Tagebuch der Taliya Valaris
#2
[Bild: z86h34mu.png]
Dritter Eintrag: Himmelhochjauchzend
und tief betrübt


Ich dachte immer, man könne nur eines sein.
Entweder war man glücklich und bester Laune oder der
eigene Gemütszustand war so schlecht, dass man am
liebsten im Bett liegen bleiben würde.
Ich erlebte am gestrigen Abend, dass es doch beides gibt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit begegnete ich meinem Vetter,
Vilkas Valaris, der nun ebenfalls seinen Weg nach
Löwenstein gefunden hatte. Meine Freude war sehr groß,
da mir der Rest meiner Familie sehr fehlt und es schön ist,
wenigstens eines der Mitglieder der Familie Valaris wieder
bei mir zu wissen. Wahrscheinlich wird es auch nur bei
diesem Einen bleiben, meine Schwester würde niemals
Silendir hinter sich lassen, ebenso wenig wie meine
Eltern. So tut es gut, Vilkas in meiner Nähe zu wissen.

Doch die Nachricht, die er mir überbrachte, senkte
meine gute Laune schlagartig. Mein geliebter Onkel,
der mich auf Mithras Pfade brachte und mich stets in
meinen Belangen unterstützte, ist tot… Er ist blind
geworden, der Verlust von Frau und Sohn, der sich
von ihm angewandt und meinem Vater zugewandt hatte,
schmerzte ihn wohl zu sehr. Sterben musste er, weil er
sich wehrte, wo keine Wehr von Nöten war. Aus eigener
Schuld. Während ich hier sitze und diese Zeilen verfasse,
wirkt dies noch immer wie ein Traum. Am Vorabend ist so
vieles geschehen, dass es fast wie ein Trugbild meines
Geistes wirkt. Aber so ist es nicht. Es ist alles echt,
alles ist wahr.

Nach dieser Nachricht habe ich Euer Gnaden
Greiffenwaldt aufgesucht: Ich wollte noch einige
Dinge mit ihr besprechen, die mir auf dem Herzen lagen.
Mein erstes Anliegen wirkt noch jetzt wie ein Akt eines
ungeduldigen Kindes. Nach einer Woche in der Kirche,
die mir als Anwärterschaft galt, brannte ich darauf zu
wissen, ob mir das Noviziat erlaubt sei. Euer Gnaden
Greiffenwaldt bejahte meine Frage auf ihre eigene,
unnachahmliche Art und Weise und in Beisein von
Gerrik… und Vilkas… wurde die Zeremonie vollzogen.

Noch jetzt spüre ich die sanfte und wohlige Wärme,
die meinen gesamten Körper durchströmte bei der
Zeremonie. Das gesamte Gespräch mit Euer Gnaden,
das Noviziat, Vilkas Anwesenheit bei der Zeremonie,
sie erfüllen mich noch jetzt mit großem Glück.

Nun sitze ich hier und schreibe meinen Eintrag. Dabei
wundere ich mich, wie schnell die Launen eines
Menschen ins Wanken geraten. Der Mensch, so scheint
es, ist nicht mehr als ein Spielball positiver wie
negativer Ereignisse die ihn stark beeinflussen, der
Geist nicht mehr als ein Objekt reiner Willkür.

Ich muss meine Gedanken ordnen. Der Ordnung willen.
Zu oft bin ich unorganisiert und stelle fest, wie sämtliche
Gedanken und Launen mich beschleichen. Die Nachricht
vom Tode meines Onkels tragen nicht dazu bei, dass es
leichter für mich wird. Ich stelle fest, wie Tränen in
meine Augen schießen, die für ihn vergossen werden
wollen, während mein Herz vor Freude rast, weil ich
als Novizin meinen Pfad gehe.

Ordnung… Ich brauche Ordnung…
[Bild: gwajtihw.png]
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RE: Tagebuch der Taliya Valaris - von Taliya Valaris - 11.06.2013, 21:03



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