Orange und blutrot, das Leben als Knappe
#6
Jon erwacht, als die Sonne sich gerade überlegt den Horizont zu übersteigen. Der Stall ist in orange-rotes Morgenlicht getaucht und setzt die Frau in den Fellen in Szene. Ihr rotes Haar spiegelt das passende Licht wieder und er muss bei dem friedlichen Anblick lächeln. Er spürt einen Stich im Herz, auf der einen Seite sehr glücklich, dass sie mittlerweile die Seine ist, aber auch der anderen Seite bedauernd, das er los soll. Als sie die wohlgeformten, weichen Lippen einen Spalt öffnet und sich in die Richtung dreht, wo er eben noch gelegen hat macht er sich rasch auf, bevor die Disziplin dahin ist. So viel gewonnen aber auch so viel zu verlieren.

Er legt leise die lederne Rüstung an und führt sein Pferd vom Hof fort, bevor er aufsitzt, um sie auf keinen Fall zu wecken. Das Ross ist den Patroullienritt zur frühen Stunde gewohnt und der kühle Wind weckt sie beide. Bis auf ein paar wilde Tiere ist das Land noch ruhig, obwohl es auch tagsüber sehr ruhig ist.

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Mond wird beim Lager des Stammes langsamer, doch Jon treibt ihn weiter nach Norden über die Brücke. Knapp danach rutscht er aus dem Sattel und stellt sein Pferd nah bei der Brücke ab. Er löscht die Fackel und sucht sich seinen Weg möglichst unbemerkt bis an die Burg heran. Jon kennt den Weg und jeden Schritt mittlerweile ebenso wie die Sichtweite der Wachen.
Er folgt dem Fluss und wagt sich dann dicht an die dicken Mauern heran. Dort verharrt er, in der Dunkelheit verborgen und von dem Kapuzenumhang geschützt. Obwohl er regungslos ist sind seine Sinne geschärft und er lauscht jedem Schritt und jedem noch so leisen Austausch. An dem Wachwechsel hat sich nichts verändert, was ihn insgeheim beruhigt.
Dennoch hält er den Blick immer wieder auf die Umgebung, damit ihm kein wildes Tier unbemerkt auflauern kann und ihn verrät. Nur ein kleinen Fehltritt oder ein aufmerksamkeit erweckendes Rascheln könnte ihn verraten und alles zerstören. Sie durften keinen Grund für Misstrauen geben, auch nicht wenn der Tag gekommen ist, an dem sie in die Burg dringen. Niemand sollte an der Loyalität zweifeln.

Jon hatte Furcht davor seinen Herren nochmals zu enttäuschen. 'Sogar der dümmste Bauer sollte das wissen.' wurde ihm jüngst vorgeworfen und die Worte schmerzen noch immer. Natürlich ist sein Herr voller erregter Vorfreude auf das Vorhaben, aber das entwertet die Worte nicht. Schlimmer war jedoch die Demütigung und die Schläge. Er weiß wie wichtig Saresh Loyalität und blinder Gehorsam ist. Bestimmt war es wieder nur eine Prüfung gewesen, ob Jon sich wehrt oder es aushält. Natürlich hatte er es ausgehalten, Saresh ist sein Herr er kann über ihn verfügen wie er will. Und wenn der Ritter entscheidet sein Knappe hat Strafe verdient, dann steht das nicht zur Diskussion.
Aber mittlerweile kommt ein anderer Gedanke, jetzt wo sein rot und blau geschlagenes Gesicht ermahnend hämmert. Vielleicht wollte Saresh ihn nur vorbereiten auf das was kommt. Ihn lehren seine Fassung zu bewahren und keine Absichten durch sickern zu lassen. Wenn ihm nur einmal der Blick entgleiten würde oder er keine stolze, vertrauensvolle Miene zu Stande brachte konnte er für Misstrauen sorgen. Und bei allem was ihm lieb und teuer ist, er will nicht derjenige sein wegen dem der Plan scheitert.

Etwa zwei Stunden nach der Patroullie in der Kälte kehrt er zurück zu seinem Pferd und reitet eine neue Runde durch Greifanger. Hier und da wagen sich schon ein paar müde Gestalten aus den Häusern aber größtenteils ist dieser Teil des Lehens noch verschlafen. Er denkt an das Fräulein in den Fellen, welches mittlerweilen auch aufgewacht sein wird und sehnt sich danach ihr verschlafenes Gesicht zu sehen. Eine frische Briese klart seine Gedanken auf und er reitet weiter nach Greifanger, wo ihn bald sein Herr erwarten wird. Es wird langsam Herbst.

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Das Gastgeschenk - von Jonathan Silberfels - 16.09.2015, 23:09
RE: Orange und blutrot, das Leben als Knappe - von Jonathan Silberfels - 30.09.2015, 09:36
Reinigung - von Jonathan Silberfels - 08.10.2015, 20:07
Bewältigung von Wut - von Jonathan Silberfels - 22.10.2015, 12:43
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Durchhaltevermögen - von Jonathan Silberfels - 13.01.2016, 12:30
Bereitschaft - von Jonathan Silberfels - 15.01.2016, 11:22
Auf der Zielgeraden - von Jonathan Silberfels - 26.01.2016, 14:37
Am Ziel - von Jonathan Silberfels - 22.02.2016, 18:23



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