Orange und blutrot, das Leben als Knappe
#12
Als er Abend nichts ahnend im Lager sitzt, kommt ein Bote zu ihm. Der Junge trägt abgewetzte Kleidung und die Stiefel sehen so löchrig und abgetragen ab, das Jon ihm kurzerhand die Eigenen anbietet. "Nachricht von eurer Familie, mein Herr." murmelt der Bursche, woraufhin er Jon überrascht erlebt. Er nickt rasch und greift ehrfürchtig nach der Schriftrolle. Anschließend bietet er dem Boten einen heißen Met und Brot mit Schinken an, während er sich selbst daran macht zu lesen. Seine Finger entrollen gespannt das Schriftstück und er beginnt zu lesen. Dabei erkennt er sogleich die Schrift seines ältesten Bruders, Joseph.


Mithras Segen Jon,

ich hoffe sehr dieses Schreiben erreicht dich dort wo du bist. Falls dies der Fall ist entlohne bitte den Boten und schicke ihn zurück. Wenn er es einmal geschafft hat wird er sicherlich auch zurück finden.
Da die Hoffnung zuletzt stirbt wünschen wir dir alle alles Beste zu deinem Ehrentag und hoffen, dass dich unsere Glückwünsche erreichen.

So du noch der Alte bist, Bruderherz, gehe ich davon aus, dass du auf Neuigkeiten brennst. Albert hat endlich geheiratet. Das glückliche Pärchen erwartet ein Kind. Ich und meine Dara sind glücklich, auch nach dem neunten Jahr das ins Land gezogen ist. Es ist erstaunlich wie lange du schon fort bist. Unsere Zwei gedeihen und halten uns auf Trab. Ich frage mich ob wir auch so waren?

Ich mache keinen Hehl daraus, das ich sehr neugierig bin was dein Leben so bringt. Ebenso wie der Rest der Familie, wie du dir denken kannst. Wie geht deine Kampfausbildung in Löwenstein voran? Konntest du viel lernen? Kommst du über die Runden? Mutter fragt natürlich – du kennst sie ja – was dein Herz tut. Ist dir vielleicht eine Frau begegnet oder gehört dein Herzblut noch immer vorrangig dem Schwertkampf?

Schreib mir wenn du einen Moment entbehren kannst, wir sind gespannt von dir zu hören.

Aus Hohenamrschen,

Joseph Silberfels

Nachdem Jon die Zeilen gelesen hat zieht er das abgetragene Stück Pergament an sein Herz. Für einen Moment erreicht ihn ein wenig Heimweh. Zwar nicht nach der sumpfigen Landschaft aber nach seiner Familie. Dort geht alles seinen geregelten Weg, jeden Tag und jedes Jahr und es geht zum Anbruch des Winters darum, Vorräte zu horten, um die kalte Jahreszeit zu überbrücken. Dort gibt es nicht viel Zeit für Feste, Messen oder Paraden.
Trotzdem versucht er ehrliche Worte für seine Antwort zu formulieren, auch wenn ihm dabei auffällt, wie sich sein Leben und er selbst verändert hat.
Erst als er das Pergament mit Löschsand bestreut hat und sein Siegel ins Wachs gepresst hat schickt er den Boten wieder los. Zum Brief reicht er diesem eine Goldmünze, in der Hoffnung er ist eine ehrliche Seele und gibt diese weiter. Als sich der Bote wieder auf macht hofft Jon sehr, das er es ein weiteres Mal über die Grenze schafft.


[Bild: egl2f4tq.png]



Möge Mithras über dich wachen mein werter Bruder,

ich freue mich sehr über deine Kunde und habe dem Boten ein motivierendes Entgeld gezahlt. Die restlichen Münzen soll er dir überbringen. Stell sicher das es ein Gulden ist. Ich möchte das du das Geld fair aufteilst und für die Kinder nutzt. Schenk ihnen beim nächsten Besuch in Lilienbruch etwas für die Zukunft. Einen anständigen Bogen, einen Lederwams oder ein Buch. Das wären Dinge gewesen, die ich mir in meiner Jugend gewünscht hätte.

Damit hat sich die Frage erledigt, ob ich gut über die Runden komme. Kriegergut ist hier heiß begehrt und es tummeln sich zahlreiche Räuberbanden in den Höhlen. Ich kann also nicht klagen, ganz im Gegenteil kann ich mir Dinge gönnen, die früher nie denkbar gewesen wären.
Bis zum Anfang des Jahres etwa war ich in Löwenstein, bis ich erfuhr, das ein Ritter, namentlich Saresh, in Candaria einen Knappen sucht. Tatsächlich ist dieser Mann ein Jure, die Amrhaner beschreiben ihn gerne als Wilden. Es ist schwer dieses Volk zu beschreiben, er ist herrisch, stolz, direkt und recht körperlich in seinem Handeln und Denken. Darüber hinaus ist er ein ausgezeichneter Kämpfer, Reiter und seit dem Frühjahr mein Herr.
Seine Strafen fallen zumeist demütigend und grausam aus, jedoch ist mir bisher die Peitsche zumindest erspart geblieben.

Macht euch keine Gedanken, vor allem Mutter nicht denn es gab nur zwei Strafen, die mir wirklich nahe gingen. Ich habe sie ausgesessen, akzeptiert und daraus gelernt. Mittlerweile sieht er in mir einen loyalen Gefolgsmann und fähigen Schwertkämpfer.

In der Kurzfassung: Mein Herr ist mittlerweile Lehensritter von Candaria. Ich wurde vor Kurzem Bürger in Greifanger, dem Dorf dort. Kurz nach der Ernennung meines Herren lud mich die Baronin von Greifanger – dem Dorf das mittlerweilen meine Heimat darstellt – zum Gespräch. Sie benötigt einen Nachfolger für meinen Herrn, einen Ritter für ihr Dorf. Anscheinend sieht sie nach Empfehlung meines Herrn mich als würdig an, sollte ich meine Ausbildung zur Zufriedenheit abstimmen.

Aber abgesehen von meinem Werdegang als Krieger kannst du Mutter und bitte auch Vater ausrichten, das ich tatsächlich eine Frau gefunden habe. Eine die ich plane zu der meinen zu machen. Jedoch herscht dabei keine Dringlichkeit, viel eher will ich ihr erst einen angemessenen Stand bieten können, ehe ich sie zu meiner Frau nehme. Aber ich möchte keine großen Worte schwingen, sollte der Moment passen werde ich nicht zögern. Ihr Name ist Leira und sie ist wahrlich eine Frau, wie ich sie mir nicht anders wünschen könnte. Ich kann sie euch zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorstellen, aber vielleicht eines Tages.

So verbleibe ich und übersende euch die Kunde, das ich bester Gesundheit bin und meinen Weg unermüdlich weiter verfolge.

Mit besten Grüßen aus Candaria,

[Bild: puszvkpb.png]
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