FSK-18 Grübeleien
#20
Ich habe gelernt, dass Menschen vergessen, was man gesagt hat,
dass Menschen vergessen, was man getan hat,
aber dass Menschen niemals vergessen, welche Gefühle man in ihnen hervorgerufen hat.



Der Tag war gut gewesen. Aber sie war froh dass sie sich ihre Selbst inzwischen so sicher war. Sonst hätten Maries Worte sie vielleicht verunsichert. Aber sie vertraute ihm und vor allem vertraute sie sich selbst. Nein, sie konnte nicht mit absoluter Sicherheit schwören, dass er sie nicht verletzen würde. Denn Menschen taten so etwas. Manchmal absichtlich, manchmal unbewusst, manchmal körperlich und manchmal seelisch. Aber sie vertraute darauf und sie vertraute darauf, dass im allerschlimmsten Fall, sie diejenige war die lachen würde. 

Anouks Schülerin zu sein, gab ihr in so vieler Hinsicht Selbstvertrauen. Zum einen dass sie wieder zurück gekehrt war zum Rabenkreis. Ja sie war noch ein Rabenküken, ein ganz kleines. Aber sie sah mit wie viel mehr Vertrauen und Respekt ihr Menschen auf einmal gegenüber traten. Es war als würden sie erwarten, dass nun wo sie das Schwarz trug, sie Antworten auf all ihre Fragen haben würde. Antworten die sie nicht hatte. Aber sie tat was sie immer getan hatte. Sie  antwortete so gut sie es vermochte und scheute sich auch nicht klar zu sagen wenn etwas erst einmal nur ihre persönliche Ansicht war oder auch wenn sie etwas gänzlich nicht zu sagen vermochte.
Nein. Sie würde nicht eine jener Personen werden, die alle ihre Worte als die wirkliche und letztendliche Wahrheit  verkaufen. Sie war kein Gott und sie würde nie wirklich wissen was in deren Kopf vor sich ging. Und selbst ihre Götter waren nicht immer in allen Situationen ein Vorbild. Auch sie waren zornig und traurig und leichtlebig. Und so durften auch ihre Anhänger sein. Aber nicht jede Eigenschaft war in jeder Situation der richtige Ratgeber.

Handeln und dessen Folgen. Das war ihre erste Lektion gewesen. Und sie würde dies in Zukunft als Maßstab nehmen. Es war eine Lebensaufgabe zu ermessen welches Handeln wann angemessen wäre. Und sie würde, wie alle anderen, immer wieder falsch liegen. Aber sie würde ihr Bestes geben.
Und sie würde jeden Tag mehr lernen. Das war auch der Grund warum sie im Moment unablässig das Schwarz trug. Sogar ihr Nachthemd war rabenschwarz. Ihr war klar, dass sie damit den Rabenkreis repräsentierte. Aber genau diese Verantwortung erinnerte sie daran sich zu bemühen, ein Vorbild zu sein und stetig über ihr Handeln nachzudenken. Nur so würde sie besser werden.
Sie wollte sich jetzt noch keine Ruhe gönnen. Die Tage in denen sie erschöpft sein würde und sich nichts sehnlicher wünschte, diese Verantwortung nicht zu tragen, würden früh genug kommen.

Zum Anderen, Anouk als Person. Sie war in so vielen Dingen ihr perfektes Gegenteil. Anouk liebte die Ruhe und die Natur. Sie hingegen mochte die Hektik der Städte und das Geschnatter und Gewusel der Menschen. Anouk sah Dinge und sie sah sie so klar, aber nicht immerzu. Sie hingegen war fast nie klar im Blick, aber dafür immerzu erfüllt von diesem tiefen Gefühl. Anouk war rational, sie war emotional. Sie hatte den Eindruck, dass Anouk froh war sich nicht mit den alltäglichen Banalitäten des Glaubens herumärgern zu müssen, sie hingegen war froh wenn sie sich nicht so sehr mit bedeutend scheinenden Dingen befassen musste, sondern die Verantwortung für den alltäglicheren Glauben tragen durfte. Sie hasste es ihren Glauben, ihren Dank und ihre Bitten in Worte fassen zu müssen.
Aber sie waren Beide, auf ganz unterschiedliche Weisen, alte Seelen und junge Geister. Sie waren, so unterschiedlich ihre Vorlieben waren, sich in den entscheidenden Dingen, so wie der Unerschütterlichkeit ihres Glaubens und der Offenheit gegenüber Dingen, doch auch wieder ähnlich. Sie waren zwei Seiten einer Medallie, das war zumindest das, was sie in manchen Momenten sah.

All das gab ihr Selbstvertrauen. Sie spürte wie sie täglich wuchs, wie sie mehr die wurde die sie sein sollte, sein konnte.
Sie war glücklich.



Und auch er machte sie glücklich. "Es hat dich also nicht verschreckt wie er wird wenn es nicht mehr nach seinem Kopf geht?" "Er hat doch lange eine Rolle gespielt wie er von mir enttäuscht wurde" "Es ist dem Herrn herzlich egal was andere denken oder wollen." Maries Worte hallten noch in ihrem Kopf nach. 

Sie wollte sich nicht anmaßen über ihre vergangene Beziehung zu urteilen. Sie hatte ihr gesagt dass normal immer zwei dazu gehören wenn eine Beziehung scheitert. Es war auch nicht an ihr zu richten wer wie viel Schuld trug. Denn am Ende war es nun mal so, dass es nicht geklappt hatte, es vorbei war und beide weiter gezogen waren. Vermutlich war es so tatsächlich das richtige. Sie hatte die beiden nie in ihren Guten Tagen zusammen gesehen, aber zumindest in letzter Zeit, sahen beide nun glücklicher aus. Sie hörte oft dass sie ihm gut tat und sie hoffte dass es so bleiben würde. Unzweifelhaft hatte er seine dunklen Seiten und Geheimnisse. Kurz überlegte sie ob Marie diese kannte, dann verbannte sie den Gedanken. Erstens war es egal, zweitens war sie sich sicher. So bald wie er ihr reinen Wein eingeschenkt hatte, wäre es absurd dass die beiden so lange verlobt waren und sie nichts davon hätte wissen sollen.

Das Gespräch mit Marie und Gautier sonst war schön gewesen. Heiter und entspannt, also diese eine Klippe schließlich umschifft war. Sie hatten viel zusammen gelacht und sie hatte in den vielen kleinen Gesten und Worten und Blicken, so viel über die Beiden gelernt. Sie machten sich gegenseitig glücklich. Sie wusste nicht wo es mit ihnen enden würde und es war gerade auch nicht wichtig. Sie sollten einfach die Tatsache genießen, glücklich zu sein und sich wohl und behütet und angenommen zu fühlen. 


Morgen ist für Morgen Zeit


hatte ihr Bruder oft gesagt, und so hielt sie es gerade und es erwies sich als guter Rat. 

Sie hatte sich entschieden die unangenehmen Dinge, so wie deren Abneigung gegenüber Menschen die sie als Freunde oder Anvertraute betrachtete, zu ignorieren, so lange sie nicht ausarteten. Die ganze Sache war noch zu zerbrechlich und generell waren solch heitere Momente selten genug. So oft standen Probleme und Aufgaben im Weg, und dabei liebte sie es einfach mit Menschen zu reden. Den Hindernislauf zwischen aufeinanderkrachenden Emotionen und Personen, würde sie aufnehmen, wenn es unvermeidlich wurde.



Das Treffen hatte sie auch noch etwas wichtiges über sie selbst gelehrt. Sie wollte den Weg des Barden gehen, das wusste sie. Und sie hatte sich entschieden wie sie damit umgehen würde. Mit Lachen. Es war gut wenn die Menschen sie in ihrer neuen Aufgabe respektierten, aber es war auch wichtig, dass sie sie mochten, nicht nur Respekt hatten. Sie wollte die Berührungsangst so klein wie möglich halten. Und dazu gehörte für sie, die Dinge und auch sich und andere nicht all zu ernst zu nehmen, wenn es nicht notwendig war.  Auch das war wie so vieles eine Gratwanderung, aber es konnte nicht Schaden, vieles mit mehr von Easars Schalk im Nacken anzugehen, als viele Andere in verantwortungsvollen Positionen es meist taten.
Und da sah sie ihren Platz.



Wieder kam ihr die Lektion ihrer Meisterin in den Kopf, die sie ihr letztes Mal mitgegeben hatte als Aufgabe. Schon ehe sie ihr diese Frage gestellt hatte, hatte sie selbst sich das schon hunderte Male gefragt. Und sie hatte immer noch keine endgültige Antwort darauf Es gab so viele Wenns und Abers in diesem Szenario. Aber sie hatte so eine Ahnung, dass sehr viel was ihre Ausbildung und die Beziehung zu Anouk anging, von dieser Antwort abhing. Letzten Endes... ging es dabei um Pflicht, Verantwortung, Vertrauen und Loyalität.




Sie sah zum Fenster hinaus aufs Wasser. Bei einer Sache hatte sie nur die halbe Wahrheit gesagt. Nein sie war nicht ins Anwesen gezogen. Sie hatte das auch nicht vor. Sie war immer eine unabhängige Frau und gedachte das zu bleiben. Außerdem: Sie liebte Rabenstein und vor allem ihren Hafen. Sie kam gut mit den Piraten zurecht und sie fühlte sich auf seltsame Weise beschützt wenn diese rauen Gesellen vor ihrer Tür herumlungerten. Sie hatte sich von Anfang an mit ihnen gut gestellt und sie mit Kleinigkeiten bestochen und abgesehen davon, konnte sie selbst auch recht raue Gesellschaft sein. Sie nahmen sie fast als eine der Ihren an und sie wusste dass nichts um ihr Haus herum passierte das ihnen entging. Da nahm sie die Tatsache dass sie öfter mal durch ihr Fenster hereinlugten, mit einem leichten Kopfschütteln gerne hin dafür.
Aber sehr oft, führte ihr Weg sie abends nichts nach Hause, sondern sie blieb in Thalweide. Manchmal, so wie Heute, stand sie auch einfach nur am Fenster und sah hinaus, auch wenn er nicht da war. Die Wachen an der Brücke hatten sich längst an sie gewöhnt und mit ihrer herzlichen Art und den kleinen Mitbringseln hatte sie sich schnell beliebt gemacht.
Letzten Endes war sie aufgebrochen nach Hause und als er spät des Nachts zu ihr zurück kehrte, fragte sie nicht wo er gewesen war. Sie hätte ihn fragen können, aber es war einfach nicht wichtig genug. Sie war einfach glücklich wenn sie seine Schritte auf der Treppe hörte und das leise Rascheln seiner Kleidung wenn er sich auszog und er sich dann neben ihr ins Bett kuschelt und sie eng an sich zog.

...und natürlich das unvermeidliche schlecht unterdrückte Fluchen, wenn das Hermelinjunge beschloss dass sein Haar ein gutes Nest wäre, nun wo sie von ihrem Schlafplatz, zusammengekullert unter der Decke, an Anas Rücken, verjagt wurde.
[Bild: Anabella-Signatur.png]
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Grübeleien - von Anabella - 07.06.2013, 18:52
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Feuer - von Anabella - 02.07.2013, 15:05
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