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Tagebuch der Taliya Valaris - Taliya Valaris - 04.06.2013 Erster Eintrag: Ankunft in Löwenstein Endlich sind wir angekommen. Mein Onkel Riordan und ich haben Löwenstein nach einer langen und anstrengenden Reise erreicht. Nach so vielen Jahren des Bitten und Bettelns habe ich es geschafft: Mein Vater hat mir erlaubt, meinen eigenen Weg zu gehen! Die Fahrt mit der Kutsche war gar nicht mal so bequem, wie ich es mir zuerst ausgemalt hatte. Riordan konnte einige Schleichwege, die er den Straßen vorzog und die er als schnellere Reiserouten kann, nur sehr langsam befahren. Löcher oder aus der Erde ragendes Gestein drohten, die Achse der Kutsche in Mitleidenschaft zu ziehen. Außerdem bestand er darauf, des Nachts zu Rasten, um im Falle eines Angriffes ausgeruht zu sein. Zu Pferd und in vollen Trab hätte die Reise wahrscheinlich nicht einmal ansatzweise so viel Zeit beansprucht. Nun tut mir der Hintern vom vielen Sitzen weh und es plagt mich schon fast, nun hier in der Taverne zu sitzen, auf Riordan zu warten und diesen Eintrag zu verfassen! Doch ist dieses Tagebuch eine gute Möglichkeit, die aufkeimende Sehnsucht nach der Heimat zu unterdrücken. Mir fehlen die weiten Felder Silendirs. Doch hier kann ich nun endlich das Leben beginnen, welches mich wirklich glücklich stimmt. Ich bin gespannt, was sich am heutigen Tage noch alles ergeben wird, immerhin haben wir es noch nicht einmal Mittag und es kann noch so vieles geschehen! Zweiter Eintrag: Kaum zu fassendes Glück Ich bin in Löwenstein angekommen und konnte direkt am Abend meiner Ankunft der Kirche vorstellig werden. Es ist kaum zu glauben, dass ich so kurz nach meiner Ankunft eine Anwärterin der Kirche sein darf und ich bin mehr als glücklich über diesen Zustand. Ich liebe das Rot meiner Robe und bin mehr als bereit, mein Leben ganz nach Mithras und der Kirche zu richten. Es ist wunderbar, in den Schrifthallen der Kirche zu sitzen, umgeben vom Duft frischer Pergamente, und diesen Eintrag zu Papier zu bringen. Mein Hintern tut auch gleich weniger weh, ich vermute jedoch, dass dies an der Euphorie liegt, die mich heimgesucht hat. Obwohl der Tag sehr lang war und die Nacht ihren Höhepunkt erreicht hat, kann ich kaum an Schlaf denken. Mein Herz rast nun noch vor Freude! Es scheint, ich habe die Kirche genau zum passenden Zeitpunkt erreicht. Riordan hatte mich nach einem gemeinsamen Mittagessen verlassen, um zurück zu meinen Eltern zu fahren und ihnen ein wenig Beistand zu leisten: Meine Abreise hat meine Eltern und meine verbliebene Schwester wohl doch härter getroffen, als ich selbst es vermutet hätte. Mein Weg führte mich zunächst durch Löwenstein selbst, wollte ich doch den Ort kennen lernen, der vielleicht meine neue Heimat werden würde. Erst am Abend betrat ich die Kirche und ich rechnete nicht damit, jemanden anzutreffen, der meinen Wunsch hören würde. Mithras muss mir gewogen sein, denn ich traf nicht nur den Novizen Albert, sondern auch Euer Gnaden Greiffenwaldt, die mir erlaubte, meine erste Woche in Löwenstein gleich als Anwärterin der Kirche zu erleben. Nun bleibt mir lediglich zu hoffen, dass Euer Gnaden und die anderen Mitglieder der Kirche mich als würdig ansehen und ich als Novizin in Löwenstein leben darf. RE: Tagebuch der Taliya Valaris - Taliya Valaris - 11.06.2013 Dritter Eintrag: Himmelhochjauchzend und tief betrübt Ich dachte immer, man könne nur eines sein. Entweder war man glücklich und bester Laune oder der eigene Gemütszustand war so schlecht, dass man am liebsten im Bett liegen bleiben würde. Ich erlebte am gestrigen Abend, dass es doch beides gibt. Nach einer gefühlten Ewigkeit begegnete ich meinem Vetter, Vilkas Valaris, der nun ebenfalls seinen Weg nach Löwenstein gefunden hatte. Meine Freude war sehr groß, da mir der Rest meiner Familie sehr fehlt und es schön ist, wenigstens eines der Mitglieder der Familie Valaris wieder bei mir zu wissen. Wahrscheinlich wird es auch nur bei diesem Einen bleiben, meine Schwester würde niemals Silendir hinter sich lassen, ebenso wenig wie meine Eltern. So tut es gut, Vilkas in meiner Nähe zu wissen. Doch die Nachricht, die er mir überbrachte, senkte meine gute Laune schlagartig. Mein geliebter Onkel, der mich auf Mithras Pfade brachte und mich stets in meinen Belangen unterstützte, ist tot… Er ist blind geworden, der Verlust von Frau und Sohn, der sich von ihm angewandt und meinem Vater zugewandt hatte, schmerzte ihn wohl zu sehr. Sterben musste er, weil er sich wehrte, wo keine Wehr von Nöten war. Aus eigener Schuld. Während ich hier sitze und diese Zeilen verfasse, wirkt dies noch immer wie ein Traum. Am Vorabend ist so vieles geschehen, dass es fast wie ein Trugbild meines Geistes wirkt. Aber so ist es nicht. Es ist alles echt, alles ist wahr. Nach dieser Nachricht habe ich Euer Gnaden Greiffenwaldt aufgesucht: Ich wollte noch einige Dinge mit ihr besprechen, die mir auf dem Herzen lagen. Mein erstes Anliegen wirkt noch jetzt wie ein Akt eines ungeduldigen Kindes. Nach einer Woche in der Kirche, die mir als Anwärterschaft galt, brannte ich darauf zu wissen, ob mir das Noviziat erlaubt sei. Euer Gnaden Greiffenwaldt bejahte meine Frage auf ihre eigene, unnachahmliche Art und Weise und in Beisein von Gerrik… und Vilkas… wurde die Zeremonie vollzogen. Noch jetzt spüre ich die sanfte und wohlige Wärme, die meinen gesamten Körper durchströmte bei der Zeremonie. Das gesamte Gespräch mit Euer Gnaden, das Noviziat, Vilkas Anwesenheit bei der Zeremonie, sie erfüllen mich noch jetzt mit großem Glück. Nun sitze ich hier und schreibe meinen Eintrag. Dabei wundere ich mich, wie schnell die Launen eines Menschen ins Wanken geraten. Der Mensch, so scheint es, ist nicht mehr als ein Spielball positiver wie negativer Ereignisse die ihn stark beeinflussen, der Geist nicht mehr als ein Objekt reiner Willkür. Ich muss meine Gedanken ordnen. Der Ordnung willen. Zu oft bin ich unorganisiert und stelle fest, wie sämtliche Gedanken und Launen mich beschleichen. Die Nachricht vom Tode meines Onkels tragen nicht dazu bei, dass es leichter für mich wird. Ich stelle fest, wie Tränen in meine Augen schießen, die für ihn vergossen werden wollen, während mein Herz vor Freude rast, weil ich als Novizin meinen Pfad gehe. Ordnung… Ich brauche Ordnung… RE: Tagebuch der Taliya Valaris - Taliya Valaris - 13.06.2013 Vierter Eintrag: Träume Am gestrigen Tag habe ich viel Zeit damit zugebracht, über meinen Büchern zu sitzen, zu lesen und zu notieren, was mir fehlte. Ablenkung… Organisation…Konzentration. Ich will nicht an den Verlust denken. Lernen. Für Mithras, für die Kirche, um mich als würdig erweisen zu können. Emotionale Ablenkung darf ich nicht zulassen. Mein Magen knurrt. Schon wieder. Habe ich am Vortag nicht schon genug gegessen? Bevor ich mich zu Bett begebe, werde ich wohl doch speisen müssen. Essen und Hunger unterbrechen mich bei meinen Studien, ohne Nahrung gelingt es mich jedoch nicht, mich angemessen zu konzentrieren. Und ich bin so müde. Es ist wieder mitten in der Nacht. Nur noch ein Buch… *an dieser Stelle sieht man einen Buchstaben, dem ein lang gezogener Strich und ein Tintenfleck folgt* Ich bin eingeschlafen. Der Morgen graut bereits, es ist fast Zeit für das erste Gebet. Ich fühle mich wie gerädert. Nicht nur bin ich über meinem Tagebuch eingeschlafen, ich habe meinen Kopf sehr ungünstig positioniert. Mein Nacken schmerzt, mein Kopf auch. Wie passend, dass ich gerade jetzt wach werde. Wieso aber ausgerechnet jetzt? Bilder rasen durch meinen Kopf. Bilder eines Traums, die ich kurz zu vergessen versuchte. Nun kommen sie mit aller Gewalt zurück. In meinem Traum geschah viel. Ich sah mich, heute, in meinem roten Ornat und mit einem Stapel Bücher unter dem Arm. Wie immer wissbegierig und fleißig, aber auch merkwürdig zerstreut. Bilder von meinem Onkel, von meinem Bruder, beide bereits verstorben, folgten. Zunächst lächelnd, dann die Gesichter verziehend, zerfallend. Schreie dringen an mein Ohr und ich sehe, wie das Chaos nach mir greift. Wo ist das Licht, das mich erretten wird? Es kommt nicht… zu wirr sind meine Gedanken, zu unruhig mein Innerstes. „Du zwingst dich zu sehr, jemand zu sein, der du nicht bist“, raunt eine kühle Stimme. Eine Frau in schwarzem Gewand tritt vor mich, die Augen verbunden. Auf die Frage, wer sie sei, lächelt sie kalt. „Ich bin dein Geist, der dem Chaos verfallen ist. Du hast mich erschaffen.“ Ich will schreien, fliehen… Doch die fremde Frau zieht mich zu sich, bis wir zusammen stoßen. Meine Perspektive wechselt, alles ist schwarz. Als sich meine Lippen teilen, erklingt die Stimme der Frau. Stimmen, Gedanken, Schreie hallen durch meinen Kopf. Wir sind eins… Meine Gedanken schwingen, ich fühle mich der Ohnmacht nahe. Ich soll diese schwarze Frau sein, die dem Chaos ins Netz gegangen ist? Das kann nicht stimmen! Licht… Durch die tiefe Schwärze, die mich umringt, bahnt sich ein kleiner Punkt gleißenden Lichtes. Erst nur ein bisschen, dass ein bisschen sehr. Der Punkt wird zu einem Strich. Und ich erwache aus meinem Traum. Es war der Sonnenaufgang, den ich nun von meinem Platz aus bestaunen kann. Mithras war es, der mich aus diesem finsteren Gespinnst meiner Angst befreite und mich in das Hier und Jetzt zurückgeholt hat. Doch der Traum ist auch eine Botschaft. Ich muss mein Innerstes sortieren und Ordnung in mein Leben bringen, in meinen Verstand. Ich fange am besten mit einem Gebet an, welches ich meinem Bruder widme. Dann für meinen Onkel. Möge Mithras einen Platz an seiner Seite für sie haben. Ich muss Abschied nehmen und Trauer Platz lassen, Tränen müssen fließen. Denn nur, wenn ich die Last des Verlustes ablege, kann ich mich selbst ordnen. Emotionale Kälte ist der falsche Weg… Sie ist nicht mein Weg. Ein Gebet, ein Gespräch, Ruhe und Zeit… Das brauche ich nun, um meinen Verstand zunächst von diesem Traum zu reinigen… RE: Tagebuch der Taliya Valaris - Taliya Valaris - 24.06.2013 Fünfter Eintrag: Familie Valaris schrumpft Der Tag war lang und anstrengend. Ich bin müde, aber nicht zu müde, um diese Zeilen nieder zu schreiben. Zunächst einmal bleibt mir zu sagen, dass es mir besser geht als das letzte Mal. Ich bin mit meinen Sorgen und meinen Ängsten zu Euer Gnaden Greiffenwaldt gegangen und habe mich ihr mitgeteilt. Daraufhin schenkte sie mir ihren Segen, zeichnete das Sonnensymbol auf meiner Stirn und ich spürte wieder diese wohlige Wärme. Sämtliche negativen Gedanken scheinen wie weg geblasen. Die Nacht danach habe ich sehr gut und ruhig geschlafen, ich träumte von meiner Familie und der Wärme, die ich mit ihr verband. Meine Familie… Ich vermisse sie derzeit sehr, erst recht nachdem Vilkas mir diese schlechte Nachricht über den Tod meines Onkels brachte. Ich kann nicht da sein. Ich bin nicht da. Von meiner Familie sind mein Vater, meine Mutter und meine Schwester übrig, sowie mein Vetter. Sie wird kleiner, immer kleiner. RE: Tagebuch der Taliya Valaris - Taliya Valaris - 24.06.2013 Sechster Eintrag: Freier Fall Ich stehe auf dem Dach. Der Wind weht durch mein schwarzes Haar und zerzaust es. Und doch spüre ich nichts. Ich stehe neben mir, im wahrsten Sinne des Wortes. Mein Geist hat meinen Körper verlassen, sich von allem weltlichen befreit. Mein Körper steht starr, lediglich vereinzelte Böen lassen meinen Leib kurz wanken. Der Blick der topasblauen Augen ist leer und geradeaus gerichtet. Und dann der Sprung. Während mein Geist meinen Körper betrachtet, jede Bewegung mustert und festhält, schließt jener still die Augen und lässt sich nach vorne fallen. Ich falle. Ich will den Körper festhalten, doch gleite haltlos durch meine Schulter. Ein schrei von mir, während mein fleischliches Ich schweigsam zu Boden gleitet… und schließlich hart auf das Pflaster des Platzes vor dem Tempel prallt. Schock geweitete Augen richten sich auf den Leib mit seinen verdrehten Gliedern, unter dem sich langsam eine rote Lache bildet. Das schwarze Haar bedeckt das blasse Gesicht. Oder was davon übrig ist. Ich stehe noch immer auf dem Dach, starre auf die Reste meines Körpers. Wieso…? Ein harter Ruck durchfährt mich, als ich aufrecht im Bett sitze und die Augen aufreiße. Es ist tiefe Nacht, um mich herum höre ich den ruhigen Atem meiner Mitnovizen. Ein Traum… Wieder einer der Solchen, die man sich sparen will. Es ist mitten in der Nacht, doch an Schlaf kann ich nicht mehr denken. So erhebe ich mich langsam und quälend. Obwohl es nur ein Traum war, schmerzen mir die Glieder so sehr, dass ich als alte Vettel begeistern könnte. Trotzdem… Ich muss aufstehen. Meine nächtliche Wanderung treibt mich raus auf die Straßen Löwensteins und in Richtung des Badehauses, jegliche Vorsichtsmaßnahmen aus Acht lassend. Ein Bad… Ein warmes, wohltuendes Bad! Um diese Zeit ist niemand hier, sodass ich ausnahmsweise sogar auf das Handtuch verzichten kann, welches meinen Leib bedeckt und mich beim Waschen einschränkt. Was warme Wasser auf meiner nackten Haut tut unbeschreiblich gut und ich genieße die Stille der Einsamkeit, die das Badehaus bietet. Nur einen Augenblick für mich, einen kurzen… Ich bleibe wirklich nicht lange. Schon nach ca. 30 Minuten habe ich den Tempel wieder erreicht und ich trete in die Mitte des im Boden eingelassenen Ornamentes. Ein Gebet, nicht vorgegeben von den Schriften, sondern selbst erdacht und verfasst. Mein Mantra, meine stetig in mir widerhallenden Worte. Dabei versinke ich in Trance. Der Raum um mich herum verblasst. Es gibt nur noch mich, das Ornament, auf dem ich ruhe und die Statue des Mithras vor meinem gesenkten Haupt. Es wird noch dauern, bis die Sonne aufgeht und der Rest des Tempels erwacht. Ich bin allein, habe Ruhe für den Augenblick. Ich liebe mein Leben, doch es ist die Ruhe, die Meditation, die mir fehlt. In meinem Gebet und der Stille der Nacht finde ich Ordnung. Keine Ordnung im Lager des Tempels, sondern innere Ordnung, die ich zutiefst benötige. Ordnung durch Führung… Mithras führt mich durch die Nacht und fort von meinen Träumen, die meine Gedanken in Chaos stürzen. In meinem Gebet kann ich mich fallen lassen. Ein freier Fall, der nicht mit Blut, gebrochenen Knochen und dem Tot zusammen hängt, sondern ein Fall in die tiefe, innere Ruhe… Innerer Frieden. Ich brauche inneren Frieden. RE: Tagebuch der Taliya Valaris - Taliya Valaris - 12.09.2013 Siebter Eintrag: Neubeginn So lange ist es mittlerweile her, seit Mirialay meine knapp verfasste Notiz erhalten hat. „Ich danke dir für alles und hoffe, dich stets als Freundin sehen zu dürfen“ stand dort, darunter das Sonnenzeichen und meine Unterschrift. Ich bin gegangen. Fort aus den Mauern der Kirche, die mir Heimat und Käfig zugleich waren. Ich hätte bei meiner Ankunft in Servano und Löwenstein nie gedacht, dass ich das Leben in der Kirche je aufgeben würde. Ich habe so hart dafür gekämpft, überhaupt erst diesen Weg gehen zu dürfen. Wie oft habe ich mich gestritten, mit meinem Vater, der mich nie hergeben wollte. Unzählige Male wohl. Und als es endlich soweit war, fühlte ich mich gut. Doch ich hatte nie geahnt was es heißt, eine Dienerin der Kirche zu sein. In meinem Träumen damals sah ich mich in rotem Gewand, das Haar zu einem Zopf gebunden, mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen. In jenen Träumen hatte ich Familie und meine Berufung gefunden und vereinen können. Doch manche Träume sollten Träume bleiben. Das Leben in der Kirche hat mir mehr Kummer bereitet. Familie? Wenn sie nicht genehmigt wird, würde es nicht dazu kommen. Freiheit? Nicht hinter den hohen Mauern der Kirche. Man darf nicht ohne Kopfbedeckung hinaus, in ihren Roben sehen alle gleich aus. Zunächst fühlte ich mich wohl und geborgen. Doch mit der Erfüllung des schönen Traumes waren die Alpträume gekommen, die Unruhen und das Chaos in meinen Gedanken. Ich war einen Dienst angetreten, den ich zu gehen nicht bereit war. Einen Großteil meines Lebens habe ich darauf hingearbeitet, um dann tief zu fallen. So wie in dem Traum, den ich im letzten Eintrag erwähnte. Das Leben hinter den Mauern war geprägt von Zucht und Ordnung, jener Ordnung, die unangenehm ist und jeder war auf sich selbst am meisten bedacht. So kam es mir vor. Und erst die Blicke mancher Persönlichkeiten… Hinzu kommt, dass ich eigentlich viel eher hätte verstehen sollen, dass die Kirche kein Ort für mich ist: Mein Hab und Gut musste ich fortgeben. Mein Tagebuch holte ich mir nach meinem Eintritt in die Kirche, mein kleines Armbändchen von meiner Mutter brachte ich zum Bankier, er solle es verwahren. Ansonsten war alles fort; meine Freiheit, meine Kleidung, eingetauscht gegen eine Robe, eine Kapuze und ein Leben in… ja, in ewiger Knechtschaft. Ich liebe meinen Herren Mithras, doch bin ich im Unklaren, ob er dies genau so wollte. Ich sollte diese Zeilen nicht schreiben, grenzen sie an Blasphemie. Doch wenn ich es nicht schreibe, bleibe ich meiner Seele nicht treu. An der Kirche ist nicht nur Schlechtes, wie es gerade scheint… sie bietet jenen Schutz und Unterkunft, die sonst nichts haben, stellen für viele ihr einziges Zuhause und ihre einzige Hoffnung dar… Sie ist ein Ort des Zusammenkommens für jene, die Geleit und Hilfe beim Beschreiten des richtigen Pfades benötigen und ersetzen einem die Familie. Doch hat das Leben in der Kirche mir weniger Freude bereitet, als angenommen. Vielleicht, weil ich in Silendir meine Heimat und einzig wahres zuhause sehe, vielleicht weil ich mich dem Willen anderer zwar Beuge, aber nicht ewig durchstehe. Ich fühlte mich zu meinen Tagen als Novizin und zwischen den Meinen oftmals wie in einer Arena, in der jeder an die höchste Position gelangen wollte und es mit allerlei Mächten versuchte. Ich selbst wollte Priesterin werden; um unserem Herrn zu dienen, ihm nahe sein zu können, sein Wort in die Welt zu tragen. Nicht Macht war es, was ich wollte, sondern das höchste Maß an Glaube und Hoffnung, an Ordnung, Einigkeit und Friede. Doch in der Kirche, so schien es mir zu meinem Austritt, herrschte mehr Konkurrenzdenken, als ich es selbst für möglich gehalten hatte. Es kann auch sein, dass der Schein mich trug, weil meine Familie eigene Schicksalsschläge erleiden und ich mich einer tief in mir verborgenen, schwarzen Seite stellen musste. Jedoch war die Familie Kirche für mich nicht weiterhin tragbar. Es gibt jedoch zwei Menschen, die mich dort aufrechterhalten haben und die mir auch jetzt noch wichtig sind wie Bruder und Schwester. Gnaden Mirialay Greiffenwaldt und Gerrik, die ich als wahre Freunde in einem von Rangordnungen beherrschten Haus bezeichne. Auch wenn mein Abschied gering war und gewiss überraschend, hoffe ich, dass sie mir dies nicht all zu übel nehmen. Ebenso wie meinen Rückzug aus der Stadt. Ich wäre nach Hause gegangen, zu meinen Eltern, meiner Familie, hätte man mich die Grenzen passieren lassen. So blieb mir nur der größtmögliche Abstand. Von der Kirche, von Löwenstein, gar von Freunden. Ich war gut ein oder sogar zwei Mondläufe fort, wie vom Erdboden verschluckt, wobei mir der ein oder andere Jäger oder Bauer behilflich war durch Unterkunft, Geleitschutz und Nahrung. Doch nun soll die Zeit sein, wieder Ordnung zu bringen. Ich bin eine Dienerin des Mithras, auch ohne die Kirche und brauche Ordnung in meinem Leben, meinem Geist. Die Frage ist nur: Was tun? Ich bin mit einer Hand voll Liturgien vertraut, liebe das Lesen und Schreiben, aber damit kann ich kaum mein täglich Brot verdienen. Ich sollte mich bei Mirialay melden. Ich schulde es ihr als meine engste Vertraute. Und vielleicht hat sie ja Gelegenheit mich Dinge zu lehren, die außerhalb des Kirchendienstes stehen. RE: Tagebuch der Taliya Valaris - Taliya Valaris - 16.09.2013 Achter Eintrag: Schmerz Es ist vollbracht. Nun gehöre ich offiziell nicht mehr zur Kirche, meine Buße ist angetreten, zum Teil bereits entrichtet. Ich bin keine Novizin mehr und schulde lediglich dem Herrn meine Eide und mein Leben, so wie es sein soll. Der Prozess bis hierhin war gefüllt mit Aufregung und Unsicherheit, auch wenn ich es nach außen hin so gut wie möglich zu verstecken versuchte. Am gestrigen Abend betrat ich das Büro der Kirche, Ihre Gnaden Greiffenwaldt wies mich dazu an, meine Buße entgegen zu nehmen. Anwesend waren sie selbst, sowie Gnaden Zerline Veltenbruch und Gnaden Alina. Bei der letzteren bin ich der festen Überzeugung, sie hätte mich nur zu gern verstümmelt, wenn nicht sogar tot meine Buße verrichten lassen. So wirkte es, ob es wirklich so ist, sei dahin gestellt. Auch Gnaden Veltenbruch war wenig begeistert von meinem Pfad, den ich eingeschlagen habe und dem ich folge. Doch mein Gewissen ist rein und ich diene unserem Herren Mithras allein. Nun wurde ich an jenem abend angehört: Von Zerline und Alina, von Mirialay. Ich habe zugegeben, meine Eide geleistet und sie in den Augen der Kirche gebrochen zu haben. Ich habe es… Mein Ornat habe ich abgelegt, dem Schoß der Kirche für mein Seelenheil den Rücken gekehrt. Doch so würde es nie verstanden werden, denn für die Diener der Kirche liegt das Seelenheil in ihren Aufgabenbereichen und Unsicherheiten werden mit Gebeten vernichtet. Bei mir wurden sie nur verschoben, weswegen ich meinen Weg neu gewählt habe. Mein Herz gehört deswegen nicht weniger dem Herrn. Nachdem man mich anhörte, wurde ich hinaus geschickt, um die Art und Höhe meiner Buße zu entscheiden. Während ich dort wartete, zerbröckelte für einen Moment meine gefasste Fassade, die ich während des Gespräches aufrecht zu erhalten versuchte und was mir, so wie ich es sah, gut gelungen ist. Schwerwiegende Taten führen zu harten Konsequenzen, die vom Schuldner mit Würde zu nehmen sind, hatte mein Vater mir einst gesagt. Und so wollte ich es handhaben. Die Art und Weise, wie ich meinen neuen Weg eingeschlagen habe, war nicht die feinste und so stehe ich zu meiner Schuld. Als ich nach gefühlten Stunden wieder in das Büro gebeten wurde, waren eindeutige Spannungen zu spüren, gerade zwischen Alina und Mirialay. Anscheinend hatte Alina wieder eine spitze Bemerkung von sich gegeben, die Mirialay nicht gefiel. Nach meinem Eintreten wurde ich zunächst von Gnaden Veltenbruch über meinen Ausschluss aus der Kirche unterrichtet und ich darauf hingewiesen, dass ich meine Eide nun nur noch gegenüber dem Herrn auszuführen habe und dass ich keine Novizin mehr sei. Dies war tragbar, denn es war mein Ziel. Nun sollte aber meine Buße erläutert werden für meinen Eidbruch gegenüber der Kirche. Die erste Buße war, dass ich von meinem zukünftigen Einkommen einen Teil an die Kirche zu spenden habe. Eine Buße, mit der ich wohl gut zurecht kommen werde, weiß ich eh nicht, wann mein erster Einkommen eintreten wird und wenn es kommt, wird es nicht allzu viel sein, sodass auch der Teil für die Kirche einen Hungerlohn darstellen dürfte. Die zweite Buße soll sein, dass mir die Farbe Rot verweigert wird. Keine rote Kleidung. Sollten sich meine Hoffnungen auf das Schneiderhandwerk erfüllen, stehen mir alle Farben auf dem Markt zur Verfügung, sodass ich diese Buße mit einem Schulterzucken abtun kann. Die Farben meiner Familie sind eh blaue Farbtöne. Von der dritten Buße trage ich noch jetzt den Schmerz. Hiebe mit dem Gürtel. Drei auf dem Rücken, drei an den Fußsohlen, drei auf meine Schwurhand. Vor dieser Buße fürchtete ich mich, sind Schmerzen mir doch weitestgehend fremd. Doch ich nahm mir vor, auch diese Buße mit Würde zu ertragen und ich meine, dies sei mir gut gelungen: Ich ertrug den Schmerz ohne großes Jammern. Ich hatte mir dies selbst zugefügt, also musste ich es mit erhobenem Haupt ertragen. Vor Gnaden Veltenbruch nur keine Schwäche zeigen, sondern beweisen, dass der Herr mir immer noch wohl gesonnen ist. Die Hiebe schmerzten, Schweiß bildete sich auf meiner Haut und mein Körper begann unweigerlich nach den Hieben zu zittern… Doch meine Fassade blieb standhaft: Nur geringe Schmerzenslaute verließen meine Lippen und ich bin standhaft geblieben, anstatt zusammen zu brechen. Trotzdem mir kurz schwarz vor Augen wurde. Nun kann ich kaum gerade sitzen, das Laufen ist unangenehm und das Schreiben bereitet mir Schwierigkeiten, weswegen dieser Eintrag auch weniger sauber ist, als ich es von mir gewohnt bin. Aber ich habe meine Würde, meine Ehre und mein Seelenheil aufrechterhalten. RE: Tagebuch der Taliya Valaris - Taliya Valaris - 20.09.2013 Neunter Eintrag: Ein ereignisreicher Tag Der gestrige Tag war sehr ereignisreich. Zunächst übte ich mein Können weiterhin im Schneidern, denn von nichts kommt nichts. Mirialay unterstützte mich tatkräftig, indem sie mir Stoffe und Schnittmuster zeigte, mir ihre Machart genau vormachte und meine Nähte verbesserte. Hier und da gab es den ein oder anderen Schnitt, den ich leicht vermasselt habe, aber ich werde besser. Je länger ich dem Schneidern nachgehe, desto besser funktioniert es. Es soll aber noch besser, noch perfekter werden! Dies wird mir und auch Mirialay durch die Schneiderzunft zu Löwenstein ermöglicht.Am gestrigen Abend hatten wir ein langes, ausführliches Gespräch mit Fräulein Theresia Veltenbruch und Fräulein Shania, die uns über die Zunft, deren Vorteil und die Verpflichtungen innerhalb jener aufklärten. Für einen Neuling wie mich klingen die Voraussetzungen plausibel und ich erhoffe mir, dadurch so einige Vorteile für mich dabei entwickeln zu können. Hinzu kommt, dass mir die Gesellschaft von Theresia und Shania zusagt. Ich hatte ja zunächst Bedenken gegenüber Theresia, habe ich bei dem Namen „Veltenbruch“ immer noch Viktor vor Augen, dessen Anwesenheit mir stetig unangenehm gewesen war, sowie die Alberts, den ich nie einzuschätzen vermochte. Bei Theresia ist es anders. Ihre Anwesenheit bereitet mir kein Unbehagen, sondern sie ist angenehm. Mal sehen, wie sich das Leben innerhalb der Zunft entwickelt, wie die anderen Mitglieder sind und ob man sich untereinander gut versteht. Es wäre auf jeden Fall vorteilhaft. Nun sollte dies aber nicht alles sein. Mirialay und ich trafen auf zwei Mitglieder des Bundes der wachenden Schwerter. Ich glaube, die Frau hieß Maria, der Mann auf jeden Fall Aygo. Beide scheinen sehr lebensfroh zu sein, sehr amüsant sind sie definitiv. Wie Maria mit ihrer Kettenrüstung hüpfte, nachdem Miri ihren Überwurf fertig hatte, war einfach ein herrlich entspannter Anblick. Einmal frei von der Strenge und Disziplin, die sonst so in Löwenstein herrscht. An Aygo fand ich interessant, wie gut man sich mit ihm über Glaubenssachen unterhalten konnte, ohne direkt in eine hitzige Diskussion auszuarten. Wenn ich mich recht entsinne war er sogar mit mir einer Meinung, dass mehr Interesse für die jeweils andere Glaubensgemeinschaft Missverständnisse aus dem Weg räumen könne. Ich sollte jedoch aufpassen, was ich niederschreibe, ehe man mein Schriftwerk von mir nimmt und jemand diese Zeilen liest. Mein Kopf würde schneller über den Boden rollen, als ich mich selbst erinnern könne, was ich getan habe. Doch dies muss ich noch niederschreiben: Ein Wiedersehen mit Aygo würde mich freuen, scheint er doch ein netter Gesprächspartner zu sein, dazu offen gegenüber anderen Menschen mit anderen Einstellungen und Meinungen. Solche Menschen bräuchte Löwenstein mehr. Nun komme ich zu meinem letzten großen Ereignis des gestrigen Abends… Mirialay, meine mir so treue und enge Freundin, hat mich als Teil ihrer Familie aufgenommen. Es tut gut, hier nun eine Familie um sich herum zu wissen, auch wenn ich nicht weiß, was ihre Geschwister und Verwandten dazu sagen werden, eine Frau aus Silendir bei sich aufzunehmen. Denn das bin ich und werde ich immer bleiben. Aber ich kann nun von mir behaupten, ich bin Taliya Valaris aus dem Hause Greiffenwaldt. Was meine Eltern dazu sagen würden? Nun, erst einmal müsste ich zurück nach Silendir kehren. Oder meine Familie hierher kommen, damit ich wieder zu meinen Wurzel zurückkehre. Aber mein Vater und meine Mutter werden ihr Anwesen nie verlassen und meine Schwester wird auch gewiss lieber einen Mann aus Silendir an ihrer Seite wissen wollen, anstatt ins Ungewisse zu reisen und abzuwarten, was Mithras für sie bereit halten könnte. Auch wenn ich nun in Löwenstein Teil einer Familie geworden bin… Ich vermisse meine Familie, die Valaris-Familie aus Silendir, trotzdem sehr. Mein Herz und meine Wurzeln werden für immer dorthin gehören. Doch ich bin nun mit Mirialay im Blute verbunden. Ich bin eine Valaris, werde es immer sein, doch gehöre an Mirialays Seite, zu den Greiffenwaldts. Mal sehen, was sich daraus ergibt. Nun wird es aber Zeit, diesem Eintrag ein Ende zu setzen und mich an andere Dinge zu setzen, die noch erledigt werden wollen! Ich bin gespannt, was noch alles mit mir und um mich herum geschehen wird… Es kann nur besser werden. |