(K)eine Liebesgeschichte
#12
Vergangen aber nicht vergessen

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Als ihn die Sonnenstrahlen an der Nase kitzeln blinzelt er und sieht ihr Gesicht in friedlicher Vollkommenheit vor sich. Wieder einmal fallen ihm all die Worte ein. Sinnlich, anmutig, zart und zerbrechlich. Stumm sehnt er sich danach den sinnlichen Schmollmund zu küssen. Die Schwarzhaarige spitzt die Lippen unbewusst, wenn sie ihn ansieht. Es verlockt ihn förmlich dazu sie zu schmecken. Aber sogar wenn die jungen, weichen Lippen zu einem festen Strich zusammen gepresst sind oder sie einen beleidigten Schmollmund zieht kann er sich von dem Anblick nicht los reissen. An das vollkommene O, das sie formen, wenn sie stöhnt oder schreit will er dabei besser nicht denken.

Die Augenlider sind sanft geschlossen und verbergen die großen, tiefblauen Augen. Natürlich würde das jeder Mann über seine Angebetete sagen aber sie hat die schönsten und tiefgründigsten Augen die er je gesehen hat. Die geschwungenen Augenbrauen thronen über ihren Augen und sind sogar im Schlaf leicht aristokratisch erhoben. Er erinnert sich an die zarte Falte zwischen ihren Augenbrauen, wenn sie die Stirn runzelt und wünscht sich jedes Mal sie dort zu berühren oder zu küssen, damit der kleine Makel verschwindet. Seine Mutter sagte einst solche Falten würden sich hartnäckig halten und irgendwann würde man jederzeit grüblerisch aussehen.

Er würde sich daran nicht stören. Grüblerisch, lachend oder nachdenklich, er mag jede Facette dieser Frau. Sie regt sich leicht und entlockt ihm ein seltenes Lächeln, als sie mit Schlafzimmerblick zu ihm aufsieht. Ihr Haar, welches sie immer so bedacht bürstet ist durcheinander gebracht. Ein paar Strähnen stehen in verschiedene Himmelsrichtungen ab. Die Wangen sind leicht rosig und sein Blick streift bis zum Kinn hinab, wo sich die zarte Falte unterhalb der Lippen bildet, als sie lächelt.

Die Benommenheit löst sich langsam von ihr und als sie ihn betrachtet weiten sich langsam die Augen. Wie mit einem Paukenschlag tritt Entsetzen und Furcht in ihre rießigen Augen. Er kann ihren Herzschlag förmlich erahnen, der zu rasen beginnt. Das unwirkliche, hektische Pochen erfüllt die Szene und schließlich seinen Kopf. Ihr stockt kurz der Atem und ihr Körper erbebt in Panik. Als er intuitiv die Finger ausstreckt, um sie zu berühren löst sich ihr verstörender Anblick in Nebelschwaden auf und er erwacht jäh aus dem Traum.


Sein Erwachen passiert plötzlich und unfreiwillig. Mit einem Keuchen fährt sein Oberkörper hoch und sendet ein Zucken durch seinen Körper, welches sich mit einem beissenden Schmerz paart. Sinnloserweise tastet seine Hand neben sich das Bett ab, spürt aber nur Leere. Jedes Erwachen fühlt sich wie ein Schlag ins Gesicht an. Die quälende Erinnerung, die jeden verdammten Morgen wieder kehrt ist sicherlich gerechtfertigt. Sein Verstand soll ihn jeden Tag aufs Neue ermahnen was er für immer verloren hat.
Er lässt den Kopf hängen und wünscht sich für einen Augenblick er wäre nicht hellwach. Langsam kommen die spärlichen Gedanken des Vortages zu ihm zurück. Als er sich langsam zur Kommode umdreht blickt er durchs Fenster in den nebeligen Morgen. Er erinnert sich an das Stück Pergament, welches er in der Schublade deponiert hat und dreht das Papier bedacht in den prankenhaften Händen. Nur langsam faltet er die Nachricht auf, als würde er auch hier befürchten sie könnte in seinen Händen zu Staub zerfallen. Auf dem leicht schmutzigen Papier stehen wenige Worte, nieder geschrieben von seinem wachsamen Botenjungen.
'Eine Frau Durán hat sich heute im goldenen Raben ein Zimmer für drei Nächte genommen. Die Wirtin weigert sich pikante Details zu ihren Gästen Preis zu geben. Trotzdem wirkte sie bei den Worten 'Galatierin' und 'Rotschopf' dennoch hellhörig.'

Auch wenn die Worte vielversprechend klingen musste es sich nicht unbedingt um seine Mutter handeln. Trotzdem ist er nicht bereit es dabei zu belassen. Zwar hat er nicht explizit nach seiner Mutter gesucht doch der junge Bote kommt viel herum und schnappt so einiges an Tratsch und Geschehnissen auf. Obwohl sein Bein von dem Vorhaben nicht begeistert sein wird muss er zum goldenen Raben. Zumindest wäre ihm der kleine Erkundungsausflug eine willkommene Ablenkung.

Während er eine schlichte Robe überwirft und sich für den Karrentransport bereit macht denkt er an seine leibliche Mutter. Traurigerweise sind fast zehn Jahresläufe ins Land gezogen seit denen er Miriam nicht mehr gesehen hat. Zugegebenermaßen hatte er sich damit abgefunden sie nie wieder zu Gesicht zu bekommen. Trotzdem macht sich etwas Neugierde breit, da sie wohlmöglich so nah ist. Was macht sie in Servano? Wie verdient sie mittlerweile ihren Lebensunterhalt? Hat sie einen neuen Mann, vielleicht hat er sogar Halbgeschwister. Da sie den Namen ihres früheren Ehemanns noch trägt – ohne den Aki nicht einmal auf sie aufmerksam geworden wäre – geht er davon aus, dass sie nicht erneut geheiratet hat.
In den Jahren hat sich das letzte Bild eingebrannt, dass er von seiner Mutter im Kopf hatte. Die ebenmäßigen Züge waren vor Entsetzen und Unglaube verzogen, als Eduart sie aus dem Haus jagte, welches Jahrelang ihr Zuhause war. Ihre Wange glühte noch von der saftigen Ohrfeige, die sie sich eingefangen hatte. Aki's Vater warf ihr vor eine Hexe zu sein und ihr blieb schlussendlich nur die Flucht. Entweder hätte er Miriam der Miliz ausgeliefert oder sie eigenhändig getötet. Bis vor Kurzen hatte Aki den Gedanken noch fort geschoben aber er war sich mittlerweile sicher, dass sein Vater zu Beidem fähig gewesen wäre. Immerhin teilt der die Veranlagung zur Grausamkeit, was er zum Teil seiner Erziehung und dem Vater zu verdanken hat.

Er hat sich mühsam die Treppe hinunter gearbeitet, als von draußen bereits Pferde schnauben und ein Karren krachend am Feldweg Halt macht. Immerhin hat der Bauer Stroh geladen und der Transport wird bis auf gelegentliches Pieksen abgefedert. Der holprige Weg führt über die gepflasterte Straße bis nach Zweitürmen, wo der Bauer sein Transportgut ablädt. Nachdem ein paar Münzen Silber Aki's Geldkatze verlassen haben macht er sich humpelnd an den restlichen Weg bis zur Herberge.
Bereits nach wenigen Schritten, die so langsam wie die eines alten, buckligen Mannes voran gehen hört er ein unheilvolles Grollen von der grauen Wolkendecke. Der Tag ist ohnehin trist genug und als die ersten Regentropfen platschend auf das Pflaster treffen kümmert sich der Wanderer nicht sonderlich darum sondern zieht die Kapuze über das Haupt. Er spürt den feuchten Dreck zwischen den nackten Zehen, als er weiter voran geht, denn ein Stiefel am geschienten Bein ist zur Zeit undenkbar. Als er die Mauer erreicht lehnt er die freie Hand dagegen und stützt sich zusätzlich. Das Stockende klackt dumpf auf die Pflastersteine und kündigt sein Eintreffen an.

Die Grenzsoldaten beachten den humpelnden Vermummten in der nachtblauen Robe nur halbherzig. Im Schankraum schiebt er die leicht feucht gewordene Kapuze zurück. Wie ein Hund schüttelt er einige Wassertropfen ab und nickt der Schankdame Dana zu. »In welchem Zimmer nächtigt Frau Durán?« erkundigt er sich mit tiefer Stimme, in der Überzeugung seine Mutter ist tatsächlich nur wenige Schritt von ihm entfernt. Dana mustert ihn mit aufkeimendem Misstrauen schickt ihn aber die Treppe hinauf zum ersten Zimmer links.
Humpelnd nähert er sich der Türe und lehnt die Wange gegen das Holz. Tatsächlich nimmt er für zwei Herzschläge eine weibliche und männliche Stimme wahr, die aber verstummen, als hätten sie ihn gehört. Er nimmt einen tiefen Atemzug und klopft an. Ihm antwortet Stille. Aki zählt die Herzschläge, bis sich die Türklinke bewegt. Die Handfläche drückt leicht gegen die Türe, um ein plötzliches Zuschlagen zu verhindern, je nachdem wer ihn empfängt.

Ihm sieht ein höchst misstrauisches, grünes Augenpaar entgegen, welches ihn von oben bis unten mustert. Der strohblonde Kerl wird von ihm auf Mitte Dreißig geschätzt und trägt eine schlichte Reisekluft aus Leder und Stoff. Durch den kleinen Türspalt kann er jedoch nicht feststellen, ob sich noch jemand anderes im Raum befindet. Als bei der ausgiebigen Musterung kein Gruß folgt setzt Aki zu einem 'Wohlen Abend' an. Kaum ausgesprochen schwingt die Türe ein Stück weiter auf und der Unbekannte deutet auf einladende und zugleich Argwohn erregende Weise ins Zimmer.

Der Hüne zieht auf der Schwelle den Kopf ein und humpelt in den verdunkelten Raum. Das Fenster ist mit einem Laken verhangen und dämpft die abendliche Sonne. In den wenigen Strahlen, die ins Zimmer finden tanzen Staubpartikel. Ihm bleibt keine Zeit weitere Eindrücke in sich auf zu nehmen oder die Gestalt zu mustern, die sich in der Ecke verborgen hält. Der Mann tritt gezielt gegen das Stockende und reisst es ihm damit aus der Hand. Der Holzstab fällt mit einem dumpfen Laut auf die Dielen und bereits einen Atemzug später findet sich der Schmied mit einem Messer an der Kehle wieder, den Rücken gegen die Wand gepresst.
Er hebt die Hände an und zeigt die leeren Handflächen, um seine Wehrlosigkeit deutlich zu machen. Die Geste interessiert den Bewaffneten jedoch wenig und die die Klinge bedrängt die Bartstoppeln knapp neben dem Kehlkopf. Wäre der Mann mit einem anständigen Messer ausgestattet würde der Druck bereits Blut freisetzen. Demnach schließt der erfahrene Waffenschmied, dass er ein stumpfes Brotmesser am Hals hat. Sein Verstand wägt die Möglichkeiten ab. Es wäre ein Leichtes dem Angreifer das Messer zu entwenden, aber dank der Verletzung wäre es ein zu großes Wagnis sich mit dem Kerl zu messen.
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(K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 04.03.2015, 23:48
Jorinde und Joringel - von Aki Durán - 05.03.2015, 13:17
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 06.03.2015, 10:23
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 06.03.2015, 19:10
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 08.03.2015, 01:45
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 20.03.2015, 12:54
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 02.04.2015, 13:50
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 18.05.2015, 16:57
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 20.05.2015, 15:50
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 21.05.2015, 10:30
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 07.06.2015, 08:29
Vergangen aber nicht vergessen - von Aki Durán - 07.06.2015, 13:07
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 08.06.2015, 09:50



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