[FSK-18] Wenn Sterne brechen...
#9
Und es vergingen Tage, Tage an denen Erin die Schönheit der Stadt in sich aufnahm, sich jede Kleinigkeit merkend, den Jungs berichten wollend, daheim in Rabenstein. Doch mit jedem Tage sah sie auch die Armut Löwenstein's. Das Armenviertel lag nahezu abgeschottet hinter zwei Toren, bewacht von jeweils einer Wache um die Hässlichkeit der Armut nicht zuweit in des König's lichte Gemächer einzulassen. Denn wo Armut war, gab es Diebstahl und Mord, Betrug und Hinterlist, doch auch Stimmen, die sich gegen die Obrigkeit erhoben und sich mit ihrem Schicksal nicht abfinden wollten. Erin schlief mal in einem Heuschober am Alten Hafen, mal wieder an der Grenze zu Ravinsthal, einem kleinen Tavernenhof der den Namen "Zum goldenen Raben" trug. Seit sie dort an einem galatischen Thing teilgenommen hatte, war sie mit einigen Mondwächtern in Berührung gekommen und ließ es zu, dass der Alte Glaube, sie umhüllte wie eine warme, wollene Decke, deren Vertrauen einem Stärke und Zuversicht gab. Löwenstein hingegen schien wie ein Nest zu sein, welches rotberobte Legionäre und Priester gebahr, einer hochnäsiger und arroganter als der andere wenn es um die Glaubensfrage ging.
Und dann war da sie - eine junge Frau, nicht älter als zwanzig Lenze mit rabenschwarzem Haar und grünblauen Augen. Und nein, es war kein Gemisch zweier Farben, nein, sondern jedes ihrer Augen hatte eine einzelne Farbe, eines blau, eines grün, wie die Augen meiner Schwester. Es floß viel Portwein und güldener süßer Met an diesem Abend, das Lagerfeuer flackerte fröhlich und Erin ließ die Dunkelhaarige aus ihren Gedanken gleiten, die gute Stimmung wirkte beruhigend auf sie ein, bis sie müde und seelig nahe der Zelte ein ruhiges Plätzchen zum Schlafen fand.
Doch die nächsten Tage waren erfüllt von dem Gedanken, in der Dunkelhaarigen vielleicht ihre vermisste Schwester Anna gefunden zu haben, unnachgiebig suchte sie nach ihr, bis ihr Larija, die Bognerin von einer Frau namens Anouk erzählte, einem Mädchen das etwas sonderlich sei, und diese wohl in Zweitürmen zu finden sei, dort, wo die Silendrische Infantrie untergekommen sei, denn sie würde zu einem der Hauptmänner gehören. Erin murrte bei dem Gedanken, dass womöglich ihre kleine Schwester Opfer lüsterner Soldaten geworden sei, bedankte sich bei Larija für die wunderschön gearbeitete Reiterarmbrust und stiefelte dem besagtem Zweitürmen entgegen, dort jedoch niemand weiter als eine Frau mit einem quiekenden Ferkelchen antreffend. Rasch kamen die beiden ins Gespräch, ja man spendierte ihr sogar Braten und Bier. Besagte Ferkelbesitzerin war Magdalena Jehann, wohl Mitglied eines der angesehensten Familien Zweitürmens, jedoch auch mit einem schweren Schicksalspäckchen beladen. Doch obwohl der Stachel der Bitterkeit aus ihrer Seele nicht gänzlich gewichen schien, zeigte sie sich Erin gegenüber sehr freundlich und wohlwollend und berichtete, dass die Infanterie wohl nur ein Restbestand einer ehemaligen Armee aus Silendir sei, und Anouk die Dunkelhaarige, durchaus nicht gezwungen, sondern aus freien Stücken mit einem der Männer verweilen würde.
So verließ Erin die Siedlung Zweitürmen zwar mit vollem Bauch, aber enttäuscht, die junge Frau nicht gefunden habend. Ihr Weg führte zurück nach Löwenstein, sie wollte die Amtsstube aufsuchen um dort ihr Gesuch einzureichen. Gedacht, getan, fand sie auch dort sogleich Gehör, und ein äussert hübsches und freundliches Fräulein Strastenberg versprach eine Nachricht zu schicken, sobald sie Informationen bezüglich der Adoption eines dreijährigen Mädchens aus Ravinsthal ausmachen konnte.
Die Strasse vom Marktplatz verlassend, schlug sie eine schmalere in Richtung Armenviertel ein, als Erin sie sah! Anouk! Beide Frauen starrten sich an und setzten sich ans Feuer, später in eine Taverne und endlich, endlich konnte Erin all das aussprechen, was ihr auf der Seele lag, Anna's Geschichte vermischt mit der ihren. Sie erzählte von Flint, von den Diebereien, von der Hand die Flint verlor im letzten Jahr und von der Gefahr die über Anna schweben soll. Anouk war tatsächlich ein sonderbares Mädel, still und in sich gekehrt, ja manchmal garnicht anwesend, sondern zwischen zwei Welten hängend. Sie hatte so garnichts von der Fröhlichkeit Anna's, die Augen waren zwar zweifarbig, doch fehlte ihnen das Leuchten und die Freude die ihrer kleinen Schwester so eigen war. Doch konnte das Schicksal ein Leben brechen und ändern, Erin hatte sich entschlossen Anouk als Anna anzuerkennen. Anouk indess blieb zurückhaltend, zwar gab sie zu, in Erin's Gesicht jemanden zu erkennen, doch blieb ihr Herz verschlossen. Schon bald trennten sich die beiden, Anouk zog es zu ihrem Gefährten, er schien ihr Leben zu sein, ihr Alles. Eine Schwester schien da kaum einen Platz zu finden. Erin legte sich in der verlassenen Taverne vor den Kamin, in der Hoffnung diese Nacht im Warmen verbringen zu können und schlief ein.
Da suchte die Wahrheit sie im Traume auf, führte sie durch neblige Felder verblichener Orte bis sich ihr der kleine heimische Bach im Thalwald offenbarte. Anna plantschte nackig, gehalten von Mutter's Armen, jauchzte fröhlich in der Sommersonne und Erin blickte durch die Nebel des Traumes auf Anna'a kleines, herzförmiges Muttermal seitlich auf ihrer rechten Hüfte, Nebel flossen ineinander, die Nacht blieb still und ereignislos.
Schon am nächsten Tage begegnete sie Anouk wieder. Sie stand mit Larija nahe des großen Feuers im Armenviertel, plaudernd und unbeschwert wie es schien. Erin nahm die Gelegenheit beim Schopfe, berichtete von ihrer Erinnerung im Traume und Anouk sah sie nur mit großen Augen an, sich die Hose über die Hüfte ziehend und den Kopf schüttelnd und sagend, dass sie so ein Mal nicht besäße.
Selbst Larija schien betroffen, stellte sich Erin unterstützend zur Seite, während Anouk schon ihren eigenen Angelegenheiten folgend verschwand.
Erin schalt sich dumm, in der Erstbesten ihre Schwester erkennen wollend, doch später bei einem guten Becher von Larijas Portwein wich ihre Enttäuschung gütiger Einsicht.
Anouk wäre nie Anna geworden, und das Schicksal hatte Erin davor bewahrt, in ihr stets die Fremde sehen zu müssen.
Sie würde weitersuchen, und sollte das Schicksal unbarmherzig sein, würde ihr Weg sie schon bald zu Flint zurückführen, jemand der sie brauchte und liebte und ihr ein Heim gab, war's auch nur die schäbigste Hütte Rabensteins.
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