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Normale Version: Der Pfad einer Druidin
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Der Pfad einer Druidin

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Die Druidin stand am Opferstein, so reglos, als wäre sie selbst aus Stein gemeißelt, und sah zu, wie sich der Wasserfall in den See ergoß. Der Abend dämmerte. Saatkrähen flatterten im letzten Tageslicht zu ihren Schlafplätzen und stießen dabei Rufe in ihrer harschen geheimen Sprache aus.
An diesem Ort schien sie der Welt der Sterblichen entrückt zu sein, als müsse sie nur ihre Hand ausstrecken und einen dünnen Vorhang zur Seite schieben um Arkadien, das Reich der Mondwächter zu erblicken.

Im Gegensatz zu ihrem reglosen Körper wollten ihre Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Wie viel Zeit war verstrichen, seit sie ihre Ausbildung zur Druidin abgeschlossen hatte? Noch ließ sich die Zeit problemlos in Monaten bemessen, doch schien es gefühlt bereits eine Ewigkeit her zu sein. Das Ende ihrer Ausbildung bedeutete nur, dass sie den weiteren Teil ihres Pfades nun alleine beschritt, ohne die führende Hand ihrer Meisterin. Ohne die weisen Ratschläge. Ohne die beruhigende Gewissheit, dass sie sich letztlich immer an jemanden wenden konnte, der auf jede ihrer Frage stets eine Antwort zu finden schien.

Die Grenzsteine Ravinsthals hatte sie damals mit zwiespältigen Gefühlen hinter sich gelassen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Grenzschließungen nur ein Gerücht, das hinter vorgehaltender Hand im Volk erzählt wurde und bisher wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Das Bestreben ihre selbstauferlegte Aufgabe zu erfüllen trug sie immer weiter fort von ihrer Heimat, doch die düsteren Ahnungen, heraufbeschworen durch ihre nächtlichen Träume, lagen wie Blei auf ihren schmalen Schultern.

Der Rabenkreis war weit von seiner einstigen Stärke entfernt. Doch letztlich konnte niemand überblicken, wieviele Druiden und Schüler wirklich in Servano weilten. Nicht alle agierten in der Öffentlichkeit erkennbar als Angehörige des Druidenzirkels, war es doch für einige Aufgaben schlicht deutlich erleichternder die Identität als Druide nicht zu offenbaren. Vor allem für diejenigen, die in Löwenstein Ämter bekleideten und darauf angewiesen waren, in möglichst vielen Kreisen willkommen zu sein.


Inzwischen erhellten nur noch der warme Schein der Fackel und das kühle fahle Licht des Mondes die heilige Stätte am Rande des Wasserfalls.

Unweigerlich hatte die Hexerkeuche viele Kräfte des Rabenkreises gebunden ... und auch genommen, in Form von talentierten Männern und Frauen, die der Keuche zum Opfer gefallen waren.
Doch gerade trotz dieser Bedrohung schien es mehr denn je notwendig, die Ausbildung derjenigen voranzutreiben, die sich für den Pfad eines Druiden entschieden hatten und auch die Eignung und Beständigkeit mitbrachten, um diesen Pfad bis zum Ende zu beschreiten.

Wie lange war es her, dass sie selbst noch Schülerin gewesen war? Dieser Gedanke kam ihr gelegentlich in den Sinn, als wollte sich ihre inzwischen angenommene Rolle als Lehrmeisterin nicht so recht mit ihrem Selbstbild vertragen. Doch es vollzog sich bereits ein Wandel, immer mehr fand sie Gefallen an dieser Rolle und den damit verbundenen Aufgaben.


Eng schlang die Druidin ihren Wollumhang um ihre Schultern, packte ihre Knochen ein, die immer noch im Muster ihres letzten Wurfes auf der festgetretenen Erde lagen, und machte sich daran, ihr Nachtlager aufzusuchen.

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Die heilige Quelle

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Begleitet von leisem Gluckern und Plätschern drang das klare Wasser zwischen den Steinen hervor. Einzelne Lichtstrahlen durchdrangen die dichte Baumdecke und spiegelten sich funkelnd im kühlen Nass wieder.

Am Rand der Quelle kauerte die Druidin und beugte sich weit vor, um das Wasser abzuschöpfen und in kleine Phiolen zu füllen. Ihre Methode hierbei mutete wohl eher ungeschickt gewählt an: Mit bloßen Händen schöpfte sie das Wasser ab und ließ es dann zwischen ihren Fingern hindurch rinnen, wobei der Großteil des Wassers sich jedoch eher neben dem schlanken Hals der Phiole auf den Boden ergoss.
Vollkommen versunken war die Druidin in diese simple Tätigkeit. Einer Meditation gleich setzte sie ihr Treiben eine ganze Zeit vor, bis schlussendlich doch genug Quellwasser seinen Weg in die kleinen Phiolen gefunden hatte.

Der Bauer hatte ihr von den Vorkommnissen auf seinen Feldern berichtet und sein Gesuch um ihre Hilfe hatte sie natürlich nicht abweisen wollen. Die Vorbereitung zur Reinigung und Segnung der Felder hatte sie getroffen, und mit zielstrebigen Schritten durchstreifte sie die Flüsterwälder auf ihrem Weg zu den Feldern des Bauern.

Den Beobachtern zum Trotz vollzog sie die Segnung des Feldes. Während sie ihre Worte an Bormo, Mabon und Amatheon richtete, benetze sie das Feld zu ihren Füßen mit dem Wasser der heiligen Quelle. Die Opfergabe an die Götter vollzog sie gemeinsam mit dem Bauern, und gemeinsam dankten sie den Göttern auf diese Weise für die bisherige gute Ernte. Auch ersuchten sie darum die Fäulnis und Seuche fern des Ackerlandes zu halten, sowie zukünftig den Fleiß des Bauern mit einer üppigen Ernte zu segnen.

"Die Hälfte des Inhaltes der Phiole verteilt Ihr auf die Menge Wasser, die Ihr an einem Tag benötigt um Eure Felder zu bewässern.", erklärte sie dem Bauern mit ruhiger Stimme, während sie ihm die mit Quellwasser gefüllten Phiolen reichte. "Richtet Eure Gebete die kommenden Tage gezielt an Bormo, so lange, bis Ihr den Inhalt der Phiolen aufgebraucht habt."

Auch Tage später schlich sich ein sanftes Lächeln in ihre Züge, wenn sie an die Gespräche mit diesem Bauern zurückdachte. Das Ausmaß der Dankbarkeit und Großzügigkeit dieses Mannes hatten sie ehrlich berührt. Die Traditionen, die man in seiner Familie pflegte, zeichneten das Bild eines Mannes, dem Geben mehr lag als Nehmen.

Das Wohl des Bauern bezog sie in ihre täglichen Worte an die Götter ein. Ein Teil ihrer Opferungen an die Götter erbrachte sie in seinem Namen. Wie sie es ihm versprochen hatte.
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Der Segen der Morrigú

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Die Gabe befähigt einen Menschen, die göttliche Kraft zu nutzen und die ihn umgebende Welt zu beeinflussen. Diese Gabe zeigt sich auf unterschiedliche Arten in einem Menschen. Auch der Zeitpunkt dieses "Ausbruchs" der Gabe schwankt. Berichtet wird gleichermaßen von Menschen, die diese Gabe erst im hohen Alter entdeckten und nutzen lernten, wie auch Kleinkindern, bei denen sich die Gabe bereits sehr früh zeigte.
Doch gerade für Denjenigen, der noch nicht diese Gabe zu nutzen lernte, sind die Zeichen nicht eindeutig - war es nun ein Zufall, dass das aggressive Wildschwein einen scheinbar achtlos passieren ließ? Heilte eine Wunde tatsächlich ungewöhnlich schnell oder hatte man rückblickend nur ein verzerrtes Zeitgefühl?
Unabhängig von den Umständen, ob nun Gewissheit über den Besitz der Gabe herrscht oder noch deutliche Zweifel bestehen, steht es seit jeher jedem offen sich an einen Druiden zu wenden.


Die Prüfung des jungen Mannes sollte offenbaren, ob die Vermutung berechtigt war, dass er im Besitz der Gabe und damit befähigt war, die göttliche Kraft nach seinem Willen zu nutzen.
Ehe die eigentliche Prüfung vollzogen werden konnte, begab sich die Druidin gemeinsam mit dem jungen Mann in ein kleines schattiges Waldstück. Das Ziel war eine der heiligen Stätten der Mondwächter; eine Statue, die neben zwei weiteren Gottheiten der Göttin Morrigú geweiht war.

Ihre Worte hatte die Druidin bewusst bedrohlich gewählt um ihm deutlich zu machen, dass er diese Göttin nicht einfach nur bitten konnte ihm einen gewaltsamen Tod zu ersparen und sein Vorhaben zu segnen. Es war außerdem notwendig, einen Blutzoll zu erbringen. Im stillen Gebet vollzog der junge Mann das Ritual, während die Druidin schweigend am Rand der kleinen Lichtung stand und über das Geschehen wachte.
Der Duft von frischem Blut haftete dem jungen Mann an. Die menschlichen Nasen waren dafür weniger empfänglich, doch war sich die Druidin mehr als sicher, dass den angriffslustigen Vogelweibern dieser Duft nicht entgehen würde.

Gemeinsam erklommen die Druidin und der junge Mann den Gebirgspass, auf dem der Hort der Harpyen lag. Dort angekommen erläuterte sie dem jungen Mann mit ruhigen Worten die bevorstehende Prüfung. Die Reaktion des jungen Mannes war wohl nicht weiter verwunderlich - ungläubige Blicke richteten sich auf die Druidin.

Es war zumindest in weiten Teilen ein überschaubares Risiko. Der junge Mann war gerüstet, doch noch leicht genug, um eine Flucht antreten zu können. Seine Waffe trug er nicht nur zur Zierde, so hätten einige wenige gezielte Hiebe die Vogelweiber gewiss auf Abstand gebracht. Zur Not hätte sie selbst eingegriffen, doch war das nicht der Sinn der Prüfung.

Wahrscheinlich hatten die Harpyen die beiden Menschen längst bemerkt, denn der Duft des Blutes hatte sich noch nicht verflüchtigt und wurde von vereinzelten Windböen über das gesamte Plateau getragen. Noch wenige Worte folgten, ehe der junge Mann sich einem der Nester der Harpyen näherte und seine Prüfung begann.

...

Er kehrte zurück. Alle Gliedmaßen waren noch am Rumpf befestigt, die Augäpfel saßen unversehrt in den Augenhöhlen und außer den Nachwirkungen des Adrenalinstoßes war dem jungen Mann nichts geschehen. Die Prüfung war bestanden. Es gab nun keinen Zweifel mehr: Er war im Besitz der Gabe.
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Totenwache

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Die Druidin wusste nicht, wer diesen mannshohen Unterschlupf in den Erdhügel getrieben hatte, doch schienen die ehemaligen Bewohner schon vor langer Zeit weitergezogen zu sein. Unter der Erde war von der Wärme des noch jungen Tages nur wenig zu spüren. Nur vereinzelte Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch die dichten Wipfel der Bäume, um die Höhle zumindest mit einem diffusen Zwielicht zu erfüllen.

Es war bereits ein Wochenlauf vergangen, seit der Tote in der Höhle aufgebahrt worden war und der noch passable Zustand des Leibes war
wohl einzig dem kühlen Klima in der Höhle zu verdanken. Ein wenig länger sollte der tote Leib noch erhalten bleiben, ehe er letztlich der feuchten Erde übergeben werden würde.

Neben ihr hatte sie alle notwendigen Werkezeuge und Utensillien auf dem kalten Boden der Höhle ausgebreitet. Den Jutestoff hatte sie in Bahnen geschnitten und sorgfältig jeden Streifen aufeinander gestapelt. Der stechende Duft der ätherischen Tinktur, gefertigt aus verschiedenen Kräutern und dem Bormo geweihten Wasser, drang trotz des Korkens ungehindert an die Luft und sorgte für dafür, dass sie lieber nicht mehr so tief einatmete. Öfter als notwendig prüfte sie, ob alles für die Prozedur vorhanden war, um den Beginn der eigentlichen Behandlung des Toten weiter herauszuzögern.

Nach der vierten Prüfung ihrer Utensillien fand sich kein Grund für weitere Aufschübe, und sie entzündete in einer kleinen Erdkuhle ihre Salbeiräucherung. Ihre eigenen Hände hatte sie mit Tüchern eingeschlagen und leise richtete sie die während der ganze Prozedur leise Worte an Bormo. Den Segen dieses Gottes erbat sie jedoch mehr für sich selbst als für den Toten, und neben ihren Worten des Dankes formulierte sie auch immer wieder den Wunsch, Bormo möge sie vor Krankheit und Leid bewahren. Immer fort wiederholte sie den Zyklus aus Dank und Bitte, während sie sich dem toten Leib widmete.

Die Kleidung des Toten war dann auch schnell entfernt, da sie diese dem Toten vom Leib schnitt. So achtlos sie mit der Kleidung umging, umso aufmerksamer achtete sie darauf, ob sich in Taschen verborgen noch persönliche Gegenstände des Toten befanden, welche sie ihm mit in sein Grab geben konnte.

...

Kleine Schweißperlen lösten sich von ihrer Stirn und rannen die Wangen herab, um sich am Unterkiefer dann in Form von kleinen Tropfen zu lösen und zu Boden zu fallen.

Es war geschafft.

Der Tote lag eingewickelt in die Bahnen aus Jutestoff vor ihr. Zwischen den Stoffbahnen lugten einige einzelne Kräuterzweige hervor, auf der Brust des Toten ruhte ein geflochtener Kranz aus Steinrautezweigen und der stechende Duft der Tinktur hatte den angenehmen würzigen Salbeiduft in der Höhle inzwischen vollständig verdrängt.

...

Der kleine See wurde von einem Wasserfall gespeist, der das kalte Wasser aus den Bergen hinab in das Tal trug. Nachdem sie ihren Körper gereinigt und dafür deutlich länger gebraucht hatte als sonst üblich, legte sie sich in die warme Mittagssonne um ihre Gedanken zum bevorstehenden Ritual zu lenken.