FSK-18 Über Gotmar
#2
Wie kleine Glühwürmchen entzündeten sich nach und nach die Wärme spendenden Lichtquellen in den Häusern der Stadt. Die Nacht war bereits hereingebrochen, und so mancher Bewohner der Stadt versuchte noch auf diese Weise etwas Tag in die Dunkelheit der späten Stunde zu retten. Im Königsviertel hatten die Bediensteten bereits einen halben Stundenlauf vor dem erwarteten Einbruch der Nacht damit begonnen wie Bienen auszuschwärmen, um die nobelste Gegend der Stadt in helles Licht erstrahlen zu lassen, damit selbst zu dieser Zeit die Frage zweifellos absurd wäre, welches Viertel denn das prächtigste der Stadt sei. Dieses Bestreben wurde jedoch vom Viertel selbst ungewollt gebremst, waren doch nicht alle Häuser dieser schönen Gegend bewohnt. Es zeigte sich einem aufmerksamen Spaziergänger somit in den Nächten ein unstetes Bild gemeinschaftlicher nobler Lichtspenden, die jedoch insofern eine gewisse Stetigkeit aufwiesen, vermochte man anhand der Kenntnisse über die Reise- oder Verweilgewohnheiten der Bewohner eine recht genaue Aussage über das zu erwartende Lichtbild treffen.
 
In dieser Nacht blieben die Kandelaber im Haus von Gotmar Ering Seysbald unbenutzt, lediglich das matte Licht des Mondes gab vage Konturen der Einrichtungsgegenstände preis. Inmitten dieser Dunkelheit saß der Ritter völlig unbewegt und regungslos, lediglich ein regelmäßiges Anheben und Absenken seines Brustkorbes widerlegte die Annahme eines flüchtigen Beobachters, es würde sich hierbei um eine in Stein gesetzte Statue handeln. Minuten um Minuten vergingen, bis es schließlich zu einer vollen Stunde wurde. Dann folgte die Nächste. Auch jetzt waren kaum Regungen des Mannes zu erkennen, offensichtlich hatte er noch immer nicht den Wunsch verspürt sich dem kollektiven Drang nach häuslicher Wärme durch das Entfachen von Lichtquellen anzuschließen.
 
"Marie. Jetzt auch Marie! Wie schon zuvor die anderen...". Die Atmung des Ritters wurde schwer, als verschiedene Namen, manche schon aus längst vergangenen Zeiten, wie ein unaufhaltsamer Wasserschwall durch seine Gedanken schossen. "Sie wird sterben, wie all die anderen, die den Fehler gemacht haben sich auf mich einzulassen..." Zu den Namen tauchten nun in seinen Gedanken die dazugehörigen Bilder der Personen auf, die jedoch sogleich wieder verblichen, wenn er versuchte sie zu fassen. Begegnungen aus der Vergangenheit wurden für den Bruchteil eines Augenblicks wieder lebendig, nur um im nächsten Moment zu verschwinden. Er sah Flynn, wie sie gemeinsam das Haus in der Altstadt bezogen. Farilda, die auf der Terrasse mehrfach mit ihm den Platz tauschte. Für einen Moment folgte er Elynia, die zornig durch die Stadt stapfte und sich über irgendetwas beschwerte. Dann stand er mit Fenia in der königlichen Burg, kurz bevor sie nach Indharim aufbrach. Susa in der Zone 3. Schließlich Felia, seine Mutter, als ... gerade als er sich diesem Gedanken zuwenden wollte, tauchte E. auf.
 
"Aber ... aber ... das ist unmöglich!" Ruckartig schoss Leben durch den bis dahin unbeweglichen Ritter, der dadurch vom Stuhl abrutschte und nach hinten taumelte. "Ich konnte mich nicht mehr erinnern. Wieso ... du ... ich kann dich wieder sehen. Ich sehe kein Blut mehr ... ich sehe ... dich?" Als auch sie einen Wimpernschlag später wieder verschwand, senkten sich die kastanienbraunen Augen des Ritters augenblicklich auf die offenen Handflächen hinab, in der Hoffnung er würde dort eine Auflösung des gerade entstandenen Erinnerungswirbels vorfinden. In seinem Blick mischte sich der bestehende Unglauben mit Erkenntnis – einer Erkenntnis, die diesen in beinahe vollkommene Klarheit verwandelte. Seine Hand senkte sich auf seinen Brustpanzer, als wollte er noch den letzten kleinen Funkel Zweifel beseitigen wollen. Schwerer Atmen begleitete die Berührung seiner Handfläche mit dem kalten Metall, der dann von einem Augenblick der Atemlosigkeit abgelöst wurde, als sich ihm nach Anheben der Hand der Anblick eines neuen völlig unbefleckten Rüstungsteils bot.
 
"Schutz für Treue", während seine Lippen diese Worte sprachen, begannen die Hände eilig alle notwendigen Dinge zu sammeln. "Koste es, was es wolle." Er würde den Preis zahlen, der notwendig wäre. Jeden Preis.
"If bin Leftat, der freklife Letharf! Fürchtet mif, ihr Fterblifen!" (MPS)

"Die Bekehrung Viktors ist wie nach dem kleinsten Stofftier zu angeln mit so einer Angelgreifzangenmaschine." (PO Gwendolyn)
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Über Gotmar - von Gotmar Ering Seysbald - 21.07.2013, 05:50
RE: Über Gotmar - von Gotmar Ering Seysbald - 18.05.2017, 09:07



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