Orange und blutrot, das Leben als Knappe
#3
"Du gehst zu weit." waren die Worte, die vom gestrigen Abend noch in seinem Kopf nach hallen, als er erwacht. Der Gefangene war frech gewesen und besitzt tatsächlich keinerlei Reuegefühl oder Manieren. Jon konnte seinen Herren verstehen und spätestens nach der gezielten Kopfnuss fühlte er auch dessen Wut.
Aber wie soll er sich auch in einen solchen Menschen hinein versetzten? Jon empfindet Reue nicht als Schwäche oder beschämend. Reue zu zeigen ist sogar ein Zeichen von Stärke. Darüber hinaus ist es wichtig, die Kraft zu besitzen sich seiner Strafe zu stellen und sie zu akzeptieren. Es ist immerhin besser als der Tod, oder etwa nicht?
Zeitweise fragt er sich, ob diese unbelehrbare Person nicht den Tod verdient hätte. Er versteht es einfach nicht. Mandres wirkte auf ihn wie ein stures, quängeliges Kind. Anstatt die Strafe durch zu stehen wie ein Mann es tun würde, windet er sich wie eine Schlange. Immerhin wurde ihm die Freiheit gelassen anschließend seines Weges zu gehen. Was ohnehin schon ein erstaunlich mildes Urteil war.
Jon gibt den Gedankengang immer noch nicht auf, auch wenn es besser wäre. Er kann es nicht verstehen. Schlichtweg weil er sich auch sehr zusammen nehmen musste, um die Bestrafung durch zu führen. Er ist eben kein solcher Mensch, sondern ein sehr bedachter Mensch, der nachdenkt, bevor er zu vorschnell und zu impulsiv handelt. Macht ihn das denn schwach?

Der Gefangene konnte zweifellos einiges weg stecken. Vielleicht war die Strafe mit dem Knüppel doch die falsche Wahl seines Herren? Auch wenn Saresh' Worte nicht viel Interpretationsbedarf gelassen haben, gab Jon dem Ganzen die Würze. Er spürte für einen Augenblick sogar so etwas wie Triumph, als der Hund zusammen sackte, als der Tritt unter die Gürtellinie folgte. Einen überstand der Gefesselte, beim Zweiten wehrte er sich und schlug Jon die Stirn ins Gesicht.
Tatsächlich ist es lange her, dass Jon sich geprügelt hat. Umso überraschender war der Schmerz für ihn. Ihm war sowieso nicht wohl bei der Sache, aber spätestens als der zu Bestrafende sich auf diese Weise wiedersetzte, wurde Jon bewusst, wie sehr es seinen Prinzipien wiedersprach. Ist es gerechtfertigt, da er die ausführende Hand seines Herrn war? War es tatsächlich eine Art Prüfung, weil Saresh ihn für zu weich hällt? Zumindest fühlte er sich wie nach einer Prüfung, denn als das Adrealin ab sackte wurde ihm unwohl und zittrig.

Aus diesem Grund hat er Nähe gesucht, ihre Nähe. Um abgelenkt zu sein, den Kopf auszuschalten und es hat funktioniert. Ihr Geruch und ihre Wärme beruhigen und ermutigen ihn. Als die ersten Sonnenstrahlen in den Heuspeicher gelangen reckt er sich sachte, um sie nicht zu wecken. Er haucht der eingeschlungenen Frau einen Kuss auf den Haarschopf und stielt sich in die Kühle des Morgens. Jon würde sich heute etwas Ruhe gönnen und den Tag nach Training und Patroullie ruhig ausklingen lassen, wo doch sein Herr auf Reisen ist. Selbstverständlich ohne seine Pflichten zu vernachlässigen aber entspannt genug, um den Kopf frei zu bekommen. Auf dass die Ereignisse des gestrigen Abends sich setzen können und ihm nicht noch länger im Kopf herum schwirren. Zurück bleiben soll nur eine Erfahrung, die ihn stärker macht. Nicht mehr und nicht weniger.
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RE: Orange und blutrot, das Leben als Knappe - von Jonathan Silberfels - 10.09.2015, 17:35
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