Zwei Leben
#9
"There is nothing you can do to help me now
I am lost within myself as so many times before
There's nothing you can do to ease my pain
I am so, so sorry but if you love me you must let go"

Pain Of Salvation - Chain Sling

~*~

Die Vernunft hatte gesiegt, zumindest in Teilen. Jene Teile Kyrons, die ihn statt der großen Schlucke von zuvor kleinere, beherrschtere Mengen vom laudanumversetzten Weinbrand tätigen ließen, waren jene Teile, die Cahira liebten, und Lionel. Kyron selbst wusste nicht, wieviel von seinem Inneren dazu gehörte, denn selbst wenn niemand es ihm zutraute, niemand ihm glauben wollte, und er es ganz sicherlich niemandem anvertraute, er hatte doch an einem Punkt seines Lebens großen, unauslöschlichen, gnadenlosen Hass für Cahira empfunden.
Er hatte sie tot sehen wollen, und nicht nur weil Tarol es von ihm gefordert hatte. Einmal weil sie sein junges Herz gebrochen, sich in einen Adeligen verguckt hatte, und jener Hass war flammend und kräftig gewesen, aber kurzlebig.
Später jedoch, als Isabelle in sein Ohr gewispert hatte, als er mit der Todesbotin durch unsichtbare Ketten und gemeinsames Leid aneinander gefesselt worden war, da hatte er erschöpften Hass empfunden. Jenen Hass, den man empfand wenn ein Liebster seit Monaten im Sterben lag, und man all das Leid nicht mehr dulden wollte. Die Art von kaltem Fatalismus, die ihn wünschen gemacht hatte, Cahira würde ihn vergessen und sich jemand anders suchen, oder sterben, nur damit er nicht mehr aus der Ferne um ihr Leben fürchten musste. Um sein eigenes Leben zu fürchten wäre sinnlos gewesen, da es nicht mehr in seinen Händen gelegen hatte, sondern in jenen des Teufelspriesters, den Händen von...

"Kyrthon Dureth."
Das Gesicht war so oft in seiner trunkenen Peripherie erschienen, dass er den Mann an der Türe des Heilerhauses zuerst gar nicht beachtet hatte. Nicht einmal als der Schemen sprach wollte Kyron seine Anwesenheit ernst nehmen, und versuchte ihn mit einem geworfenen Kohlestift zu verjagen.
Der Stift prallte von der Brust des äußerst soliden Schreckgespensts ab.
Kyrons Herz versuchte mit einem Satz aus seinem Hals zu springen.
Rumpelnd rückte er in die hinterste Ecke die er erreichen konnte, ohne dem Namenlosen zuvor näher zu kommen, aber es nutzte nichts. Der Schlohhaarige trat vor und nahm ihm jeden Ausweg, ohne ihm näher als zwei Schritte zu kommen. Die Narbe an seiner Hand begann wieder zu jucken als würden sich Schwärme von Mücken in sein Fleisch bohren, aber er wagte es nicht einmal sich zu kratzen.
Nie in seinem Leben war er fähig gewesen, irgendjemandem zu erklären, warum gerade dieser Mann mit seiner freundlichen Stimme, dem aufmunternden Lächeln und den sanften Gesten ihn gerade in eine solche sinnzerreißende Panik versetzte. Niemand außerhalb des Kultes hatte es verstanden, und niemand der den Kult verlassen hatte, war jemals in der Lage gewesen davon zu sprechen, von den Dingen zu erzählen die Kyrthon Dureth aus der Dunkelheit beschwören konnte, von den Mächten die sein Meister ihm gegeben hatte.
Er war kein kräftiger Mann, dieser Kerl, und auch nicht einschüchternd. Er war nicht bedrohlich, nicht boshaft, nicht arrogant, und doch floss durch seine Adern die reine Kraft des Bösen, allen Bösens. Seine Macht war die der Worte, und Worte konnte Kyron nicht bekämpfen, das hatte er nie gelernt. Kyrthon konnte aus Luft und Muskelbewegungen einen Grund für Kyron schaffen, seine Frau zu töten, oder seinen Sohn aufzugeben, oder sich umzubringen, und der einzige Grund warum er es nicht tat war der, dass er zuvor dafür sorgen würde, dass Kyron erstens bereute, und zweitens einen Zweck erfüllte, der seine magere Existenz in den Augen des Namenlosen rechtfertigte.
Eigentlich sollte Kyron diesen Mann töten... Aber er konnte es nicht, hatte es nie gekonnt. Und andere schienen das selbe Problem zu haben, denn immerhin stand er hier, in Fleisch und Blut, lächelnd und unversehrt. Dieses Lächeln, es war der Abgrund in den Abyss.

Er würde ihn nicht töten können, diese Erkenntnis kam Kyron bereits als er sich von der Liege schälte und den Schmerzen zum Trotz zur Türe humpelte, bevor Kyrthon auf den Gedanken kam auch noch Hohenwacht in seine Fäden einzuspinnen. Gleichzeitig versuchte er einen anderen, weitaus erschreckenderen Gedanken zu verjagen, der zu ihm gekommen war wie der altvertraute Anblick von Dureth's Gesicht.
'Du hättest sie töten sollen als du damals die Gelegenheit hattest. Nun ist es zu spät.'

Kyron schüttelte sich wie ein nasser Hund. Niemals.
[Bild: spxyfrht.png]

Pain clears the mind of thoughts
Let pain clear your mind of all thought
so that the truth may be known
(Life - Charlie Crews)
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Zwei Leben - von Cahira Mendoza - 04.05.2015, 02:24
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