FSK-18 Das Tier in mir
#3
Du hast ihre Fährte verloren, Wolf, raunt der Mensch in ihm tadelnd zu seiner animalischen Seite. Er erwartet keine Antwort, denn er wird keine erhalten. Der Wolf gehört genauso zu seiner Persönlichkeit wie der Mensch, der vor zwei Jahresläufen verschluckt wurde und zu einer weitaus abyssähnlicheren Gestalt wurde. Aber ganz gleich, wer von den beiden Recht hatte, die Fährte war tatsächlich fortgewischt. Nur wohin? Der Sommer brachte schwüle, lang anhaltende Hitze und die Mondwächter hatten wohl Chronos erzürnt, dass er ihnen keinen Regen gönnte. Schnaubend bewegt sich der Pelzträger aus der direkten Sonne, die ihm den Pelz regelrecht versengt. Im Schatten der Bäume sucht er emsig weiter, nur um resigniert nachzugeben. Sie sammelt hier nicht mehr. Entweder hat sie ihre Route geändert oder sie ist verschwunden, wie ein Großteil der arroganten Löwensteiner. Blos, dass er sie nie für eine solche gehalten hat. Denkst du ihre Verdorbenheit hat sie eingeholt? Spürte sie deine wieder erwachende, krankhafte Beobachtungssucht?
Unzufrieden jaulend lässt sich der Wolf bäuchlings ins dürre, pieksige Gras sinken und legt den großen Kopf auf die Vorderpfoten. Die Hitze macht ihn müde, vor allem, da ihm seine Motivation genommen wurde. Du findest schon einen neuen, interessanten Geruch, dem du hinter her jagen kannst. Mit einem Schnauben wird ihm bewusst, dass er das mehr als nötig hat. Er braucht dringend Ablenkung, jede Faser seines Körpers schreit danach. Die kurze Ruhe im Wald ist bereits schon zu viel. Er springt auf und flitzt weiter nach Thalweide, während er den kühlenden Laufwind im Pelz und im Gesicht genießt.
Als er unbewusst an einer schmerzlich bekannten Stelle an der Küste vorbei kommt, schnaubt der Waldbewohner wütend auf. Alles erinnert ihn an die Wandlung des Welpen, seines zweiten Welpen, bei den Göttern. Rasch beschleunigt er wieder und hetzt sich ab, bis ihm vor Wärme die Zunge aus dem Maul hängt. Am Ufer eines Teichs hält er inne und trinkt gierig das trübe Wasser. Die Ohren zucken wachsam empor, ehe sich der Kopf überhaupt hebt und seine Sinne recken sich nach den Geräuschen in der Nähe. Eine Klinge, der die Zuwendung eines Schleifsteins gut tun würde, bemüht sich einen Kräuterstengel abzusäbeln. Dann erklingt ein dezentes, erfreutes "Oh", bevor die Kräutersammlerin die wilde Zuckerrübe entdeckt, die der Wolf schon längst gewittert hat. Jedoch riecht die Frau viel süßer, als es die Rüber jemals zu Stande bekommen könnte. Er kennt ihren Geruch und am Liebsten würde er das miese Spiel des Schicksals verhöhnen, wenn er die Ablenkung nicht so dringend nötig hätte.
Rasch senkt er den Kopf wieder, als die Suchende den Kopf hebt. Sie hat lediglich einen Vogel gehört, der sich aus seinem Platz aus dem nahen Baum erhebt. Es müsste schon ein Wunder geschehen, dass sie den Wolf am anderen Ufer bemerkt. Vermutlich könnte er sich ihr bis auf zwei Schritte nähern und sie wäre noch immer unwissend und taub für seine Bewegungen. Langsam und ohne jede Hast umrundet er den See, um sich ihr langsam zu nähern. Nebenher ergötzt er sich an der Fährte, die sie hinterlassen hat, während sie an dem nahrhaften Ort nach Kräutern umgesehen hat. Und tatsächlich war sie erfolgreich bei der Suche. Das Körbchen, das sie am Unterarm trägt, quillt bereits über und die vermischten Aromen der frischen Kräuter sind zu viel für seine empfindliche Nase. Zumal er viel lieber den Geruch genießt, den sie verströmt. Zarter Schweiß strömt ihr aus den Poren und benetzt das dünne Leinen an ihrem Körper. An ihrem Nacken und Rückrad ist der Geruch besonders intensiv. Der zarte Wind, der gelegentlich unter den Rock schlüpft, sorgt wenigstens an ihrer Mitte, dass sie nicht so verlockend wie ein Feld reifer, saftiger Erdbeeren riecht. Warum sie ein Korsett trägt, dass ihre schönen Rundungen in Form setzt, wird er nicht erfahren. Das Leder muss ihr bei der Hitze regelrecht die Luft abschnüren. Sie hat Durst, ihre vollen Lippen sind trocken und das Gras raschelt, als sie sich am Ufer hinkniet und Wasser in die zierlichen Hände schöpft. Das Bild, wie sie dort kniet und erleichtert seufzt, als das kühle Wasser ihre Lippen und Kehle streicht, ist fast zu viel für ihn. Zu allem Überfluss schöpft sie sich Wasser in den Nacken, wobei sich zarte Rinnsale nach vorne wagen und an ihrem Dekoletee entlang fließen, dank ihrer nach vorne gelehnten Haltung.
Er muss den Gedanken nicht in Worte fassen, dass er dringend verschwinden sollte. Der Anblick reizt die Fantasien und die Gier des Menschen zu sehr und wenn er sich noch länger in ihrem Anblick wälzt, wird ein nackter Kerl hinter ihr stehen, wie ein Perverser. Ein Luftzug trägt den Geruch ihres Haares zu ihm und es trifft ihn wie ein Peitschenhieb. Ungeachtet der Tatsache, dass sie das davon laufende Tier hören kann, wendet der Wolf auf dem Fleck und flitzt durch den Wald davon. Er rennt in die entgegengesetzte Himmelsrichtung, bis ihm die Pfoten brennen und er erschöpft zusammen sinkt. In seiner Nähe wittert er die kühle Luft einer einladenden Höhle und er nimmt sich vor, sich aufzuraffen und dort zu ruhen, bis er in den menschlich anmutenden Körper zurück findet.
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Das Tier in mir - von Narbenauge - 22.04.2018, 18:26
Sadismus - von Narbenauge - 25.06.2018, 09:02
RE: Das Tier in mir - von Narbenauge - 30.07.2018, 15:03
RE: Das Tier in mir - von Narbenauge - 11.10.2018, 14:00
RE: Das Tier in mir - von Narbenauge - 11.01.2020, 15:33



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