FSK-18 Vom Niemand zum Fuchs
#3
Aus irgendeinem Grund musste sie an ihr erstes Mal denken, während Liam im Stockbett unter ihr schlief und steinerweichend schnarchte.
Sie konnte gar nicht mehr genau sagen, wie es damals dazu gekommen war. Weder hatte sie irgendwelche Verehrer gehabt, noch Freunde, die für ein solch spezielles Unterfangen in Frage gekommen wären. Dennoch erinnerte sie sich - wenn auch nur noch grob - daran, dass sie irgendwann mit einem Burschen aus der Nachbarschaft in der Scheune neben dem Haus ihrer Eltern gelandet war und obenrum nichts mehr an hatte.
Sie hätte gern noch gewusst, wie genau es dazu kam, dass wenig später das rotangelaufene, erzürnte Gesicht ihres Vaters im Scheunentor erschienen war und der Bursche nur einen Augenblick danach nicht mehr wusste, ob er zuerst seine Zähne einsammeln oder seinen Lörres wieder einpacken sollte. Was Aluna jedoch noch gut vor Augen hatte war der blanke Arsch des Knaben, als er wimmernd und fluchend über die Felder hinweg Haken schlug und das Weite suchte. Und die Faust ihres Vaters, die drohend in die Höhe gestreckt von diesem kleinen Sieg kündete. Ob Meister Felsenschinder dasselbe tun würde, wenn er in diesem Moment in ihr Zimmer käme? Der Gedanke ließ sie abermals einen paranoiden Blick zur Tür werfen. Andererseits würde er ja nichts weiter vorfinden als einen angekleideten Mann ohne Stiefel, der gotteslästerlich nach Alkohol stank und schnarchte, dass es die Pferde im Hof unruhig machte - und sie. Noch immer in Gambeson und Mieder, das sie, betrunken wie sie war, einfach nicht auffädeln konnte. Allerdings stank auch sie nach Alkohol. Und das, obwohl sie sich sonst nie betrank und erst am frühen Morgen das heilige Versprechen gegeben hatte, sich in der Öffentlichkeit zu benehmen.
Genau genommen war ihr Zimmer aber nun nicht die Öffentlichkeit, und ausser, dass sie ein wenig Wein in den Kanal gewürgt hatte, war es auch nicht zu weiteren Ausschreitungen gekommen...dennoch plagte sie ein schlechtes Gewissen und der Suff verstärkte ihre Angst davor, erwischt zu werden. Bei was auch immer. So versuchte sie mindestens zweimal, nachdem sie sich beim Aus-dem-oberen-Bett-steigen fast den Hals gebrochen hätte, Liam aus seinem - aus ihrem! - Bett zu zerren - erfolglos.

Da sie bei der Schnarcherei allerdings ohnehin kein Auge zutun konnte entschloss sie sich, die Nacht in der Akademie zu verbringen. Dort zwang man ihr widererwarten - offenbar waren irgendwelche Versuche an diesem ominösen Golem schiefgegangen - Aufräumarbeiten auf. Die Halle sah aus, als hätte ein Sturm darin gewütet, und angesichts der tatsächlichen Geschehnisse war das vermutlich noch milde ausgedrückt. So fand Aluna sich erst, als die Dämmerung langsam hereinbrach, zitternd vor Müdigkeit und mit Augenringen, die denen Frau Schinders alle Konkurrenz gemacht hätten, mit einem Tee in der Hand im stürmenden Löwen wieder. Zumindest war sie wieder nüchtern und die Alkoholfahne beinahe verschwunden.
Sollte Meister Felsenschinder sie fragen, was beim Pantheon dieser fremde Mann in seinem Haus gesucht habe, so würde sie entsetzt den Kopf schütteln.
Einbrecher - vor denen war einfach niemand sicher...
Und um auch noch den letzten Rest an Schuldgefühlen zu tilgen verbrachte sie die frühen Morgenstunden damit, das Haus des Lehrmeisters bis in die kleinste Bodenrille zu schrubben und zu polieren. Niemand sollte ihr nachsagen können, dass sie die Lehre nicht ernst nahm!
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Vom Niemand zum Fuchs - von Aluna Herbstlaub - 25.01.2017, 07:32
RE: Vom Niemand zum Fuchs - von Aluna Herbstlaub - 31.01.2017, 06:58



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