Zwei Banner für eine Baronie...
#3
Der Glockenturm begann mit seinem ersten dumpfen Glockenschlag zur Mittagsstunde, der von den Häuserwänden der Altstadt mehrfach zurückgeworfen und verstärkt wurde. Der Boden unter den dünnen Sohlen ihrer leichten Sommerschuhe vibrierte unter dem klangvollen, metallischen Ton. Jeder andere hätte bei diesem Lärm seinen Kopf auf den Schultern suchen müssen, doch nach zwei Jahren, in denen sie nur zwei Häuser nebenan eingezogen war, hatte sie sich daran gewöhnt und wusste wo ihr Kopf zu Hause war, auch wenn die Lautstärke oft genug ihre eigenen Gedanken übertönte.

Mit dem zweckdienlichen Korb unter dem Arm bewaffnet, machte sie sich auf den Weg zurück zur alten Gerberei. Die verräterische Pfütze unter dem Balkon war im Laufe des Vormittags immer mehr geschrumpft, bis sie vollends verschwunden war. Das einzige was vielleicht noch verräterisch wirken konnte war, dass die Pflastersteine an dieser Stelle viel sauberer waren. Doch wer in Löwenstein, hatte schon Augen für solche Kleinigkeiten. Hier war man mehr mit sich selbst beschäftigt…oder damit vor den Türen anderer zu kehren und es für die eigenen Zwecke zu nutzen. Am besten hinterrücks mit dem Dolch ins Auge.

Der letzte Glockenschlag hallte noch zwischen den Mauern, als sie die Gerberei erreichte. Bei den Wäscheleinen angekommen, prüfte sie die Stoffe zwischen Daumen und Handfläche. Der Stoff war durch die Salzlösung wesentlich weicher geworden, seine nun glänzende Struktur würde sich mit der Färbung erst richtig entfalten und was ganz wichtig war: Er war trocken und durch die warmen Sonnenstrahlen regelrecht aufgeheizt. Erleichtert seufzte sie und sie nahm eine Klemme nach der anderen ab, welche die Tücher an Ort und Stelle hielten, verstaute sie im Korb und legte die Stoffe sorgsam zusammen gefaltet oben auf.

Sie bückte sich um den Korb wieder auf die Arme zu heben, fluchte plötzlich vollkommen undamenhaft mit Wörtern, die hoffentlich niemals wiedergegeben werden würden, und irgendwas von Lugh’s wohl rechten behaarten Hinterteil beinhalteten, als ein weiteres Mal ein stechender Schmerz durch ihren Rücken jagte. Das nächste Mal würde sie mit dem Baron zusätzlich über Massagen verhandeln müssen. Ächzend drückte sie sich wieder in den Stand und taumelte mit vollbeladenen Armen zum Haus zurück.

Ihr graute es bereits jetzt schon davor, den Gang heute ein weiteres Mal gehen zu müssen.

Die Stufen, ach ja die elendigen Stufen. Wieder nahm sie jede einzeln, immer wieder rechts und links am Wäscheberg vorbeispähend um nicht falsch zu treten, bis sie das Obergeschoss erreichte. Sie schob das Weidengeflecht mit den Stoffen auf den Boden und ließ sich daneben auf dem Hocker vor dem Spinnrad plumpsen. Jener, offenbar überrascht von dem Besuch des euphorischen Hinterteils mit zuviel Schwung, entschied sich auch zu plumpsen. So kippten sie beide nach hinten weg und sie landete hinterrücks im Wäschestapel. Sie schielte ärgerlich zur Decke und rief den 21 Göttern des Pantheons mit nach oben gerichteter Faust zu: „Ohjaaaaa, ihr habt ja soooooooviel Humor! Ich habe den Wink mit Zaunpfahl schon verstanden!“ Im letzten Moment verkniff sie sich den Zusatz, dass nicht nur Lugh’s, sondern all‘ ihre Hinterteile über zuviel Körperbehaarung verfügten und rappelte sich wieder auf. Soviele Opfergaben, wie diese Bemerkung erfordert hätte, konnte sie sich gewiss nicht leisten. Sie las die Stoffe aus dem kläglichen Weidenresten des nun vollkommen geborstenen Korbes zusammen, trat diese ärgerlich unter das Bett und trug die Stofflagen wieder auf den Balkon. Ins Zimmer zurückgekehrt, nahm sie die lange, fleckige Schürze vom Haken und band sie sich um.

Sie nahm die beiden Eimer, die bis dahin noch immer lieblos in der Ecke ihr Dasein fristeten, nachdem sie am Vortag ihren Soll erfüllt hatten und ging mit ihnen ins Zwischengeschoss, um sie am dort bereitstehenden Wasserfass zu füllen. Für die jetzige Aufgabe war kein frisches Brunnenwasser mehr von Nöten, dafür tat es auch das bereits seit einem Tag abgefüllte aus dem Fass. Aus der Kommode nahm sie einen Tiegel mit blauem Farbpulver, einen mit jenem für gelbe Mischungen und verstaute sie in einem der Lederbeutelchen an ihrem Gürtel. Auch wenn Frau nur zwei Hände hatte, zu helfen wusste sie sich dennoch auf pragmatische Art und Weise. Mit den aufgefüllten Behältnissen schleppte sie sich die Stufen wieder hinauf und drapierte sie auf der Sitzbank des Balkons. Sie förderte wieder den Farbstaub zu Tage und leerte das blaue Döschen zu einem dreiviertel über dem einen Eimer und das Gelbe zu einem Viertel über den anderen. Sie verschloss jene wieder und steckte sie zurück. Danach zog sie schnell die Tür zu den Räumlichkeiten zu. Diesen, Nasenschleimhäute beleidigenden Duft, der Marquards Körperausdünstungen sehr nahe kam, wollte sie keineswegs in ihrem Hause wissen. Angewidert nahm sie wieder den Stecken zur Hand und verrührte die Farbe, bis sie sich mit dem Wasser verband und es gleichmäßig einfärbte. Hier und da gab sie noch ein paar Krümel mehr dazu, bis die Kolorierung des Blautones der des Ordens im Südwald glich und das Gelb sich mehr und mehr zu einer strahlenden Goldfärbung änderte. Erst dann legte sie den Stecken zurück, der nun die Farbe eines interessanten Krötengrüns angenommen hatte, die entfernt an alten Schimmel erinnerte.

Die Stofflagen wurden wieder in fachmännischer Form den Eimern übergeben und mit den Händen durchgewalkt und wieder durch die Farbe gezogen, bis der Stoff eine gleichmäßige, fleckenlose Färbung angenommen hatte, danach kräftig ausgewrungen und daneben gelegt, bis sie zuletzt 12 lange, blaue Stofflagen hatte und sechs Güldene. Durch die Färbgänge , hatte sich der Inhalt der Gefäße zum Glück weitestgehend minimiert, sodass es diesmal ein Leichtes war, die schlecht riechende Flüssigkeit zur Gerberei zu tragen und dort gewissenhaft zu entsorgen. Dort stank es sowieso immer wie ein Faulsumpf im Hochsommer.

Noch einmal ging sie zurück um die nun gefärbten Tücher zu holen, den geborstenen Wäschekorb unter dem Bett hervorzusuchen (natürlich wieder so undamenhaft fluchend, wie sie es nur wagte, wenn sie alleine war), ihn um die Wäscheklammern zu erleichtern und mit all‘ dem bewaffnet gleich wieder zu den schon bekannten Wäscheleinen zurück zu marschieren. Diesmal hingen die bunten Stoffe schon schneller auf der Leine, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass auch der Muskelkater seinen Stolz hatte.

Tropfend und schlaff hingen sie in der Nachmittagssonne und sie betrachtete zum ersten Mal mit einer gewissen Zufriedenheit ihr Werk. Endlich sah man zumindest ein wenig den Fortschritt, auch wenn noch viel Arbeit vor ihr liegen wird. Den restlichen Tag würde sie damit verbringen aus acht Eisenbarren in der Schmiede, zwei Armlange und zwei kürzere, fingerdicke Eisenstangen zu ziehen, welche später als Gewichte für das Banner dienen sollten.

Es hatte durchaus seine Vorteile sich zumindest ein wenig mit der Feinschmiedekunst beschäftigt zu haben und damit keinen anderen Handwerker belästigen zu müssen. Natürlich abgesehen von dem Schmiedemeister Beric in jenen Räumlichkeiten - obgleich man schwer sagen konnte, ob nicht wohl er mit seinem kaum stillstehenden Mundwerk und den mit Tränensäcken verzierten, mürrischen Blick eher als Belästigung gelten mochte.

Jedenfalls wäre damit endlich das Grobe, Geruchsintensive, Körpereinsatzverlangende, Rückenstrapazierende und Plattfußfördernde an diesem Auftrag erledigt und sie könnte sich endlich wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung widmen. Dem Sticken, Nähen und Fransen knüpfen und dabei endlich wieder kreativ sein.

[Bild: jr2o-31-2461.jpg] [Bild: jr2o-32-ac1b.jpg]
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RE: Zwei Banner für eine Baronie... - von Carmelina Tartsonis - 04.08.2015, 21:40



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