Zwei Leben
#19
No tears, no fears,
Remember there's always tomorrow
So what if we have to part,
We'll be together again
Your kiss, your smile,
Are memories I'll treasure forever
So try thinking with your heart,
We'll be together again
Times when I know you'll be lonesome,
Times when I know you'll be sad
Don't let temptation surround you,
Don't let the blues make you bad
Someday, someway,
We both have a lifetime before us
For parting is not good-bye,
We'll be together again

Frank Sinatra - We'll be together again

Vorsichtig ließ sie sich auf der Kante des Bettes nieder, in welchem Lionel seelenruhig schlummerte. Er hatte sich halb aus der Decke gestrampelt; sein Kissen lag auf dem Boden. Unerlaubterweise hatte sich auch der struppige Wolfshund auf die Schlafstatt geschmuggelt und plierte vollkommen unschuldig zu Cahira auf. Der Junge hatte die Lippen halb geöffnet und eine schwarze Haarsträhne war ihm in die Stirn gefallen, eine Hand ins Fell des Hundes gekrallt.

Die junge Frau zog einen Lederhandschuh von den Fingern und streifte behutsam die wirre Strähne zurück, so wie sie es so viele Male zuvor nicht nur bei ihrem Sohn sondern auch bei Kyron gemacht hatte, wenn dieser tief und fest geschlafen hatte. Bei diesem Gedanken krümmten sich unwillkürlich die kalten Finger, zog sich die Hand zurück. Routinierte Griffe bedeckten Lionel wieder und legten das Kissen neben seinen Kopf.

Der Anblick des Sohnes beruhigte und besorgte sie gleichermassen. Auf der einen Seite gab er ihr Kraft und erhellte ihre Tage mit seinem Lachen, auf der anderen Seite war gerade er ihre Schwachstelle. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn Kyrthon ihn in die Hände bekommen würde. Vielleicht hätte sie das mit der Drohung, zur Kirche zu gehen, lassen sollen … aber gesagt war gesagt und sie wollte, konnte ihre Worte nicht zurückziehen. Sollte er nur erkennen, dass er nicht unbescholten tun und lassen konnte, was ihm beliebte, und es Menschen gab, die ihm eventuell gefährlich werden konnten.

Sie fühlte sich so verdammt hilflos und alles, was sie sagte, wurde von diesem Mann herum gedreht und ins Schlechte verquert. Er legte ihr Worte in den Mund, so zum Beispiel, dass sie gemeint hätte, Kyron wäre ein Monster. Er redete und redete. Sie hatte sich nicht anders zu helfen gewusst, als zu warnen, zu drohen. Doch Kyrthon konnte sich nicht darauf einlassen, Kyron aus seinem Netz zu entlassen, zu groß war die Gefahr, dass dieser sich im freien Willen gegen ihn stellte.

Sie hatte sich ein paar Schläge eingefangen. Dureth hatte sie verstummen lassen wollen und Kyron vertreiben. Als Soldat war sie schlimmeres als eine Ohrfeige oder ein paar Fausthiebe gewohnt, nicht angenehm, aber auszuhalten. Doch als Kyron drohte, ihr in den Bauch zu stoßen, hatte sie sich dann doch verzogen. “Ich verschwinde für heute, aber nicht aus Deinem Leben!” Obwohl sie ihm beweisen hatte wollen, dass sie nach jedem Schlag wieder aufstehen würde, sie stark und kräftig war, und er selber erkennen musste, zu was einem Menschen Dureth ihn gemacht hatte, dass er seine Familie, seine schwangere Frau, verprügelte.

Der Gedanke, getötet zu werden, kam und ging im nächtlichen Schlafzimmer ohne Schrecken. Falls sie ihre Warnung wahr und alles öffentlich preisgeben würde, was sie über den Kult und deren Anführer wusste - und im Laufe der Jahre hatte sich so einiges an Wissen angesammelt - hatte Kyrthon ihr in Aussicht gestellt, ihr restliches Leben zur reinen Agonie zu gestalten. Aber hatte er das nicht bereits getan, indem er ihren Pakt auf so schändliche Weise missbraucht und Kyron zu einem Mann werden lassen, der alles, was sie sich zuvor hart erkämpft hatten, scheinbar vergessen hatte und nur noch Abneigung für sie empfand? Wahrscheinlich war dies der einzige Weg gewesen, ihm die Kameradschaft, Freundschaft und Liebe zu nehmen, um ihn aufgeben zu lassen und zurück in die Arme des vermeintlichen Meisters zu sinken.

“Er wird nicht bluten, sondern ich!” Leider musste sie Kyrons Worten zustimmen. Die Kirche würde ihr Wissen aufsaugen, eine Hexenjagd sonders gleichen veranstalten und dabei wohl kaum darauf achten, dass auch Unschuldige mit zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu gehörten wohl alle, die auch nur von einem Puzzleteil dieses grausamen Bildes wussten - Arthar, Baron Jehann, Cyril, Cois, Kyron, sie selber und nicht zuletzt Lionel, wenn sich bestätigen würde, das auch er die Kraft in sich trug.

Damals war es die Angst gewesen, die Kyron und sie in die Fänge von Dureth getrieben hatte. Sie hatte Angst um ihren Ehemann gehabt, und er vielleicht Angst um sich selber, vor Kyrthon, vor dem, was geschehen würde, wenn er vollständig den Verstand verloren hätte. Sie waren zu träge gewesen, sich zunächst Hilfe von andere Stelle zu holen, die Worte des wiederbelebten Feindes zu hinterfragen. Nun durchliefen sie ein Jammertal des Schmerzes - es verging, was Cahira betraf, kein Tag an dem sie nicht an ihren Ehemann dachte und darüber nachsann, wie sie diese Situation lösen konnte. Angst hatte sie nun keine mehr, jedenfalls nicht um sich selber, aber war sie bereit solch’ einen gewaltigen Schritt zu gehen und ihr lieb gewonnen Menschen eventuell den Flammen zu überantworten?

Die klammen Fingern schoben sich in die Gurttasche und förderten einen Silberring hervor. Das Metall war trübe und abgetragen, der eingefasste blaue Stein - ein Saphir - hatte auch schon bessere Tage gesehen, doch noch immer fing er das fahle Mondlicht auf, welches den Raum in geisterhaftes Licht tauchte. Sie erinnerte sich daran, wie Kyron die Eheringe mit einem Male in der ihm eigenen spontan, unromantischen Art präsentiert und sie vor überraschter Freude los geweint hatte.

Ihrer war abhanden gekommen; sie hatte ihren Vater in Verdacht, der auch ihre alte Rüstung und Schwert verkauft hatte. Zum einen waren mit ihr und dem Enkelsohn zwei Esser mehr auf den Hof gekommen, zum anderen hatte es eine geraume Weile nicht danach ausgesehen, dass sie jemals das Bett als gesunder Mensch verlassen geschweige denn eine schwere Wehr tragen oder eine Waffe führen würde …

Cahira hatte damals überhaupt viel geweint und auch jetzt konnte sie nicht verhindern, dass Tränen aufstiegen, in den Augen brannten. Dieser abgenutzte Ring war Symbol für ihre Ehe, an der sie festhielt, zu der sie stand, obwohl sie angesichts Kyrons Behauptungen wohl eher wie eine verlassene, irre Frau dastand, die in ihrem Wahn nicht begreifen konnte, dass der Mann, den sie liebte, sich von ihr abgewandt hatte. Ihr Beisammensein war nicht immer schön, nicht immer freudig und voller Honigkuchen gewesen; sie gab sich da keinen Illusionen hin. In diesem Punkt täuschte sich Dureth gewaltig. Aber sie bereute keinen Augenblick und irgendwann würde die Zeit kommen, an dem sie ihrem Ehemann den Ring wieder an den Finger stecken würde.

Zunächst sah sie davon ab, zum Tempel zu streben. Dieser Punkt der Verzweiflung war noch nicht erreicht. Doch sie würde bis dahin weiter kämpfen, mit ihren eigenen kleinen, unscheinbaren Mitteln, auch wenn dies nur bedeutete, weiter standhaft zu sein, festzuhalten, zu hoffen.
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
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Zwei Leben - von Cahira Mendoza - 04.05.2015, 02:24
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