Die letzte Einladung
#14
Die Sonne war vor gut zwei Stundenläufen in den Tag hineingebrochen und warf sein schimmerndes Licht auf den Morgentau, der sich noch in den Grashalmen, die aus dem Boden ragen, zu einem funkelnden Glänzen verwandelte. Auf den Nadeln der Bäume liegt ein kleiner, feuchter Schleier, wo sich das Licht im richtigen Winkel wie ein gleißender Mantel um den Baum herum legt. Der Bach hat sein leises und stilles Flüstern zu einem Rauschen gesteigert, was durch die Jahreszeit an den Nortgardischen Gipfeln liegen mag, die nach dem Winter ihre Wasserspeicher gierig für sich behielten, bevor es dann in Richtung des Sommers doch den klaren Silberfluss an seine Umgebung abgeben mag. In der Luft lag der saftige Geruch von Erde und Nadelbäumen, die Stille wurde oftmals von einzelnen Vögeln unterbrochen, welche durch die Landschaft glitten, auf der Suche nach passenden Ästen, um sich noch ein Nest zu bauen. Aber ein Klang erschallte zwischen den Bergwänden, welcher nicht ganz natürlich war. Immer wieder hörte man ein unnatürliches "Flup" gefolgt von einem verspäteten Pochen auf hohlem, trockenen Holz.

Ein Wanderer kam zum Vorschein. Der weite, dunkelgraue Umhang verschleierte und ließ nur ahnen, was sich dahinter verbirgt. Die zweckmäßige Lederhose, leicht sonnenverfärbt bereits, im dunkelbraunen Farben. Ein schwarzes Hemd, umarmt von einem dicken Wams, dunkelgrau. Ein Wurfmessergürtel spannte sich dann noch über den Wams. Lederbänder drückten die Ärmel an die Muskeln. Am rechten Handgelenk  glitzerte gulden eine Kette. Am Gürtel festgeschnallt war dann noch die Waffenscheide, besetzt mit einem Langschwert und ein Sax hinten an der Hüfte, allein der Waffengriff ragte hervor, sollte der Umhang sich einwenig lüften. Die Stiefel sind eng-anliegend und gefüttert, um dem Nortgarder Klima zu trotzen. Lederhandschuhe, bestimmt im gleichen "Alter" wie die Hose der Färbung nach zu urteilen, und die Kapuzenmaske, die nur die Nasenwurzel und das Augenpaar preis gaben, ließen den Mann sehr zwielichtig wirken. Auf einer kleinen, felsigen Anhöhe keuchte er leicht, die Landschaft, die sich gerne mal auch felsig gestaltet machte es ungeübten Beinen schwer, drüber zu steigen. Der Mann ging knartschend in die Hocke und lauschte den Geräuschen, dessen Ursprung eindeutig kein Specht sein könnte. Es pochte und pochte und pochte...

"Eins... Zwei... Drei... Vier... Fünf... Sechs... Sieben..."

Und stille kehrte ein. Der Wanderer drehte leicht das Ohr in die Richtung des Pochens. Ein langezogener Atemzug durch die Nase, das Keuchen verebbte und der Atem wurde konzentriert angehalten. Das Vogelgezwitscher, der Strom des Baches, das Rasseln der Pflanzen im Wind, alles wurde ausgeblendet und er konzentrierte sich. Die Fußstapfen im Gras ertönten in seinem inneren Ohr klarer als der Rest der Geräusche. Sofort wandte er den Blick in Richtung der Fußstapfen, dabei drückte er sich auf. Mit der Bereitschaft, den umherschleichenden Waldläufer nur schwer ausfindig machen zu können, wanderten die Augen eiligst in der erahnten Richtung. Doch der Mann wurde nich fündig, das rauschende Gras, geschmückt mit Fußstapfen aber war weiterhin zu hören. Da stichte irgendwas im Augenwinkel, irgendwas passte nicht zum Bild, als er den Hügel erklimm.

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Und da war der Waldläufer. Verwunderung überflog die versteckten Gesichtszüge der Wanderers, als habe er nicht erwartet, dass der Waldläufer so "gutgläubig" ins offene "Rampenlicht" schreiten würde. Unter der Maske steigerte sich die Verwunderung in ein Grinsen, als er die in der Ferne liegende Gestalt kurz dabei zusah, wie er tiefer ins Tal trat.

"Heeeeeeeeeyyy!!"

Rief der Wanderer aus und streckte den Arm empor in die Höhe und schwank ihn, als sei es eine Fahnenstange. Doch statt eines Banners, schwenkte nur der Goldschmuck glitzernd im Sonnenlicht hin und her, wobei die Kettenglieder ihren leisen Klang wiedergaben. Der Waldläufer indes brauchte seine Zeit, um sich umzudrehen und den Wanderer zu erkennen, doch auch da hob sich seine Hand und er winkte ihm zu. Von der Brustmitte aus verteilte sich ein warmes Gefühl bis hin zu den Zehen und der Nasenspitze. Hinter der Maske verbarg sich ein Lächeln, glücklich einen alten Freund wiederzusehen. Und so verharrte er in seiner Position, erkannte recht spät, dass der Waldläufer auf den Bogen gestützt zu ihm rüberschaute und wohl abwartet, dass der Wanderer die Distanz überbrückt. Eilig setzte er einen Fuß nach dem anderen auf den nassen Gras und Moos bedeckten Boden und es dauerte nicht lange, da standen sie sich gegenüber. Erst starrten sie sich einen Augenblick lang schweigend an, doch dann, synchron, ließt der Waldläufer seinen Bogen fallen um ebenso wie der Wanderer die Arme für eine Umarmung auszustrecken. Beide drückten sich gegenseitig aneinander, ein wohlgemeintes Ächzen entfloh beiden und sie lösten sich voneinander. Der Wanderer warf dem Waldläufer einen musternden Blick zu. Ein metallener Helm schimmerte grausilber am Gurt, auf der anderen Seite hing eine Waffenscheide für ein Schwert. Den Bogen spannte er sich über den Körper, während neben dem Helm auch Brust und Handschuhe metalisch glänzen. Ein Fell bedeckte seine Schultern und grünlich-grauer Stoff hing an der Brustpanzerung und Rücken herab. Die Hosen waren von braunem Stoff und die Stiefel ebenfalls eng-anliegend und gefüttert. Lederbänder lagen auf der Brustpanzerung, eines hielt den Köcher auf dem Rücken, dass andere wies mehrere Tinkturen und gefüllte Täschchen auf.

[Bild: 991c4f-1515169036.jpg]

"Lass dich mal ansehen!", entgegnete da der Wanderer, dabei war die kurze Musterung bereits fertig. Das rabenschwarze Haar ließen das junge Gesicht einwenig älter wirken. "Was ist mit deinem Haar?" Der Waldläufer winkte locker ab, "Ach du weißt doch. Nortgard ist ein kühles Pflaster, da braucht man alles an Haare, was man kriegen kann!" Der Wanderer lachte schallend auf: "Diese paar Härchen auf der Brust werden dich nicht warm halten." Mit verzogener Miene entgegnete ihm der Waldläufer, "Maul halten! Aber da du schonmal hier bist, komm mit!" Beide gingen los, das Ziel war dem Wanderer nicht klar.

"Was treibst du so?"
"Nichts besonderes. Ich übe mich noch im Bogen, jage einwenig Wild zum Essen und habe mir diese Rüstung hier geholt."
"Ah, die sieht ganz... nett und abgetragen aus."
"Gemütlich ist sie, dass kannst du mir glauben und nein, ich habe sie nicht von einer wehrlosen Leiche."
Ein ungläubiger Blick traf den Waldläufer, der hingegen nur mit den Schultern zuckte.
"Da sind sie ja..."

Der Waldläufer steuerte auf einen toten Baum zu, dick der Stamm und eingeritzt sind mehrere Kreise an einem Strichmännchen. Würde man einschätzen, wie die Treffer waren, ist sofort erkennbar, dass der Mann Talent hat. Die Pfeilfe wurde vorsichtig vom Baum gelöst und wieder nach kurzer Inspektion in den Köcher gesteckt. Dann machte der Waldläufer einen Wink und ging weiter, "Ich kenne ein gutes, ruhiges Plätzchen komm."

"Besuchst du immer noch diese Dirnen?"
"Aber natürlich!"
"Ach erzähl nicht! Du bist doch noch Jungfrau."
Mit einem Lachen stupste der Eine den Anderen an.
"Was macht deine Geliebte?"
"Naja, hat nicht lange gehalten, sind getrennte Wege gegangen."
"Wie erwartet hm?"

Der Wanderer kam langsam zum Stehen und starrte den Boden nachdenklich an. Der Waldläufer brauchte ein zwei Schritte um das mitzubekommen und darauf selbst mit Stillstehen reagieren zu können. Die Züge des Waldläufers nahmen dabei zweiflende Züge an. Denn er zweifelte, dass seine Worte ihn verletzt haben könnten, so gut kannten sie sich. Doch da hob der Wanderer den Blick an und es folgte:

"Ich habe Manus ausfindig gemacht."
"Hm."
*Kurze Pause.*
"Und ich brauche dich, alleine schaffe ich das nicht."
Sie starrten sich an, ehe der Waldläufer die Stimme erhob.
"Ich weiß... Es brennt noch bis heute, wenn ich an die Drei denke."
Sie setzten sich wieder in Bewegung.
"Onkel wäre nicht erfreut. Er sagte immer, ich soll Wut, Hass, Neid, alles was ablenkt ausblenden... Aber es geht nicht."
"Ich glaube, dass er uns auf diesen einen Tag vorbereitet hat. Den Tag, an dem wir unsere Rache bekommen."
Der Waldläufer nickte schwach und in Gedanken versunken.
"Ich möchte dir etwas zeigen, über Manus reden wir morgen."

Beide wanderten durch die karge Landschaft. Die Eile war in jedem Schritt verflogen und sicherer Halt nahm ihren Platz ein. Daher dauerte es gut eine halbe Stunde, bis sie die Ruinen erblicken konnten und nochmal gut zehn Minuten, bis diese erreicht war.

[Bild: frances-fry-original-watercolour-paintin...1476-p.jpg]

"Du willst mir eine Wand zeigen? Ja ist klar, hier stand mal ein Haus... oder was Ähnliches."
Der Waldläufer grinselt. "Na, warte kurz."
"Nein, dass sehe ich nicht ein! Du kannst so eine Landschaft vielleicht problemlos durchwandern, ich aber muss hier um jeden Atemzug kämpfen."
"Jetzt halt die Backen still. Schau!"
Die Fingerspitzen des Waldläufers glitten über ein merkwürdiges Zeichen, dass in die eingestüzte Wand eingeritzt war.

[Bild: cbc467-1515170984.png]

"Das sieht aus wie ein Abwehrsiegel für Monster aus dem Wald..."
Der Mund war nachdenklich geöffnet, die Augen starrten das Symbol an.
"Keine Ahnung was für Kraut du geraucht oder Pilze du gegessen hast."
"Mein Onkel hat es mir beigebracht, irgendwann dachte ich, er hat es sich nur ausgedacht, aber-"
"-Es gab wohl auch andere Irre, die daran glaubten und nun sind sie alle tot."
Ein strafender Blick traf den Wanderer. Dieser hingegen zuckte nur mit den Schultern.
"Lass uns ein Lagerfeuer machen und hier nächtigen."
"Wo Worte selten sind, haben sie Gewicht."

[Bild: Aughril.png]
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