Der Dienst endet mit dem Tod.
#7
“Glaubst Du wirklich, dass Lionel die Schatten gesehen hat?”
“Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.”
“Kyrthon hat mir einen Krähenfuss gegeben, damit nichts passieren kann …”
“Verbrenne das Ding und dann schütte die Asche in den Fluß!”

So einfach war es manchmal. Vier schlichte Sätze lösten ein Problem, welches sie nun schon seit Wochen mit sich herum getragen hatte. Sie hätte den Krähenfuss auch im heimatlichen Herdfeuer verbrennen können, aber aus irgendeinem Grund behagte ihr nicht, eventuelle Überreste der Asche unter der Feuerstelle, auf der sie tagtäglich die einfachen Gerichte wie Suppen oder Haferbrei für ihre Familie zubereitete, zu wissen.

Also hatte sie auf einem Wachgang, irgendwo im Wolfsried, auf einer einigermaßen trockenen Stelle etwas Holz und Schilf aufgetürmt und mit ihrem Zündholz, gängiges Inventar einer Soldatentasche, angezündet. Als der kleine Scheiterhaufen zufriedenstellend rasch vom Feuer eingenommen worden war, hatte sie den getrockneten Krähenfuß hinein geschmissen und beobachtet, wie die Flammen dieses unheilige Relikt gierig verzehrten.

Vielleicht war es tatsächlich ein Fehler, das Ding zu verbrennen, aber es tat gut, endlich eine Entscheidung getroffen zu haben. So war der Kopf frei für andere Sachen. Sie hatte in den letzten Wochen - wussten die Götter - genug zu tun. Sie war vom Baron in Kordians Abwesenheit zum Leutnant des Regiments benannt worden und hatte damit einige Stufen im üblichen militärischen Werdegang übersprungen. Die junge Frau war etwas in Sorge gewesen, wie es Arthar aufnehmen würde, aber überraschenderweise verzog er keine Miene und stand ihr mit Rat und Tat zur Seite. Es wäre schlimm gewesen, wenn es anders gekommen wäre: Der Korporal kannte nicht nur die Baronie wie seine sprichwörtliche Westentasche, auch über die Geschehnisse und Verflechtungen in den nahen Königslehnen wusste er stets Bescheid. Merkwürdigerweise hatte sie bei den anderen keine solchen Gedanken gehegt; sie waren schon so lange eine eingespielte Einheit, dass sie wusste, das sie sich gegenseitig aufeinander verlassen konnten.

Dennoch machte sich die junge Frau nichts vor. Sie hatte weder Kordians Weitsicht noch taktische Erfahrung, sie war im Gegensatz zu Kyron weich und nachgiebig und besass auch nicht Cois’ stoische Gelassenheit. Sie war, wie Letzterer es ausgedrückt hatte, “das kleinere Übel.” Wenn sie nachtragender oder jähzorniger gewesen wäre, hätte sie dem Mann diese Bemerkung krumm genommen, denn auch das kleinere Übel war immerhin noch ein Übel.

Aber der Hauptmann war fort, weder Kyron - der schon andere Verpflichtungen hatte und bei ihrem Antritt als Leutnant gar nicht mehr zur Truppe gezählt hatte - noch Cois wollten das Regiment anführen und Arthar war zugunsten Kordians und seinen eigenen Zielen zurück getreten. Also tat sie ihre Pflicht, um alles am Laufen zu halten. Das war es, was sie konnte. Den Status Quo erhalten oder, wie Cyril es so unrühmlich formuliert hatte, “sich mit der Mittelmäßigkeit zufrieden geben.” Bisher waren es immer andere gewesen, die sie angetrieben und deren Befehle sie gefolgt war. Deren Unzufriedenheit, Visionen oder die pure Notwendigkeit, die andere im Lauf der Welt gesehen hatten, hatte sie mitgerissen.

Wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre sie wohl noch immer in Guldenach, einem geregelten Tagesablauf folgend, zufrieden mit dem seicht dahin plätschendern Leben. Doch die Götter hatte es anders gewollt und so war sie, ob nun gewollt oder nicht, herum gekommen und hatte Dinge erlebt, die andere in ihren schlimmsten (Alp-)Träumen nicht zu erleben wagten.

Neben dem Regiment gab es auch noch die Klinge, ehemals Schwere Silendrische Infanterie. War Cahira Kommandant des Regiments, war sie in der Klinge nur einfacher Soldat und Kyron übernahm den Part des Anführers. Bei der gemeinsamen Übung mit dem Blauen Banner kam es zu einer merkwürdigen Situation, als Berg Leutnant Mendoza eine Frage gestellt hatte, und sie beide sich angesprochen fühlten: Sie als Leutnant des Regiments, er als Leutnant der Klinge.

Doch während die Truppe der Baronie eine festumrissene Aufgabe hatte - die Sicherung des Lehens - dümpelte die Klinge vor sich her. Cahira war sich sicher, dass Kyron alle Fähigkeiten eines Führers hatte, aber verständlicherweise hielt er sich - noch - zurück. Ohne Kordian fühlte es sich irgendwie falsch an und die Hoffnung, dass er bald von seiner plötzlichen Reise zurück kommen würde, war mit der Zeit verblasst, aber noch längst nicht gestorben. Aber irgendwann mussten sie vielleicht einsehen, dass Entscheidungen notwendig waren.

Als die Flammen herunter gebrannt und vom Krähenfuss nur noch ein Häufchen Asche übrig war, scharrte Cahira mit ihrem schweren Stiefel die Überreste zusammen und in eine nahe, sumpfige Pfütze hinein. Ein Problem beseitigt, aber es lauerten neben den Pflichten und Gedanken zu Regiment und Klinge noch die Angelegenheiten mit der Kirche, die Übergabe eines brisanten Packets in Ravinsthal, die bevorstehende Inspektion des Reichsritters, eine unerfahrene Rekrutin und deren Ausbildung oder der unsägliche Pakt mit Dureth, über dessen Verlauf Cahira so ganz und gar nicht erfreut war.

Aber immer einen Schritt nach dem anderen.
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
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RE: Der Dienst endet mit dem Tod. - von Cahira Mendoza - 16.09.2015, 14:36



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