(K)eine Liebesgeschichte
#5
Sie hat eine Mauer errichtet. Nicht nur bildlich indem sie die Schlösser zu ihrem Haus ausgetauscht hat sondern auch emotional. Anstatt sich ihren Gefühlen zu stellen zieht sie den Kopf ein und rudert zurück. Ich bin wahnsinnig wütend aber gleichzeitig auch unwissend, was diese Reaktion wirklich ausgelöst hat.
Aber von vorne. Rahel sagte die drei 'magischen' Worte. Direkt, aufrichtig und irgendwie einfach.
Wir wollten aufbrechen und sie hält mich mit ihren Worten kurz zurück und sagt es. Vermutlich weil es sich in dem Moment richtig angefühlt hat. Das Problem daran ist, ich bin nicht annähernd so weit. Weder versteh ich den Auslöser noch die Überstürzung des Ganzen, immerhin kennen wir uns erst wenige Wochen. Ganz zu schweigen davon, dass ich ratlos bin wie ich darauf reagieren soll. Anscheinend nicht so wie ich es getan hab. Sie hat geweint und ich kann es nicht ertragen wenn sie weint also bin ich gegangen und hab ihr etwas Zeit gegeben. Ich frage mich nur ob nicht ich etwas Zeit gebraucht hab und sie dafür Nähe. Auf jeden Fall hab ich jetzt einen Scherbenhaufen und das kurz bevor ich das Gefühl hab hinter die ganze Sache zu kommen.

Immerhin hab ich das Buch 'Die Nachtigall und die Rose' gelesen, bevor sie mich von meiner Recherche ausgeschlossen hat. Das Buch wirkt abgenutzt, viel gelesen und ist demnach ihr Lieblingsbuch. Sie riet mir es zu lesen und beschrieb es als 'wunder-wunderschön'. Natürlich hätte ich nicht zugegeben, dass ich das Buch schon längst gelesen hab. Für mich ist das aber erdenklich schwere Kost, weswegen die Interpretation alles andere als leicht fällt.
Zumindest – ich hatte nichts anderes erwartet – haben wir wieder die übliche Symbolik. Eine Rose und eine Nachtigall. Der Vogel steht ebenso wie die Rose für Liebe aber auch Klage, Sehnsucht und Melancholie. Sie ist eine Nachtsängerin, die mit ihrem süßlichen Gesang die Dunkelheit vertreiben will.

Die Geschichte handelt um einen liebeskranken Studenten, der um die Aufmerksamkeit eines Mädchens buhlt. Sie sagte ihm, wenn er eine rote Rose bringt tanzt sie mit ihm. Doch mangelt es dem Jungen daran. Eine Nachtigall hört das Klagen und will dem Jungen helfen, denn er ist so aufrichtig und ehrlich verliebt wie einer der Liebhaber aus ihren Liedern.
Der Student sehnt sich danach seine Geliebte auf dem kommenden Ball für sich zu gewinnen, aber ohne die Rose befürchtet er, dass sie ihn nicht beachtet und ihm damit das Herz bricht.
So macht sich die Nachtigall auf den Weg, um dem bekümmerten Studenten zu helfen. Nach langem Suchen besucht die Nachtigall den Strauch unter dem Fenster des Studenten. Jener beklagt, dass der Winter seine Rosen gestohlen hat und der Frost die Knospen zerstört hat. Die Nachtigall gab nicht nach und nicht einmal die Antwort lies sie davon abbringen.
"Wenn du eine rote Rose haben willst", sagte der Baum," dann mußt du sie beim Mondlicht aus Liedern machen und sie färben mit deinem eigenen Herzblut. Du mußt für mich singen und deine Brust an einen Dorn pressen. Die ganze Nacht mußt du singen, und der Dorn muß dein Herz durchbohren, und dein Lebensblut muß in meine Adern fließen und mein werden."
Der Preis für die Rose und damit die Liebe des Studenten bedeutete also den Tod der Nachtigall.

Als der Mond aufging flatterte die Nachtigall zum Strauch und presste einen Dorn in die Brust und sang die süßesten Töne, bis ihr Lebenssaft floss. Eine Rose wuchs, jedoch war diese noch blass. Der Strauch sagte ihr sie müsste fester drücken und so tat sie es. Sie sang vom Erwachen der Leidenschaft und die Rose färbte sich zart rot. Doch das 'Herz' der Rose war noch blass, weswegen sie den Dorn bis ins eigene Herz drückte. Der Schmerz wird als bitter beschrieben und ihr Lied wird wilder. Sie singt von einer aufrichtigen Liebe, die sogar den Tod überdauert. Die Nachtigall starb mit einem Schluchzen, das die Rose erzittern lies.

Trotz Rose endet die Geschichte damit, dass der Student von seiner Geliebten verschmäht wird, denn ein anderer Mann hat ihr Juwelen geschenkt, die in ihren Augen viel mehr wert sind als die Rose. "Wie dumm ist doch die Liebe", sagte sich der Student, als er fortging, "sie ist nicht halb so nützlich wie die Logik, denn sie beweist gar nichts und spricht einem immer von Dingen, die nicht geschehen werden, und läßt einen Dinge glauben, die nicht wahr sind."

Fern jeder Logik. Wie zutreffend das doch war, wenn es um seinen derzeitigen Zustand geht. Langsam glüht sein Kopf und er ist es leid über das Thema nach zu denken. Immerhin ist es auch nicht mehr relevant oder doch?
Komischerweise wird sein Zustand jeden Moment, den er darüber nachdenkt logischer und verständlicher. Seit er gegangen ist, weil er ihr Heulen nichtmehr ertragen konnte fühlt er sich kränklich. Aber er kennt seinen Körper zu gut und weiß, dass die Sympthome nichts mit einer Erkältung oder ähnlichem zu tun haben. Das Stechen in seiner Brust und die ungewohnte Übelkeit sind weder Krankheit noch Verlustängsten zu verschulden, sondern Sehnsucht. Er empfindet solchen Schmerz, als würde ein Bolzen in seinem Torso stecken. Das unwohle Gefühl im Bauch beduetet viel eher, dass er sich sorgt und ihm bewusst wird, dass er für ihr Leid verantwortlich ist. Vermutlich ist es ein Anflug von Reue und Schuldgefühlen, etwas das er sehr lange nicht mehr zugelassen hat.
Es bedeutet Schwäche und er hat mit seinem Verstand versucht dieses Zustand zu verhindern. Nun hat es dazu geführt, dass er untätig in der angemieteten Kammer in der Taverne hockt, die Fenster verhangen, die Türe verbarrikadiert. Sein Körper streikt und gaukelt ihm Mangelerscheinungen vor. Er möchte sich nicht bewegen und kann es auch nicht. Egal womit er seine Gedanken umzulenken versucht, sie schweifen immer wieder zurück. Sein Kopf formt unlogische Gedanken, ersehnt sich die buntesten Träume, als hätte er über den Durst getrunken. Tatsächlich ist das Gefühl mit Trunkenheit vergleichbar.

Vielleicht ist eben dieser Schmerz die Lösung des Rätsels. Er würde für sie leiden und sterben, sie mit seinem Leben beschützen, um sie vor allem Schlechten zu bewahren. Bisher hat er sich eingeredet, dass er 'das Schlechte' in ihrem Leben ist, aber wie kann das sein wenn sie zusammen geführt wurden? Viel eher tut er ihr Schlechtes mit seinem Verhalten. Wie kindisch ist die Erwartung, dass sie ihn leitet und lehrt, wenn sie doch selbst überfordert ist?
Um weiter zu kommen muss er das Vertrauen stärken anstatt es zu zerstören. Zulassen ist das Zauberwort. Und wohlmöglich nicht immer alles tot reden. Wenn sie es wirklich will, muss er sie deuten lernen. Er versteht sie doch auch auf die leidenschaftliche Art und Weise, wenn er sie verführt, warum dann nicht auch emotional?
Wo liegt der Unterschied? Vermutlich da, dass sie die Frau mit der Schaufel ist, die in der Erde gräbt. Dort liegt ein zaghaft pochender Fleischklumpen, der sein Herz darstellt. Warum ist die Angst so groß, sie könnte zu harsch zustechen, wenn die Befürchtung wieder eingegraben zu werden genauso schwer wiegt?

[Bild: yjl9mybr.gif]
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(K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 04.03.2015, 23:48
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RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 08.06.2015, 09:50



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