(K)eine Liebesgeschichte
#3
Anscheinend beschäftige ich mich etwas zu offensichtlich mit dem Thema. Ich kam mit Rahel ins Gespräch was Märchen angeht und wenn sie so redet wirkt meine Sicht fast schon festgefahren. Noch ist es mir ein Rätsel wie ich ihr entgegen kommen kann, aber sie hat mich auf ein weiteres Märchen gebracht, das auf den ersten Blick wie die Faust aufs Auge passt: Die Schöne und das Biest.

Ich kenne das Märchen flüchtig, aber ich musste mich erst schlau machen, um die Zusammenhänge aufzugreifen. Die Geschichte beginnt damit, dass ein reicher Kaufmann all seinen Besitz verliert und seitdem recht bescheiden mit seinen Kindern lebt. Sein Reichtum wurde bei einem Sturm zerstört, doch Wochen später hört er davon, dass eines seiner Schiffe noch intakt sei und er macht sich auf zum Hafen. Er macht sich also auf dden Weg und erkundigt sich bei seinen Töchtern, was er ihnen von der Reise mitbringen soll. Bis auf die schöne 'Belle' begehren die Mädchen Schmuck und edle Kleider, sie jedoch möchte eine Rose.
Der Kaufmann muss aber feststellen, dass am Hafen nichts auf ihn wartet. Auf dem Rückweg verläuft er sich und entdeckt ein menschenleeres Schloss, das jedoch eine gedeckte Tafel für ihn bereit hält. Er verbringt die Nacht dort und pflückt am nächsten Tag im Rosengarten eine Blume für seine Tochter Belle. Der Bewohner des Hauses zeigt und das angsteinflößende Biest fordert einen Tribut für die Rose, die sein wertvollster Besitz ist. Dennoch lässt es dem Kaufmann sein Leben, fordert aber dafür eine seiner Töchter ein. Als der Vater zurück kehrt ist es Belle, die sich dazu bereit erklärt. In gewisser Weise war ihr Wunsch ja der Ausschlag für die Situation.

Belle reist in das Schloss und bleibt mehrere Monate. Das Biest begegnet ihr freundlich, großzügig und sie lernt seine Gesellschaft zu schätzen. Als die Schöne Heimweh bekommt gewährt ihr das Biest einen einwöchigen Besuch bei ihrer Familie. Es gibt ihr einen Spiegel, der sie zum Schloss sehen lässt und einen Ring, der sie in Windeseile zurück bringen würde.
Zuhause sind die Schwestern eifersüchtig auf Belle, der es beim wohlhabenden Biest prächtig ergeht. Unter dem Vorwand falscher Liebe erbitten sie, dass Belle länger bleibt. Die gutmütige Schöne lässt sich erweichen, aber sieht wegen der aufsteigenden Schuldgefühle in den Spiegel. Sie sieht das Biest, wie es vor Trauer zerrissen im Rosengarten liegt, da die Schöne ihr Versprechen gebrochen hat rechtzeitig zurück zu kommen.
Sie benutzt den Ring um zurück zu kehren und findet das Biest fast tot. Belle weint um es und gesteht ihm ihre Liebe. Ihre aufrichtigen Tränen brechen den Fluch, der auf dem Biest lastet und verwandeln es zurück in seine menschliche Gestalt. Der schöne Prinz wurde von einer Zauberin belegt und nur wahre Liebe konnte den Fluch brechen. Natürlich heiraten die zwei und leben glücklich bis an ihr Lebensende.

Im Gegensatz zur Jorinde und Joringel ist dieses Märchen viel verständlicher für mich. Schrecklich geschrieben – Rahel nennt es wunder-wunderschön – sind die Geschichten meistens aber der Sinn in dieser ist schlüssiger. Ich muss zugeben, dass Rahel Recht hat. Bei uns Beiden war es nicht viel anders. Wenn sie nach dem Hörensagen gegangen wäre oder nach Äußerlichkeiten, dann hätt ich nicht ein Gespräch mit ihr führen können. Nur mangelt es bei mir blöderweise an einem Fluch, der mich eines Tages in einen passablen Kerl verwandelt.
Was ich Bestens kenne ist die Verzweiflung, die das Biest gespürt hat als seine Schöne weg war. Wenn ich Rahel's Haus verlasse will ich am Liebsten direkt wieder umdrehen. Natürlich ist das ein Zeichen von Sehnsucht, aber mein Kopf verschleiert es als Verlust von Kontrolle und Fürsorge. Ich befürchte, dass ihr in meiner Abwesenheit etwas passiert, dass ich verhindern könnte.
Vielleicht hat sie wirklich Recht und sie ist mein Anker. Anstatt den einfachen Weg zu nehmen und meiner Zerstörungswut nachzugehen ruf ich sie zu mir und sie muss nichtmal ein Wort sagen, um mich zu beruhigen. Mein Mangel an Selbstbeherrschung ist wohl mein Fluch. Wenn sie ihn aufheben kann bedeutet es eigentlich, dass sie zu mir durch dringt. Nur ist das was hinter der Fassade steckt genauso hässlich wie das, was ich nach außen zeige?

Die Geschichte lässt mich nicht los. Ich hab die halbe Nacht darüber sinniert, während ich neben -meiner- Schönen lag und sie beobachtete. Wie auch zuvor und vermutlich noch weitere Male spielt die Rose eine symbolische Rolle. Sie ist der Auslöser der ganzen Geschichte, zeigt aber sogleich auch Belle's Charakter auf. Am Schluss ist es eine Art Ermahnung, vielleicht auch Erinnerung.

Die Essenz der Geschichte ist, dass Belle mit Ehrlichkeit, Vertrauen und Einfühlungsvermögen bis ins Innere sehen kann. Es ist diese typische Entwicklung, an die keiner mehr glauben will, obwohl es sich jeder wünscht. So akzeptiert und geliebt zu werden wie man eben ist. Aber ich bin nicht besser. Ich denke ich hab die Fähigkeit verloren überhaupt daran zu glauben. Wenn man nicht daran glaubt das Ende eines steinigen Pfades erreichen zu können, dann kann man sich den Weg auch gleich sparen.

Dennoch macht es mich unsicher, lässt mich Dinge hinterfragen, die mir bisher egal waren. Das Einzige worüber ich Gewissheit hab ist, dass es mich zerstören wird, wenn ich sie verliere. Wie ist es möglich, dass ich mein ganzes Leben in Einsamkeit verbracht hab und nie eine feste Beziehung anstreben wollte und jetzt so denke? Gut ich hab auch Somberlie ausgelacht, als sie Priesterin werden wollte und jetzt bin ich selbst Teil der Kirche, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Vermutlich hatte bisher keine Frau den Mut und es braucht erst eine brave, bodenständige Buchbinderin, die bereit ist ein Wagnis einzugehen. Übrigens ist sie werde brav noch unsicher. Man sollte sich nicht nur von dem Äußerlichen beeinflussen lassen.

[Bild: 782um869.png]
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(K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 04.03.2015, 23:48
Jorinde und Joringel - von Aki Durán - 05.03.2015, 13:17
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 06.03.2015, 10:23
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Rahel Goldblatt - 06.03.2015, 19:10
RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 08.03.2015, 01:45
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RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 18.05.2015, 16:57
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RE: (K)eine Liebesgeschichte - von Aki Durán - 08.06.2015, 09:50



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