnliche Konstruktionen, die am Boden vor sich her quollen. Die Hermetiker einigen sich auf Feuer, immerhin hat sich dieses vorher schon bewährt. Sowohl Schützen, als auch die Hermetiker behandeln die Beulen mit Feuer und bald ist eine Methode gefunden diese so effektiv unschädlich zu machen.

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Der Weg zur Mühle soll auf eben diese Weise weiter beschritten werden. Kaum um die Ecke übernahm Jon den Befehl. Immerhin ist er der einzige Greifanger unter all den Hohenqueller und Zweitürmler. Vielleicht liegt es daran, das kurz davor das Wort 'Dämon' von dem vermeintlich weisen Voss in den Mund genommen wurde, das Cyril so bereitwillig nach gibt? Ganz gleich, es hindert den Trupp nicht weiter vor zu rücken.

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Nach einigen Geschwüren, die effektiv mit Feuer zerstört werden und zahlreichen Ratten blicken sie zur Mühle. Die Sonne ist bereits unter gegangen und die Mühle flackert im Licht des Feuers. Dann ertönt ein ohrenbetäubendes Kreischen, das ihn fast in die Knie zwingt. Der Gelehrte verkündet ihnen, das es sich um einen Kreischer handelt, einen niederen Dämon. Die Anweisungen diesen zu beschäftigen, während Voss ihn bannt erfolgen knapp und präzise, auch wenn Jon nicht viel von Magie versteht.
Tatsächlich soll der Trupp als Ablenkung dienen und Stand halten, wenn der Dämon frontal in sie rennt. Es klingt nicht nach einer sonderlichen Heldentat einem Hermetiker Zeit zu verschaffen, aber wenn es funktionieren würde?

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Der Anblick, der sich schließlich bietet ist schwer zu beschreiben. Das Monstrum, der Dämon ist mit zahlreichen knochenen Krallen ausgestattet, so lange wie Arme eines Mannes. Das Vieh präsentiert ihnen sein Können, indem es die Holztreppe in fein säuberliche Spieße zertrennt, ehe sich die sieben, eitrigen Augen auf den Trupp legen.
Jon gibt den Befehl für die Schützen, um die Zeit zu nutzen, bevor das Vieh sie wahr nimmt. So ist es immerhin ein wenig geschwächt, während Voss seine Kraft fokusiert. Aber auch der Steinwall, der anschließend von den Hermetikern gesetzt wird, hält das Biest nicht ab sich anschließend auf sie zu stürzen.
Von da an ist Jon's Erinnerung vernebelt. Er erinnert sich an das Geräusch, als die Krallen durch seine Haut und zum Teil sogar Knochen schneiden. Dann wankt er zurück und verlässt den Hof, als Voss den Befehl gibt. Er hört noch, wie er selbst befiehlt eine Reihe zu bilden, um auf Voss Kommando nochmals vorzustürmen und dem Biest den Rest zu geben.
Der Rest des Abends ist nur ein Schleier. Er verbirgt aufs Beste, wie viel Blut ihn die Abwehr gekostet hat, da er gerade an diesem Abend seine Platte abgelegt hat und sie kontaminiert im Jurenlager liegt.

Der Dämon indes ist besiegt und gebannt worden, weswegen nun der unbekannte Gelehrte zur Rechenschaft gezogen wird. Die Kämpfer des Abends finden sich zusammen mit der Baronin in deren Sitz ein und lassen sich das Geschehene und den Auslöser von besagtem Voss erläutern. Die Baronin scheint völlig aufgelöst, als man ihr erzählt zwei ihrer Schützlinge hätten den Dämon beschworen.
Das Gehörte soll auch der Baronin von Greifanger mitgeteilt werden, zumindest entschied das Cyril. Jon fragt sich insgeheim, warum er sich so aufplustert. Versucht er sich einen Namen zu machen oder sind andere, militärische Gründe dahinter?

All die Gedanken zu den Beweggründen sind schnell unwichtig geworden, als sie zu Dritt den Gelehrten Voss in Richtung Greifanger geleiten. Ihre Magnifizenz Fionola begleitet die beiden Recken auf ihrem Weg. Darüber hinaus flattert ein Rabe auf der Schulter des Mannes, der vorher schon mit Misstrauen beachtet wurde.
Kaum ist eine der Fackeln ausgebrannt witterten die beiden ihre Gelegenheit zur Flucht. Mit einem Mal ist es kein Wunder mehr, das Voss sich mit dem Dämon zu arrangieren wusste, denn wie es scheint ist er ein Hexer. Sein Komplize gibt die Rabenform auf und entpuppt sich als Mann aus Fleisch und Blut, zwar etwas mager aber erschreckend menschlich.
Auch wenn die drei versuchen den Beiden einiges entgegen zu setzen, so gelingt den beiden Hexern an diesem Abend schlussendlich die Flucht. Eine Begebenheit, auf die er ungern weiter eingehen möchte, da es zum Teil wohl auch sein Verschulden ist.
Alles was an dem Abend an Gewissheit bleibt ist, das die Beiden Hexer sind und sie wohlmöglich für ihre Zwecke ausgenutzt haben. Mit ihrem Verschwinden blieb jedoch - neben der Beschreibung der Verantwortlichen für die Beschwörung – ein Hinweis in Form eines blutroten Steins. In die Oberfläche steht ein Name eingeritzt: Naradielle Rika Lyrandes

Es fragt sich wie lange der Tag in der Erinnerung bleibt? Abgesehen von der der Füchsin. Sie wird trauern im Kreise ihrer Familie aber eines Tages könnte sie damit abschließen. Für ihn würde die Nacht gewiss in Erinnerung bleiben, geistig wie auch körperlich, denn er wird dem Dämon ein paar Narben zu verdanken haben.
8. Gilbhart im Jahr 1402 n. M.

Der Wind frischt langsam auf und lässt den Herbst erahnen. Jon fröstelt am nackten Arm, während der verbundene Arm die Abkühlung genießt. Er verflucht seinen Sturkopf, während er einhändig den Eimer mit Wasser den Weg hinab trägt und das kühle Wasser auf die abgetretenen Stiefel tropft.
Leira würde ihn dafür schimpfen, denn warum haben die Juren denn Sklaven? Vor allem da er sich ja sonst etwas einfangen könnte. Aber Jon ist das egal. Es ist nicht gerade eine ehrvolle Arbeit aber sie muss verrichtet werden. Darüber hinaus ist es zum Schutz der Bevölkerung des Lehens, das er zu schützen geschworen hat.
Nicht nur auf Anweisung seines Herren sondern auch auf eigenes Geheiß ist er am Werk. Die Sonnenlegion hat den Ort des Geschehens am vergangenen Abend inspiziert und nun ist es seine Pflicht die Überreste unschädlich zu machen, bis der nächste Regenguss sich den Rest vor nimmt.

Am Hauptverbindungsweg nach Greifanger nimmt er sich mit Schaufel und Eimer bewaffnet die ersten Spuren vor. Er erinnert sich noch genaustens daran, wie er den Schützen den Befehl gegeben hat auf die blasenähnlichen Gewebestrukturen zu schießen, die sich wie Lebewesen wogten. Eines dieser ist explodiert und setzte Getier, Blut und Schleim frei. Die Anderen wurden zum Großteil verbrannt, sodass ihn deren Spuren nicht kümmern.
Mit reichlich Wasser weicht er die verkrusteten Blutspuren auf und gräbt die Erde soweit um, das es ihm ausreichend erscheint. Immerhin stinkt das Blut nicht so wiederlich wie der Schleim, dem er sich als Nächstes widmet. Unermüdlich kämpft er sich den schmalen Pfad in Richtung Mühle hinauf und schaufelt umständlich mit der einen, heilen Hand Erde von einem Ort auf den Anderen.

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Anschließend sammelt er einiges an Kleinholz und spickt die aufgewühlten Erdpartien damit, in der Hoffnung das Feuer würde den Überresten den Gar aus machen. An den aufzüngelnden Flammen entzündet er eine Fackel und macht sich mit dieser, sowie einer Flasche Öl auf den Weg zu den noch vorhandenen Rattenkadavern. Überraschender Weise sind sich die Fliegen nicht zu schade das kranke Fleisch zu fressen. Tatsächlich lassen sich die hartnäckigen Insekten weder von dem Öl noch dem Feuer beeindrucken und verbrennen leise knisternd mit. Jon fragt sich, ob sogar diese kleinen Viecher infiziert werden können, beziehungsweise auf den Geschmack kommen.
Er hat davon gehört, das einer der Beteiligten besessen war, ausgelöst durch die Verletzung durch die Krallen des Dämons sowie den Schleim, den das Monstrum produziert. Jon kratzt sich am Arm, der auf gleiche Weise verletzt wurde und versucht den Gedanken – mal wieder – fort zu schieben. Vielleicht ist sein Wille zu stark um sich in blanker, unkontrollierter Wut zu verlieren? Oder er hatte Glück und Mithras hat ihn davor behütet. Aber wer kann schon garantieren, das die Wirkung noch nach hakt? Immerhin sind seitdem erst fünf Tage vergangen.

Rasch konzentriert er sich wieder auf die Arbeit und sticht mit dem Spaten in das übrig gebliebene Gewebe, welches von den Hermetikern eingefroren wurde. Die Überreste sind schnell zerstört und in Brand gesteckt, ehe Jon die vereinzelten Feuer aufmerksam beobachtet. Als alles soweit abgebrannt ist wühlt er die Erde um, sodass die Asche in einer tieferen Schicht schlummert.

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Sein verletzter Arm und die Schultern schmerzen und er schließt die Arbeit schlussendlich. Ein letzter Stapel Kleinholz wird zu einem Feuer nah am Fluss entzüdet. Er gibt dem Feuer Zunder und schlüpft dann aus der abgetragenen Kleidung, die er für diese Arbeit heraus gesucht hat. Hemd, Hose und Stiefel landen im Feuer, ehe er selbst ins eisige Wasser springt.
Das gewachsene Feuer dient ihm anschließend zum Wärmen und er ruft sein Pferd zu sich, um sich in saubere Kleidung zu hüllen und eine Felldecke um die Schultern zu legen. Auch die letzte Stelle wird noch ausreichend eingegraben, bevor er den Spaten in dem verseuchten Weiher versenkt.

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Das Meer rauscht wie in Candaria, nur das stetige Geschrei der Möwen fehlt. Es wird immer kälter, der Winter kommt und sein Atem schlägt kleine Wolken in der frischen Luft. Bei dem Gedanken an den Winter kommt immer noch Unwohlsein in ihm auf. Für gewöhnlich war seine Familie im Herbst damit beschäftigt Vorräte für den Winter anzuschaffen. Mittlerweile muss Jon nichts mehr tun. Ganz im Gegenteil, vielleicht kann er für den Winter sogar eine Hütte beziehen, mit einem warmen Kamin. Darüber hinauf genießt er den Luxus sein Essen anzukaufen, sogar Wein oder Brand, wenn er denn will. Es gibt genug Unruhestifter in den Höhlen dieser Lande und die Trophäensammler zahlen gut dafür. Vielleicht damit sich ein eitler, angeberischer Reiche die Errungenschaften über seinen Kaminsims hängen kann.
Jon kann es gleich sein, er kommt gut über die Runden, sehr gut. Vermutlich um einiges Besser als er erwartet hat. Das Metall an seinem Körper hat er sich selbst erarbeitet, ebenso wie die verzierte Klinge an seiner Flanke. Seine bescheidene Art bleibt gefestigt aber die Ausrüstung ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, bei der er vor ein paar Jahren noch den Kopf geschüttelt hätte. Langsam aber sicher muss er sich damit abfinden, das er kein einfacher Mann mehr ist, der umher treibt und jeden Tag neu Kraft schöpfen muss. Mit ein wenig zurückgelegtem Silber kann er ruhig in die Zukunft sehen und vielleicht eines Tages eine Familie ernähren, wie es für richtig und wichtig gehalten wird.
Das ist was sein Verstand denkt, während er auf der fremden Wiese steht und die Grashalme platt drückt mit seinem Gewicht und dem der Rüstung. Sein Herz – und er lernt jeden Tag mehr darauf zu hören – begehrt anderer Dinge. Seit dem Kampf gegen den Dämonen ist sein Kampfeswille erwacht. Manch einer würde sogar behaupten jener tendiert zum Führungswillen. Einerseits ist die Veränderung nicht zu verachten, denn er teilt nun die Ansicht seines Herren Blut zu fordern, wenn es von Nöten ist. Zum Anderen hat ihn die Situation gelernt, das er auf seine Sinne und Fähigkeiten vertrauen kann, ohne sie vorher gedanklich durchzuspielen. Auf der anderen Seite jedoch, erlebt er sich leicht euphorisch wenn sich ein Kampf ankündigt. Eine Gefühlswandlung, die ihm bisher fremd war und die ihm sogar an seinem Herren überheblich erschien. Aber sein Herr ist ein Jure, was alleine schon für die animalischen, stolzen Vorgehensweisen spricht.
Selbstverständlich wusste Saresh auch Rat, als er Jon wütend erlebte. Wut war bisher keine Regung, mit der er sich großartig beschäftigen musste. Aber mit einem Mal tritt sie in Erscheinung und er weiß nicht damit umzugehen. »Fordere die Person, die dich wütend macht zum Kampf.« wusste sein Herr ihm zu raten. Die Aussage ist tatsächlich der Grund, weshalb er nun auf unbekanntem Land steht und auf seinen Gegner wartet. Ganz gleich, ob sein Gegner felsenfest behauptet es ginge um die Ehre von Jon's Liebsten, so ist es nicht. Aber er wollte nicht großartig wieder sprechen, weshalb auch? Ist es doch ein guter Vorwand, um nicht die Eigennützigkeit des Aufeinandertreffens in den Vordergrund zu stellen.

Sein Kontrahent verspätet sich und Jon konzentriert sich auf das ungewohnte, hitzige Gefühl in seiner Brust. Die Finger tippeln leicht gegen den Heft des Schwertes, während er in die Ferne späht. Ob nach dem Kampf dieses Gefühl einfach nach lässt, zumindest für eine Weile? Wohl wird er es sogleich heraus finden, denn es nähert sich eine schemenhafte Gestalt. Der Gang ist locker, was wohl an der leichten Stoffkleidung liegt, die Cyril trägt. Natürlich hat sich dieser vorher nicht gerüstet, wieso die zarte Provokation aussparen, nachdem er Jon warten ließ?
Er spürt wie sein Herz rascher schlägt, sich für den Kampf in Bereitschaft begebend. Bis der andere Krieger sich gerüstet und seinen Standpunkt erläutert hat vergeht nochmals eine gefühlte Spanne an Augenblicken. Jon unterdrückt ein Lächeln, denn es sind schlussendlich nur wenige Momente, die sich durch die Ungeduld dank des anstehenden Kampfes zäh ziehen.

Sobald sein Gegner gerüstet ist und die beiden Klingen gezogen sind kehrt Ruhe ein. Keiner spricht mehr ein Wort – immerhin wäre es auch überflüssig – und die Aufmerksamkeit liegt ganz auf dem Anderen. Jon's Finger kribbeln leicht vor Kampfeslust, was ein Zeichen dafür ist, dass er den Verstand verstummen lässt und ganz auf sein Herz und seinen Instinkt hört. Cyril ist ein erfahrener Krieger, der schon ein paar Jahresläufe mehr Erfahrung gesammelt hat. Dennoch sieht sich Jon ebenbürtig, immerhin sind die Fähigkeiten seines Herrn nicht zu verachten, die er dem jungen Recken eintrichtert.
Sie umrunden sich wie zwei Raubtiere, die Blicke miteinander verflochten, wobei sich keiner der Beiden in die Karten blicken lässt. Wer im Kampf zu viel nachdenkt verrät seine Züge. Cyril bleibt vorerst defenssiv, was Jon ausnutzt und flink vor prescht. Die Klingen treffen aufeinander und trotz der abgeschliffenen Schneiden verkanten sie sich mit einem unschönen, metallischen Knirschen. Er leitet die vereinten Klingen zur Seite und macht mehr Druck auf den Krieger mit dem angeschnallten Rundschild. Immerhin behindert Jon kein Schild, manch einer würde es als Leichtsinnig bezeichnen aber es eröffnet ihm flinkere Manöver. So setzt er zu einem weiteren Hieb auf den Zurückweichenden und wird mit einem Scharren der Klinge über dessen Schild belohnt. Das Geräusch wird mit einem Fluch gepaart – es hätte Jon sehr gewundert, wenn der sprechfreudige Krieger in diesem Moment den Mund hällt – und die Beiden trennen sich nach dem harten Zusammenprall.
Dennoch erkennt Jon keine Veränderung in dem Blick des entschlossenen Gegners, was ihm stumme Zufriedenheit entlockt. Wann findet man schon einen Gegner, der einem erlaubt die eignen Grenzen auszuloten? Der nächste Angriff geht von Cyril aus, während Jon in einen tiefen Stand sinkt, das linke Bein über den Boden schiebend. Unerwartet tief verharrend parriert er den Hieb seines Gegners, schiebt sich dann an jenem vorbei, als die Klingen sich trennen und wechselt das Schwert in die linke Hand. Das Keuchen des Getroffenen ist Beweis genug, das der unübliche Angriff Früchte getragen hat. Da Jon seinem getroffenen Gegner kurz den Rücken zuwendet, als er diesen passiert, wendet er sich rasch und macht besonnen zwei Schritte zurück.
Jon wechselt die Klinge wieder von der Linken in die Rechte und blickt zu seinem Gegner, der von dem Treffer leicht zittrig wirkt. Er selbst atmet ebenfalls in raschen Zügen, sein Blut pulsiert in den Adern und er lechzt regelrecht nach dem nächsten Schlagabtausch. Tatsächlich ist die Wut mittlerweilen gewichen.

Cyril gibt beim nächsten Angriff seine Abwehr auf, was Jon ihm nicht verübeln kann, immerhin muss er zwei Treffer aufholen. Er würde nicht anders verfahren, um den leicht geschwächten Körper nicht mit Parade zu fordern. Der Schild kommt dem jungen Recken in die Quere und ihm bleibt nichts als eine träge Piruette zu wagen. Die stumpfe Klinge streift seine gepanzerte Seite, jedoch verhilft ihm der Streifhieb auch zu einer besseren Position, um sich für den Schlag zu revanchieren. Cyril winselt und knickt leicht zur Seite, deckt aber dennoch die getroffene Partie mit dem Schild, was nur wieder die Erfahrung des Kriegers demonstriert.
Jon hält Abstand und beobachtet den Getroffenen lauernd. Cyril lehnt sich leicht vor, den Schild gesenkt, als wolle er aufgeben, stößt sich aber von einem der festen Steine auf der Wiese ab und gerät schwungvoll in Hiebnähe. Der Wechsel von Flinkheit zu roher Krafteinwirkung zwingt Jon die Klinge abfedernd zu heben und mit dem Arm zu stützen. Dennoch bringt ihn die Wucht des Metallschildes aus dem Konzept und schwächt seine Deckung, wodurch ein schwacher aber treffsicherer Hieb des älteren Recken ihn streift.
Er macht zwei rasche Schritte zurück und verschnauft ebenso wie sein Kontrahent. Vielleicht wäre er noch einen Moment länger so verweilt, wenn er nicht die provokant interpretierten Worte des Recken gehört hätte. »Na... komm... Büb...« setzt dieser keuchend an, woraufhin Jon sich rasch wieder nähert. Es kommt zu einem letzten, offensiven Schlagabtausch, bis Jon eine Schwäche in Cyril's Deckung findet und ihm den Schwertknauf in die Bauchgegend hiebt. Seine Position begrüßt diesen Hieb, auch wenn ein Streich mit der abgestumpften Klinge wohl noch verheerender gewesen wäre. So raubt er dem Älteren das Gleichgewicht und die letzte Kraft, worauf dieser rücklings ins Gras fällt. Der Aufprall ist dumpf und wuchtig und dank der schweren Rüstung macht der Krieger nicht den Anschein sogleich wieder aufzustehen. Aus Gewohnheit heraus und weil es die Regeln in Tunieren so wünscht reckt Jon den Schwertarm und zeigt mit der Spitze zu Cyril hinab. Dieser ergibt sich, sicherlich nicht auf die Geste zu schulden erst leise und dann fester. »Ich ergebe mich.«
Jon zieht die Klinge zurück und scheidet sie routiniert, bevor er dem Liegenden die Hand anbietet. Cyril wehrt jedoch ab, stur wie er eben ist und Jon nimmt es hin, wenn auch nicht sonderlich glücklich. In gewisser Weise ist es ein Zeichen, das man dem Anderen nicht grollt und wäre er selbst am Boden gelegen hätte er die Hilfe sicherlich angenommen.

Auf dem Weg zurück erhält er schließlich seine Antwort. Die Wut ist gedämpft und vergangen. Zumindest bis zu einer weiteren Provokation. Jon spürt das Nachhallen des Triumphes und des Kampfes. Er weiß, das dieses Gefühl nicht lange anhält, weswegen er versucht sich für einen Augenblick darauf zu besinnen und daraus zu schöpfen. Er fühlt sich entschlossener, stärker und auf eine Weise Selbstbewusst, die er vermutlich als Außenstehender als Arroganz verurteilen würde. Vielleicht gerade aus diesem Grund fühlt er sich ein weiteres Mal, als hätte sein Herr ihn geprüft. Offensichtlich zieht sein Dienstherr an den richtigen Strängen. Denn das einhergehende Gefühl scheint nicht falsch zu sein.
Ein oranger Sonnenuntergang setzt das Land in die passende Farbgebung. Jon muss leicht lächeln, als er über den Pferderücken hinweg späht. Ein sonniger, milder Tag scheint vorrüber zu gehen und lässt das zumindest wettertechnisch das Beste für die morgige Parade hoffen. Seine Rüstung liegt bereits ausgedellt und poliert in seinem Zelt, daneben der Wappenrock in den Farben der untergehenden Sonne. Alles ist vorbereitet, nur sein eigenes Ross benötigt noch die letzten Striche mit der Bürste.
Der Hengst ist ihm bereits ans Herz gewachsen. Wie Saresh ihm versprochen hat ist dieses Pferd, sobald es seinen Herren kennt ein treues und verlässliches Ross. Trotzdem merkt Jon immer wieder die Wildheit die in dem Jurenhengst verwurzelt ist, jedoch akzeptiert er diese Eigenheiten und weiß sie als Vorteil zu schätzen.
Sein Herr hat ebenfalls einige Eigenheiten und besitzt eine Sturheit, die im morgigen Tag gipfelt. Jon hatte gedacht er wäre nervöser, aber da alles vorbereitet ist und seinen Gang geht fühlt es sich wie jeder normale, anstehende Tag an. Auch die Tatsache, das er den Trupp anführen wird beruhigt ihn und erfüllt ihn zugleich mit Stolz. Sein Herr hätte ihm keine größere Ehre erweisen können und zugleich seinen Anflug von Kontrollgedanken abdämpfen können. Jetzt ist Jon nicht darauf angewiesen jeden Schritt so zu setzen wie sein Vordermann oder muss den Kopf umständlich recken, um aus der Menge hervor zu spähen. Das Gefühl von Vorfreude schiebt die einstige Anspannung beiseite.

Als das Fell seines Pferdes in gleichem Schein wie Mähne und Schweif erstrahlt, gar damit wett eifert, schiebt Jon die Fellbürste zurück in die Satteltasche. Er wirft den Sattel auf den Rücken seines Pferdes und fädelt den Riemen in die Schnalle. Das Leder des Sattels glänzt leicht geölt, ebenfalls bereit für die Parade. Ein schöner Schein, der keinen realistischen Begebenheiten genügt.
Jon schwingt sich in den Sattel und reitet nach Greifanger, um in der anbrechenden Dunkelheit einmal die Strecke vom Baronensitz in Greifanger bis zur Fürstenburg abzureiten. Dazu nimmt er die Fahnenstange in die Hand, an deren Ende das candarische Lehenswappen flattert. Den Weg würde er morgen noch vorsorglich vor der Parade abreiten und sicher stellen, das sich keine Wildtiere aus ihrem Unterschlupf wagen, um den Trupp zu stören.

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Auf dem Rückweg von der Fürstenburg nimmt er den Weg nach Hohenquell und treibt sein Tier zum Galopp an. Er reitet nach Löwenstein, um zum einen sein Pferd noch etwas zu ermüden - auf das es morgen nicht zu übermütig ist - aber auch um im Tempel das Abendgebet zu sprechen. Schlussendlich weiß er nicht was der morgige Abend bringen könnte, vielleicht bleibt alles beim Alten aber wohlmöglich geschieht auch eine Veränderung. Ganz gleich was geschehen wird, es ist ihm wichtig einen Moment bei seinem Gott zu sein, ihm zu danken, zu huldigen und einen eben so klaren Kopf wie am heutigen Tag zu erbitten.
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