FSK-18 Träume
#30
Sie war nicht nach rechts abgebogen, wie sie es hätte tun sollen. Vorbei an Carmelinas Haus, an dem altem Turm und ab nach Hause. Hinab in ihre Höhle. Das Zimmer ohne Fenster, ohne Licht und ohne Wärme. Nein... Sie ging nach links.
Nach dem erstaunlich angenehmen Abend mit dem Baron zog es sie woanders hin. Als würde ein längst vergessener Freund ihre Hand ergreifen und mit sich ziehen. Im Gedanken versunken lief sie in den alten Hafen und ihr Herz verkrampfte sich. Jede Ecke dieses Viertels weckte Erinnerungen. Hier waren so viele erste Male geschehen, soviele vertraute Gesichter die über die letzten Jahre einfach verschwunden waren. Dieser Ort, den sie früher ihre Heimat nannte, war ihr nun fremder denn je und auch das schmerzte.

Sie betrat den baumelnden Wachmann. Die Eingangstüre quietschte immer noch leicht, wenn sie wieder hinter ihr zu fiel. Die Gefühle übermannten sie. Sie hätte gerade gut Nikolajs dreckiges Gesicht gebraucht. Wie er mit seinem albernen Hut hintern Tresen steht und sie räudig angrinst. Er war ein verfluchter Gauner gewesen, doch hatte er eine Weisheit inne gehabt die ihr nun schmerzlich fehlte. Sie vermisste das "Grüß dich Püppchen!" das immer so anrüchig geklungen hatte aber, wie sie wusste, ein liebevolles Necken gewesen war. Seine riesigen Arme, wenn er sie in Momenten, die so wenige jemals von ihm sahen, die sie einfach umarmten und fest hielten. Er war fort... Ihre Finger strichen über das alte, raue Holz des Tresens. Sie setzte sich auf den letzten Hocker an der Wand und sah in den Raum hinein. Jemand hatte neue Möbel reingestellt und es machte sie wahnsinnig. Das Bild stimmte nicht mehr und in ihr machte sich der Drang breit einfach das ganze Gebäude den Flammen zu übergeben. Besser so als wenn es so falsch und anders dasteht wie jetzt.
Konstantin saß immer dort... Der Blick ihrer Haselnuss braunen Augen ging zum letzten Hocker am Tresen. Sie sah ihn förmlich dort sitzen. Die Schultern gebeugt von der Last die er stehts mit sich herum trug, welche sie stets versuchte für ihn zu vertreiben. In ihrer Erinnerung hob er den Kopf an. Eine wilde, blonde Haarsträhne fiel ihm in die Stirn. Er grinste sie spitzbübisch an und ihr wurde warm uns Herz. Dann war er verschwunden. Sie dachte an die Worte des Edlen, wie er über seine tote Gefährtin sprach. Sie kannte die Worte... hätte sie ihm gar vorweg nehmen können und sie hätten überein gestimmt. Selbst nach zwei Jahren fehlte ihr Konstantin als hätte ihr jemand den rechten Arm abgehackt. Würde er wieder zurück kommen, wäre sie nicht mehr hier. Sie würde das alles hier noch weiter zurück lassen, als sowieso schon. Könne er sie dann noch finden? Wollte sie gefunden werden?
Die schlanke Gestalt rutschte von Hocker und bewegte sich durch den Schankraum, vorbei an dem kalten Kamin, in dem früher immer ein Feuer brannte... oder zumindest die letzte Glut glimmte. Für einen Moment viel ihr Blick auf den hintersten Tisch und sie lächelte matt auf. Noch mehr Erinnerungen.
Sie ging Stufe für Stufe die Treppe hinauf und das morsche Holz knarzte in vertrautem Klang.
Es war fast als würde sie durch eine Wand laufen. Die Luft hier oben war irgendwie dichter. Einerseits der Hitze wegen aber auch dank der ganzen verblassten Geschehnisse. Ihre Finger tanzen entlang der Wände und sie schlenderte durch den engen Gang als wäre er ein blühender Palastgarten. Hier hatte sie geküsst, gevögelt, gestritten, hatte auf Männer geschossen und wurde beinahe umgebracht. All das in diesem einen dreckigen, kaputten Flur. Gezeichnet von etlichen Blutspuren und Flecken andere Flüssigkeiten.

Sie verbrachte die Nacht in dem Zimmer das einst Nikolajs gewesen war. Sie hatte ihr altes Leben gehasst, solange sie es leben musste. Nun vermisste sie es und wünschte es sich manches mal zurück.
Darum vielleicht dieses Angebot? Solcherlei war ein Teil ihres Lebens gewesen. Sie hatte viele Männer mit ihrer Anwesenheit, ihren Berührungen und ihrem nackten Körper getröstet. Wenn es auch nicht lang anhielt. Für ein paar Stunden durften sie alles vergessen und hinter sich lassen.
Sie wollte auch einmal einfach vergessen und hinter sich lassen. Ohne Verpflichtung, ohne Reue und ohne störende Gefühle. Doch kam es ihr so vor, als wolle jeder Mann sie in einen Käfig sperren. Keiner war mehr bereit ein einfach Tänzchen zu wagen ohne gleich den Bund für's Leben schliessen zu wollen. Für sie gab es nur diesen einen Mann mit dem sie es getan hätte und der war fort. Dann war da der nächste, der sie vergessen ließ doch auch er war fort. Und Askir... selbst Askir war nun fort.
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Träume - von Elda Abendroth - 14.06.2013, 12:22
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