*Eher schwer öffneten sich die Augen des Waibels. Er starrte eine längere Zeit die Decke an.* Vogel gezwitschere... Ist das die Passwacht?
*Aughril erhob sich langsam vom Bett und schaute sich im Raum um.* Ja... die Passwacht.
*Er fasste sich an die Stirn und versuchte sich an seinen Traum zu erinnern:*
Er war jung, irgendwer griff nach seiner Hand, als er die Person anschaute war alles... verwischt. Dann ertönte die Stimme, eine junge Kinderstimme.
So dumpf und unverständlich. Das sollte nicht sein! Eigentlich sollte er sich daran erinnern können! An das Gesicht, an die Worte!
Plötzlich stand er vor einem brennenden Haus, das Gesicht war verschwunden, der Klang, das Knistern der Flammen war klar hörbar.
Ah! Das Waisenhaus... ich erinnere mich.
Aber das Kind... das... Versprechen... es war verloren.
Seit dem Nebel war es verloren... *Aughril ballte die rechte Hand zu einer Faust.* Ja, der Nebel.
*Der Anflug von Zorn verschwand wieder so schnell wie er ankam und der Waibel erhob sich entschlossen und verließ mit einem Ziel vor Augen die Passwacht.*
Aughril rollte den Verband ab und bewegt sein Bein. Die Verletzung und Erschöpfung, die er sich im Kampf gegen den schwarzen Streiter, sind nun endlich verheilt beziehungsweise verflogen. Er konnte sich wieder daran machen nachts ohne Rüstung nur mit der Waffe gewappnet eine erfolgreiche Jagd für Artio anzustreben.
In der Garnisson dann traf er alle Vorkehrungen. Die Feldkiste des verstorbenen Lucian wurde als Lager seiner Rüstung, Skuldra und Tränke missbraucht, während er selbst nur zerschlissene Kleidung und ein altes Paar Stiefel anzog. Mit dem Langschwert in der Hand verließ er die Garnisson und setzte sich genau davor im Fersensitz auf die Wiese. Die Waffe ruhte auf seinem Schoß, während er mit geschlossenen Augen eine Meditation eintrat. Wieviel Zeit verstrich war ihm nicht klar, doch irgendwann überkam ihn ein Gefühl, als sei die Zeit für eine artiogerechte Prüfung gekommen. Jetzt hieß es: Finde die richtige Beute!
Er schlich durchs Unterholz. Solange nichts sichtbar war, raschelte es einwenig und Aughril hatte ein schnelles Tempo. Sobald jedoch etwas funkelte oder ein Geräusch von sich gab, wurde der Knappe sofort regungslos, wie versteinert und beobachtete jede weitere Auffälligkeiten.
Bevor er überhaupt nur einen Thalwolf in den Wäldner nördlich der Rabenfelder jaulen oder knurren hören konnte, traf er auf zwei Eber und eine Bache. Diese wurden zu Ehren der großen Wölfin natürlich erlegt und ihre Haut und ihre Hauer als Beutetrophäe und somit Opfergaben mitgenommen. Und so kam es, dass ein Jaulen im Wäldchen erklang. Doch woher kam es? Aughril schlich durchs Unterholz und hörte ein Brummen, ein Schnaufen. Aber es war eindeutig kein Wolf, nein, ein Schwarzbär versperrte den Weg des Waibels.
Der Schwarzbär kratzte seinen Rücken am Baum. Diese Ablenkung machte sich Aughril zu nutzen und schlich am Bären vorbei, dem Jaulen entgegen. Und es dauerte nicht lang, da fand er den Wolf. Hier war nun Fingerspitzengefühl gefragt. Aughril steht nur mit Stoff gerüstet da, der Wolf beißt selbst durch Plattenpanzer, wenn der Biss gut sitzt. Alles Überlegungen, die der alte Waldläufer damals gelernt hat und sich heute zu Nutze macht. Er hat sich absichtlich durchgehend durchs Unterholz "gewälzt", damit der menschliche Schweißgeruch überdeckt wird. Natürlich nicht perfekt, aber es half! Dem Wolf stieg aber ein anderer Geruch in die Nase... die Jagdbeute der Eber. Als der Wolf dann die Schnauze in Aughril's Richtung wendete, duckte sich jener und machte sich bereit für einen überraschenden Hieb, vielleicht sogar ein guter, einziger Treffer, der das Tier erledigen wird.
Aughril zögerte den Schlag hinaus und wartete. Der Wolf kam näher und näher und er hob schon die Schnauze, als er zwei Schritt entfernt war und wohl langsam die Falle erkannte, da schoß der Waibel wie ein Blitz hervor und verpasste dem Tier einen Hieb auf den Schädel. Das Tier verlor sein Auge und geriet in rasende Wut. Es sprang sofort Aughril an, schnappte nach ihm, doch dieser wich leichtfüßig aus und rammte dem Tier die Klinge in die Kehle. Röchelnd und gurgelnd erlag das Tier dann diesem Todesstoß.
Der Knappe zog dem Tier das Fell ab und trennte mit sicherer Hand den Wolfskopf vom Körper. Um dann noch ein stilles Gebet an Artio zu widmen, schnitt er das Herz des Wolfes aus dem Leib und packte es ein. Das war es! Das war der erhoffte Erfolg! Das Wolfsherz wurde direkt am nächsten Altar in die Opferschalte gelegt und das Gebet folgte sofort. Dann, mit blutigen Unterarmen, trat er die Heimkehr zur Garnisson an. Körper, Felle, Opfergaben sowie Wolfskopf wurden so weit wie möglich gewaschen, damit wenigstens das Blut nicht mehr überall kleben bleibt und alles wurde sicher verstaut.
"Dann schreib doch ein Gedicht!"
- Ein Gedicht? Was habe ich mir bloß dabei gedacht, als ich Feykir fragte, wie ich Brigid ehren könnte... Ich und ein Gedicht verfassen... Ich habe ja kaum welche gelesen, als dass ich dann irgendwie Anhaltspunkte hätte. Es muss sich doch reimen oder? Und irgendwie hatten sie alle einen gleichen.. hm... "Schwung". Mag sein das Brigid einer meiner Schicksalsgöttin ist, aber eine richtig poetische Zunge hatte ich nie. Ach was soll's...
Es verging eine längere Zeit und das gekaufte Buch, dass kaum Verzierrung aufwies hatte bereits mehrere rausgerissene Seiten. Mehrere Ansätze angefangen und aufgegeben. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf, aber so richtig wollte der Kohlestift kein gescheites Gedicht aufschreiben. Mit einem Seuftzen erhebt sich der Altjenar und macht es sich unter einem Baum gemütlich. War es ein Kastienbaum? Richtig darauf geachtet hat er nicht. Nach einer Weile fielen ihm auch schon die Augen zu und er hielt ein Nickerchen.
Langsam öffnet sich die Augen. Das Vogelgezwitscher ertönte laut und hat ihn geweckt. Sein Blick glitt nach vorne: Der Himmel strahlte merkwürdig hell und es war keine Wolke erkennbar. Für den Gilbhart erschien alles so hell. Aughril überkam ein Gefühl der Ruhe und er hatte das Gefühl, dass sein Kopf auf einem Kissen lag. Eine Hand legte sich auf seine Stirn und fuhrt über sein Haar. Nicht seine Hand. Er legte leicht den Kopf in den Nacken und erblickte... ein Lächeln, eine kleine Nase, weißstrahlendes Haar, die Augen der Person waren nicht erkennbar und ein weißes Kleid. Bevor er doch überhaupt irgendwie reagieren konnte, war da wieder die Hand, die sich über die Augen des Waibels legten.
Da schlug er die Lider auf und erhob langsam den Oberkörper. Aughril schaute sich um, aber niemand war da. Ein Traum. Er senkte den Blick und sah das mager verzierrte Buch auf seinem Schoss balancieren. Er schlug es auf und las leise:
Sie trug den Becher in der Hand
-Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand -,
So leicht und sicher war ihr Gang,
Kein Tropfen aus dem Becher sprang.
So leicht und fest war seine Hand:
Er ritt auf einem jungen Pferde,
Und mit nachlässiger Gebärde
Erzwang er, dass es zitternd stand.
Jedoch, wenn er aus ihrer Hand
Den leichten Becher nehmen sollte,
So war es beiden allzuschwer:
Denn beide bebten sie so sehr,
Dass keine Hand die andre fand
Und dunkler Wein am Boden rollte.
In ihm breitete sich eine angenehme Ruhe aus.
Aughril erhob sich und legte das Buch, geschwängert mit dem Gedicht, in die Opferschale am nächsten Schrein ab. Ein letzter Blick auf das Buch und ihm glänzte irgendwas vor der Nase. Als der Knappe nach dem Faden griff, erkannte er schnell, dass es Spinnenseide war...
Nun musste er nur noch ein Brief verfassen.
Aughril trat zu Magda. Sie schien zu schlafen und sich zu erholen. Ein gutes Zeichen bei einem solchen Fehlschlag. Aber wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Hier in Candaria ist es doch noch recht angenehm vom Wetter her, aber das wird nicht mehr lange so bleiben. Aughril legt die Hand auf die linke Seite, die Prellung, die Rippe, es pulsierte wieder. Diese verdammten Untoten haben ihn schlimmer zugesetzt als die Indharimer. Genauer betrachtet sind eigentlich sie die Bedrohung, nicht die Sandfresser...
Zum Angriff gibt es nicht viel zu sagen, Arkin löste jede Falle aus, der Freiherr von Eisental setzte die Mauern sehr gut ein aber irgendwelche kühne Gesellen mussten trotzdem die Untoten anlocken, manche Helden stürmkten vor nur um dann in die eigenen Reihen zurück zu stürmen, aber egal.. wir haben ein wieteres Stückchen Land erobert und das ohne großen Schaden an die Mine anzurichten.
Am nächsten Morgen sieht man den nach Schnaps stinkenden Aughril in der Hütte, wo Magda liegt, schlafen und sich von dem ganzen Ärgernis zu erholen, aber lange dauert der Schlaf nicht, beide werden dann wohl zurück nach Ravinsthal geleitet mit Nadel und Tamujin als Geleitschutz.
Es war spät in der Nacht, Aughril besuchte noch die Front, zu einem um sich eine Übersicht über die Lage zu verschaffen, zu anderem um Magda abzuholen. Nachdem dann über dies und das gescherzt und gesprochen wurde, nahm er dann spät in der Nacht zusammen mit Tamujin Magda mit und zu dritt auf zwei Pferden ritten sie zum Steinadlerhof, wo Magda dann ins Bett gelegt wurde, nur ihre Stiefel und der schmutzige Mantel wurden ausgezogen. Aughril fand sich dann unten in den Fellen einen Schlafplatz.
Am nächsten Tag...
Magda lag schlafend im Bett, als der Waibel eine Etage tiefer aus den Fellen trat. Die Seite, die Prellung, es stichte und pochte, aber er darf sich davon nicht aufhalten lassen. Kordian steht ja auch wieder an der Front. Und so machte er sich daran die Ställe auszumisten, frisches Heu zu stappeln und zu verteilen, die Futtertröge zu befüllen und die Felder zu gießen. Alles mit seinen Waffen am Gurt und ausnahmsweise mal ohne Panzerung am Leib.
Die Magd mit Leif in den Armen schritt verwundert an dem Knappen vorbei und betrat das Haus, aber Aughril störte sich nicht daran und machte seelenruhig weiter. Die Tratschweiber begannen bereits zu... tratschen. Ist das ihr Neuer oder ist das ihr Bruder, ihr Mann? Ja, aber er sieht so Muskelbepackt aus, vielleicht ein Leibeigener, ein Leibwächter? Sie tratschten und tratschten und ohne das sich der Knappe was anmerken ließ, gingen sie ihm mit dem lautem Getratsche auf den Senkel, aber er machte unbeirrt weiter. Und als der Tratsch seinen Höhepunkt erreicht sah man Magda's Kopf aus dem Fenster lehnen und runterrufen:
"Waibel! Wenn ihr weiter soviel Heu verschwendet, seit ihr mir eher weniger eine Hilfe am Hof!"
Ja... Magda kannte ihre Nachbarn, nein, die Ravinsthaler einfach besser und hat dann wohl den Tratsch damit zerschlagen. Es ist wie es ist, ein Waibel der einer verwundeten Kameradin am Hofe "hilft". Er hat schonmal einwenig am Hof ausgeholfen und so konnte er auch hier einwenig hilfreich sein...
Aughril stoppte die Arbeit und Blicke über den Hof. Das Gespräch gestern mit Lawin kam ihn in den Kopf. Es schien, als habe Lawin das gleiche erfahren dürfen wie Aughril:
Wahrlich lieben und leider schmerzlich verlieren, sei es das Schicksal oder die eigene Torheit... Sie wollte mit mir so einen Hof aufbauen, oder?
Ausschnitt aus einem Gespräch zwischen Seriath Dargon und einer namenlosen Frau:
[...]
"Und was ist mit deinem Freund?"
"Was für ein Freund, ich habe keine Freunde..."
"Na der Waldläufer."
"Ah, der! Nein, wir sind keine Freunde und... was soll mit ihm sein?"
"Steht er auf Kerle? Er ist immer so abweisend zu Frauen."
*Ein herzhaftes Lachen entkommt der Kehle des Schurken.* "Niemand liebt Frauen mehr als er, aber er hat Pech gehabt."
"Pech gehabt?"
"Ja, sage ich doch, Pech gehabt!"
"Wie meinst du das?"
"Weib, du nervst!"
"E-entschuldigung..." *Sie lässt die Schultern hängen.*
"Ts, nagut, ich verrate es dir, da du ja anscheiend sonst den Strick suchst... Er ist einer Hexe begegnet, einer Hexe die ihn den Kopf verdreht hat..."
"Also stirbt er bald?"
*Sein Blick gleitet ab, ins Leere oder doch Richtung Finsternis zu einem aufleuchtendem Augenpaar?* "Er starb damals mit ihr..."
*Nach diesen Worten wandte er sich ab von der Frau und schwieg in sich hinein...*