Der Dienst endet mit dem Tod.
#2
Natürlich hatte sie ihn irgendwann loslassen müssen und sie waren nach Zweitürmen gezogen, der aktuellen Unterkunft der Infanterie. Es gab so viel zu erzählen und zu fragen, dass Cahira vollkommen schwindelig im Kopf war. Doch der Alltag hatte kein Verständnis für Nachholbedürfnis und als Kordian zum Wachgang aufgebrochen war, wandte sich Kyron zu ihr um: “Und jetzt erzähle, was Du bisher verschwiegen hast …”

Cahira hatte nicht vorgehabt, ihre Verlobung und alles, was mit Aidan zusammenhing, zu verheimlichen, hatte sich aber ein paar Tage mehr Zeit gewünscht. Sie hatte den feinen Sinn ihres Ehemannes für ungereimte Schwingungen zwar nicht vergessen aber unterschätzt. Also erzählte sie, ließ so gut wie nichts aus. Als sie mit dem Tod Aidans endetet, erhielt sie auch sogleich einen Dämpfer, als Kyron fragte, ob sie seine Knochen gesehen hätte.

Nein, das hatte sie nicht. Aber wie hatte Aidan auch den Flammen entkommen können und auch wenn er entkommen war, war er ohnehin eine arme, entstellte, nach Sandast süchtige Leiche. Doch sie musste zugeben, dass ihr diese Ungewissheit Unwohlsein verursachte. So weit war es also schon gekommen, dass sie nicht mal mehr ordentlich einen Mann töten konnte; Soldat Mendoza wäre das nicht passiert, vor allem nicht, wenn es sich um das Wohl ihrer Familie gehandelt hätte. Kyron reiste nach Galatia ab, um diese Sachen zu einem Ende zu bringen; sie selber sollte bei Kordian bleiben, damit er auf sie aufpassen konnte.

Cahira empfand es als nicht richtig, dass ihr Ehemann nun eine Angelegenheit, die sie so unsagbar verbockt hatte - es gab einfach keinen anderen Ausdruck dafür - alleine regelte, aber Kordian meinte: “Bei uns gibt es keine meine oder deine Angelegenheit!” Früher war diese Aussage zutreffend gewesen. Sie waren eine Einheit gewesen, jeder schütze den Rücken des anderen und sie hatte sich innerhalb der Infanterie blind aufeinander verlassen können. Jeder war ein Zahnrädchen im großen Ganzen. Aber wie sah es damit heute aus?

Kordian und Kyron schienen sich in ihrem Wesen kaum verändert zu haben, soweit sie es jedenfalls in der kurzen Zeit seit des Wiedersehens beurteilen konnte. Aber sie hatte sich wohl verändert. Nach ihrer Verwundung und langsamen Genesung war sie ganz Hausfrau und Mutter gewesen, hatte keine Waffe mehr angerührt, keinen Kampf mehr ausgefochten. Und genau das ließen die Männer sie ganz genau spüren!

Es war keine sichere Welt, in der sie lebten, war es eigentlich nie gewesen, und ja, sie trug keine Waffe und auch keine Rüstung, aber konnte sie nicht wenigstens etwas Respekt erwarten; Respekt vor der Soldatin, welcher sie damals ihr Leben anvertraut hatten im Kampf gegen die Drachen und anderen Gesocks? Hätte sie es gewagt, Kordian wie ein zerbrechliches Paket zu behandeln oder Kyron auch in seinen schlimmsten Zeiten seine Kampfeskraft abzusprechen?

Und dann war Kordian auch noch sauer auf sie, dass sie ihre Sache verraten würde. In einer sehr bewegenden Rede hat er sie gefragt: “Wann endet der Dienst?” Sie blieb ihm die Antwort schuldig, obwohl sie ganz genau gewusst hatte, worauf er hinaus wollte. Natürlich nahm der altgediente Kämpe es nicht einfach so hin, dass alle Freischärler, die damals gegen die Ungetüme gekämpft hatten, als Rebellen gebrandmarkt und vertrieben worden waren und sann auf Rache. Aber satt seinen Ärger an ihr auszulassen, wie er es früher getan hätte, hatte er sich nach draußen verdrückt und seine Enttäuschung an einem unglückseeligen Vogelwesen ausgelassen.

Ja, sie fühlte sich wie eine Verräterin. Sie hatte weder nach ihren Kameraden noch ihrem Ehemann gesucht, obwohl sie es hatte besser wissen müssen, ob nun Zaubeei im Spiel gewesen ist oder nicht. Und sie hatte Angst. Sie hatte Angst davor, wieder verletzt zu werden, hatte Angst vor dem möglichen Verlust ihrer Kameraden. Was wäre, wenn sie im Kampf versagen würde, wenn sie am meisten gebraucht werden würde? Konnte sie überhaupt in ihr vorheriges Leben zurück oder sollte sie lieber Magd werden bei Inara auf dem Hof, wie Kyron vorgeschlagen hatte? Dabei war es genau das, was sie noch vor wenigen Wochen bei ihrem Aufbruch nach Amhran gehofft hatte: Das alles so werden würde wie früher! Jetzt aber zögerte sie, hatte weiche Knie … und vielleicht wollte Kordian sie ja auch gar nicht mehr in der Truppe haben?
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
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RE: Der Dienst endet mit dem Tod. - von Cahira Mendoza - 12.04.2015, 23:37



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