Des Nachts bei den Kultisten..
#20
Als sich das allgemeine Chaos der Müdigkeit der Menschen innerhalb der Mine beugte und allmählich wieder Ruhe in die Reihen einkehrte, zog sich auch Henrike zurück. Sie wunderte sich noch einen Moment lang, als sie Marquard mit heruntergelassenen Hosen in einer Ecke verschwinden sah, bevor sie sich schweigend einen ruhigen Platz in der Nähe einer betenden oder einfach nur schlafenden Priesterin suchte, dort ihren Folianten hervor nahm und mithilfe des letzten kümmerlichen Restes eines kleinen Kerzenstumpfes nach schon älteren Aufzeichnungen suchte, die sie wohl irgendwann mal angefertigt hatte - aber so recht wusste sie in diesem Moment nun auch nicht, wonach sie suchen sollte.

Das was nun geschehen war, war abzusehen gewesen.
Ihr Plan war gut. Er war simpel aber nicht einfach. Die Zerstörung der Relikte dieses unseeligen Kultes und jeder verdorbenen Seele, die sich diesem Vorhaben in den Weg stellen sollte. Und die Zerstörung dieser Mine, die ohnehin seit hundert Jahren für nichts anderes genutzt wurde, als sich die verdorbene Seele aus dem Leibe zu reißen und mit Dämonen und finsteren Mächten zu buhlen. Natürlich würde es diejenigen geben, die wie stets zeter et mordio brüllen - meist aus bloßem Selbstzweck oder Naivität. Aber es lag ihr nicht an Freundschaften oder der Illusion eines "guten Rufes" - diese Dinge mussten getan werden. Schnell und ohne Zweifel. Dass sie dabei nicht immer ganz sauber verliefen, damit hatte sie sich schon lange abgefunden.

Es irritierte sie nicht die Gegenwehr der Kultisten. Auch nicht das Gezeter der Menschen, die scheinbar aus bloßer Neugierde mitzogen und ihrem Freiheitstrieb durch selten dämliche Aussagen und Pläne ungehemmt folgten. Nicht einmal die Präsenz der abyssalischen Mächte, die so stark waren wie sie dergleichen noch nie zuvor erlebte, verwunderte sie.

Doch während sie einige kurzgehaltene Notizen in ihren Folianten schrieb, wurde ihr immer deutlicher vor Augen, dass die Präsenz der Mondwächter an diesem Ort und die Tatsache, dass einer ihrer Kampfdruiden - oder wie auch immer sie sich schimpften - ohne die leisesten Anzeichen von Gegenwehr vermochte durch den sonst undurchdringlichen, tödlichen Nebel zu schreiten, während der Großteil der löwensteiner Mithraskirche wie törrichte Kinder sich hilflos und ohnmächtig gegenüber jener Präsenz zeigten.
Es gab dafür wenige Erkärungen. War es reiner Zufall? War der Mann bereits im Bunde mit den dunklen Mächten? Gar ein Paktierer der Dämonen?
Und weshalb war sie die einzige Person, die dieser Tempel ausspieh, die derlei Geschehnisse überhaupt mit dem nötigen Scharfsinn verfolgte und Misstrauen wider der Schandmäuler und spöttelnden Bauern hegte?

Ihr erster Gedanke, dass es sich um eine Finte von Fuchsenfelde handelte, die in ihrer Gier nach Macht und einer ertragreichen Mine sich wohl selbst die eigene Seele schänden würde, verflog bald wieder. Die Frau war vielleicht dreist und in ihrem einfachen Glauben verheddert wie eine Raupe im Spinnennetz ... doch nicht derart heimtückisch und selbstzerstörerisch. Wahrscheinlich war es sogar eher noch das Misstrauen innerhalb des Tempels und die kindlichen Machtkämpfe, die dazu führten, dass man einander an Außenstehende verriet, nur weil man selbst nicht einverstanden mit einem Vorhaben wäre oder nicht den Schneid hätte, seine Einwände vorzutragen. Es wunderte sie daher auch nicht, dass Fuchsenfelde über jeden Schritt bescheid wusste.

Sei es, wie es eben nun einmal ist. Der Feldzug war nicht einfach und der Rückschlag war hinzunehmen. Sobald der Rauch verzogen war, würde sie einen erneuten Vorstoß befehlen. Koste es soviel Blut, wie es solle... dieser Ort musste gereinigt werden.

Kurz verschwendete sie noch einen Gedanken daran, die verbliebenen Kämpfer aufzuwecken, um ein Gebet zu sprechen und dann den ermutigten Geistern zu befehlen, diejenigen, die sich nicht der Heeresleitung unterwarfen - hauptsächlich die Störenfriede und Einfallspinsel - zurück zu lassen und ihre Gegenwehr, falls nötig, mit Gewalt nieder zu ringen.
Doch dann übermannte sie die Müdigkeit und die Besinnung, dass das heute Nacht auch zu nichts mehr führen würde und solange sie schlafen, sie die Unternehmung auch nicht stören würden. Außerdem: Wohin sollten sie schon gehen? Sie saßen alle in diesem fragilen Loch auf einem ungenießbaren Haufen.

Irgendwann übermannte sie die Müdigkeit und sie verschloß die Augen, über die längst, ob der erloschenen Kerze, verdunkelten Seiten gebeugt. Wie lange genau sie schlief, konnte sie später nicht sagen, doch war die kurze Ruhe so verstörend, dass sie danach hellwach und gedankenrasend sich den Wachen anschloß.

Wann sie zuletzt träumte - daran konnte sie sich nicht erinnern. Sie träumte nie. Sie hatte keine Visionen, keine fremden Bilder vor Augen, keine nächtlichen Träume, auch keine Alpträume. Nur Narren und Wahnsinnige konnten sich nicht vor derlei Einflüsse schützen. Und doch ... .

Sie versuchte sich an die kürzlich erträumten Bilder zu erinnern, sie mit möglichster Geistesschärfe zu betrachten. Doch nichts weiter als Unruhe und Zweifel hinterließ das geträumte in ihrem nun verstörten Geiste.

Sie sah sich im Bunde mit dem ketzerischen Pack. In schwarzem Stoff verhüllt betete sie zu Mithras um Gnade, sie zu beschützen vor allem Unheil. Sie hatte das Sonnensymbol genau vor Augen - doch kniete sie vor dem dämonischen Altar, tief in den Eingeweiden der Kultstätte, der ihr schon einmal fast das Leben kostete. Sie sah um sich herum die Schar schwarzer Kutten es ihr gleich tun - doch waren es nicht ihr vertraute Gesichter ... es waren die Gesichter der Kultisten, flehentlich Mithras um Hilfe bittend... .


Mithras erschuf das Elysium. Und er erschuf den Abyss. Beides zusammen nur bringt die ewige Ordnung. Licht und Finsternis - Gnade und unbarmherzige Strafung.

"Legt Euch zur Ruhe. Ich werde alleine wachen." ... gesagt, getan verbringt sie bis zum Abend die Zeit in einer der ruhigeren Ecken des Stollens, die zur Bewachung bestimmt worden waren.
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RE: Des Nachts bei den Kultisten.. - von Magdalena - 27.10.2014, 11:27
RE: Des Nachts bei den Kultisten.. - von Cyril Nordstem - 27.10.2014, 13:25
RE: Des Nachts bei den Kultisten.. - von Trisha - 27.10.2014, 15:46
RE: Des Nachts bei den Kultisten.. - von Henrike Rotheych - 27.10.2014, 17:55
RE: Des Nachts bei den Kultisten.. - von Justan - 27.10.2014, 17:56



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