(K)eine Liebesgeschichte
#4
Sie hämmerte sich die Fingerknöchel gegen die Schläfen. Es waren keine festen Schläge, es war eher so, als wolle sie dort etwas unliebsames ver- oder etwas anderes hineintreiben. Endlich ließ sie die Hände wieder sinken und betrachtete ihr Antlitz im Spiegel. Sie sah blass aus und müde. Wirklich keine Schönheit, nein. Der Griff zur Bürste kam automatisch und in Gedanken versunken, begann sie ihr Haar zu bürsten, so wie sie es jeden Tag morgens und meist auch noch einmal abends machte. Wenn es schon nicht blond war, so sollte es dennoch glänzen und sie mochte das Gefühl, wenn sich die Wellen über ihrem Rücken ausbreiteten.

"Warum nur?" dachte sie. "Warum nur habe ich wirklich alles falsch gemacht, was ein Mensch falsch machen konnte?"

Sie hatte anfangs nicht gewusst, auf was sie sich einließ, auch wenn sie ahnte, dass es nicht leicht werden würde. Alles war so komplett anders, als sie es kannte. All diese sinnlose Wut, dieser Drang nach Zerstörung und dann wieder die pure Leidenschaft. Aber hatte sie sich nicht genau das gewünscht? Leidenschaft? Animalisch und pur seinen Trieben nachgeben, das Dunkle der Seele an die Oberfläche kommen, sich treiben lassen ...

Und doch, war es so grauenhaft anstrengend, mit diesem Mann. Ein einzelnes Wort, wenn es das falsche war, konnte ihn zum Berserker mutieren lassen; eine einzelne, unbedachte Geste konnte ihn zu einem Eisberg erstarren lassen, der mit kühlen Augen bis auf den Grund ihres Seins zu blicken schien.

Und war es nicht gerade diese Herausforderung gewesen, die sie immer weiter hatte gehen lassen? Bis aus dieser Herausforderung etwas anderes entstanden war ...

Und diese Worte, dieser Satz, diese Gefühle hatten alles zerstört, was sie bis dahin sicher geglaubt hatte. Dabei war ihr klar, dass sie viel mehr Möglichkeiten besaß, als er. Und doch war sie unvorsichtig geworden, hatte sich gehen lassen, hatte das gesagt, was sie niemals hätte sagen dürfen und so zog ein Wort das nächste nach sich.

Als der Strom ihrer Gedanken an diesem Punkt angekommen war, hielt die Bürste inne und sank in ihrer Hand auf den Oberschenkel.

Was war nun zu tun? Wie könnte sie das retten, was ihr mittlerweile so wichtig geworden war? Sie erinnerte sich an die Worte ihres Vaters: "Wenn du einen Fehler gemacht hast, dann erkenne ihn. Gehe zurück und beginne von vorn. Und beim zweiten Mal wirst du diesen Fehler nicht noch einmal machen." Nicht immer bekam man die Chance aus seinen Fehlern zu lernen, manchmal war es auch einfach zu spät.

Aber dies Risiko musste sie eingehen. Sie erhob sich, wusch sich und kleidete sich an. Sie wählte die Arbeitskleidung, die sie trug, wenn sie draussen nach Kräutern suchter. Erst einmal musste sie raus, an die frische Luft, durchatmen. Dann würde sie die nächsten Schritte sehr genau überlegen müssen und sie betete stumm zu Mithras, dass sie nicht noch einen weiteren, größeren Fehler begehen würde.
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(K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 04.03.2015, 23:48
Jorinde und Joringel - von Aki Durán - 05.03.2015, 13:17
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 06.03.2015, 10:23
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 06.03.2015, 19:10
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 08.03.2015, 01:45
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RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 02.04.2015, 13:50
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 18.05.2015, 16:57
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 20.05.2015, 15:50
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 21.05.2015, 10:30
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 07.06.2015, 08:29
Vergangen aber nicht vergessen - von Aki Durán - 07.06.2015, 13:07
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 08.06.2015, 09:50



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