Der Pfad einer Druidin
#4
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Totenwache

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Die Druidin wusste nicht, wer diesen mannshohen Unterschlupf in den Erdhügel getrieben hatte, doch schienen die ehemaligen Bewohner schon vor langer Zeit weitergezogen zu sein. Unter der Erde war von der Wärme des noch jungen Tages nur wenig zu spüren. Nur vereinzelte Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch die dichten Wipfel der Bäume, um die Höhle zumindest mit einem diffusen Zwielicht zu erfüllen.

Es war bereits ein Wochenlauf vergangen, seit der Tote in der Höhle aufgebahrt worden war und der noch passable Zustand des Leibes war
wohl einzig dem kühlen Klima in der Höhle zu verdanken. Ein wenig länger sollte der tote Leib noch erhalten bleiben, ehe er letztlich der feuchten Erde übergeben werden würde.

Neben ihr hatte sie alle notwendigen Werkezeuge und Utensillien auf dem kalten Boden der Höhle ausgebreitet. Den Jutestoff hatte sie in Bahnen geschnitten und sorgfältig jeden Streifen aufeinander gestapelt. Der stechende Duft der ätherischen Tinktur, gefertigt aus verschiedenen Kräutern und dem Bormo geweihten Wasser, drang trotz des Korkens ungehindert an die Luft und sorgte für dafür, dass sie lieber nicht mehr so tief einatmete. Öfter als notwendig prüfte sie, ob alles für die Prozedur vorhanden war, um den Beginn der eigentlichen Behandlung des Toten weiter herauszuzögern.

Nach der vierten Prüfung ihrer Utensillien fand sich kein Grund für weitere Aufschübe, und sie entzündete in einer kleinen Erdkuhle ihre Salbeiräucherung. Ihre eigenen Hände hatte sie mit Tüchern eingeschlagen und leise richtete sie die während der ganze Prozedur leise Worte an Bormo. Den Segen dieses Gottes erbat sie jedoch mehr für sich selbst als für den Toten, und neben ihren Worten des Dankes formulierte sie auch immer wieder den Wunsch, Bormo möge sie vor Krankheit und Leid bewahren. Immer fort wiederholte sie den Zyklus aus Dank und Bitte, während sie sich dem toten Leib widmete.

Die Kleidung des Toten war dann auch schnell entfernt, da sie diese dem Toten vom Leib schnitt. So achtlos sie mit der Kleidung umging, umso aufmerksamer achtete sie darauf, ob sich in Taschen verborgen noch persönliche Gegenstände des Toten befanden, welche sie ihm mit in sein Grab geben konnte.

...

Kleine Schweißperlen lösten sich von ihrer Stirn und rannen die Wangen herab, um sich am Unterkiefer dann in Form von kleinen Tropfen zu lösen und zu Boden zu fallen.

Es war geschafft.

Der Tote lag eingewickelt in die Bahnen aus Jutestoff vor ihr. Zwischen den Stoffbahnen lugten einige einzelne Kräuterzweige hervor, auf der Brust des Toten ruhte ein geflochtener Kranz aus Steinrautezweigen und der stechende Duft der Tinktur hatte den angenehmen würzigen Salbeiduft in der Höhle inzwischen vollständig verdrängt.

...

Der kleine See wurde von einem Wasserfall gespeist, der das kalte Wasser aus den Bergen hinab in das Tal trug. Nachdem sie ihren Körper gereinigt und dafür deutlich länger gebraucht hatte als sonst üblich, legte sie sich in die warme Mittagssonne um ihre Gedanken zum bevorstehenden Ritual zu lenken.
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Der Pfad einer Druidin - von Ophelia Rabenfeder - 05.06.2013, 22:32
RE: Der Pfad einer Druidin. - von Ophelia Rabenfeder - 09.07.2013, 14:53



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